Orientzyklus

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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

Helmut hat geschrieben:den jungen Schnösel Isla ben Maflei
Warum soll er denn ein Schnösel sein ?

:wink:
statt (wie es sich gehörte) für sich selbst.
Der will doch nicht, der "Feind aller Frauen und Mädchen", wie es vorher an einer Stelle heißt ...

:wink:
eine (wie ich finde) sehr schöne, zarte Liebesgeschichte mit Ingdscha
Ja. Auch das Wiedersehen in Band 26 oder 27 ist nicht ohne.
Und auch zum gefühlten 137. Mal will ich gerne wiederholen, dass er zwischen "Hausschatz" und "Fehsenfeld" zwar sehr geringe aber (wie ich finde) doch wesentliche Änderungen gibt.
Belegen bitte ... inhaltlich gibt es KEINE großen Unterschiede. Ich erinnere mich dunkel an irgend etwas mit Bliemchenkaffee u.ä., aber das sind ja nun keine staats- bzw. handlungstragenden Elemente ...

:wink:
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Helmut
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Re: Orientzyklus

Beitrag von Helmut »

Ab einem gewissen Alter :wink: ist eben jeder wesentlich jüngere (mit Erfolge bei den Frauen :lol: ) irgendwie "schnöselig".


Das "wesentlich" von mir hat auch nichts mit der Handlung zu tun.
Die Änderungen zwischen "Hausschatz-" und "Fehsenfeld-"fassung sind zum einen solche, die die "sächsische" Herkunft des Ich-Erzählers weniger klar erscheinen lassen, und zum anderen hat May - meiner Meinung nach - einige "Albereien" herausgestrichen, um als Buchautor seriöser zu wirken. Und beides ist für mich (vielleicht auch nur für mich) wesentlich. (Beispiele kann man vermutlich in der Bücher-Leserunde (und in meinem Gedächtnis :wink: finden.)

Helmut
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

Helmut hat geschrieben:Ab einem gewissen Alter :wink: ist eben jeder wesentlich jüngere (mit Erfolge bei den Frauen :lol: ) irgendwie "schnöselig".
Ich fange langsam an, das halbwegs nachvollziehen zu können ...

:lol:

Helmut hat geschrieben:Das "wesentlich" von mir hat auch nichts mit der Handlung zu tun.
Versteh' ich ja, geht mir ja auch so, aber Markus' Frage bezüglich der Fassungen ging halt mehr in Richtung Handlungsblöcke als in Richtung Feinheiten. Daher.
markus
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Re: Orientzyklus

Beitrag von markus »

rodger hat geschrieben:
markus hat geschrieben:ich hoffe ich mach dir den Thread damit nicht kaputt
Das ist doch DEIN Thread, Deine Leserunde ... ich hab' Dir nur sozusagen hineingeholfen ... aber das "führen" im ersten Beitrag, an das ich mich ohne Nachzugucken erinnere, stand da ganz bewußt ("ich mach' mir zuhause immer schon so Gedanken, könn' se sich ja denken"; HDH) und war auch so gemeint ... DU liest ja derzeit den Orientzyklus ...

8)
Na gut (nach einer Notfall-Unterbrechung von fast 7 Stunden melde ich mich zurück (dieser Beitrag hier war schon angefangen)), wenn das so ist, kann ich das hier ja noch nachschieben :wink: :

http://www.youtube.com/watch?v=irPSvEkQl8Q
markus
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Re: Orientzyklus

Beitrag von markus »

Also im großen und ganzen gibt es kaum Unterschiede, höchstens in den Feinheiten und die sind ja manchmal das Salz in der Suppe. Die direkte Anrede an den Hausschatzleser fehlt in der Buchfassung.
markus
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Re: Orientzyklus

Beitrag von markus »

Da soll mal einer sagen, Karl May ginge es nicht primär um das Abenteuer...
"Eine Entführung wird mit dem Tode bestraft. Mein Freund Kara Ben Nemsi, du wirst morgen sehr klug und vorsichtig handeln müssen."
Was mich selbst betraf, so dachte ich weniger an die Gefahr als vielmehr an das Abenteuer selbst.
:wink:

Die leisen Lüfte, welche mit dem Schatten der Dämmerung gespielt hatten, waren zur Ruhe gegangen; die Sterne des Südens lächelten freundlich aus dem tiefblauen Dunkel des Himmels herab, und die Wasser des ehrwürdigen Stromes fluteten ruhig und lautlos dahin in ihrer breiten Bahn. Diese Ruhe herrschte auch in meinem Innern, obgleich es schwer scheint, dies zu glauben.
Das glaube ich ihm gerne.

Ich stemmte mich gegen das Blech - vergebens; ich drückte und preßte mit aller Gewalt dagegen, doch ohne Erfolg. Und wenn ich hindurch kam und hinter ihm nicht sofort das Bassin sich befand, so war ich dennoch verloren. Ich hatte nur noch Luft und Kraft für eine Sekunde; es war mir, als wolle eine fürchterliche Gewalt mir die Lunge zerbersten und den Körper zersprengen - noch eine letzte, die allerletzte Anstrengung; Herr Gott im Himmel, hilf, daß es mir gelingt! Ich fühle den Tod mit nasser, eisiger Hand nach meinem Herzen greifen; er packt es mit grausamer, unerbittlicher Faust und drückt es vernichtend zusammen; die Pulse stocken; die Besinnung schwindet; die Seele sträubt sich mit aller Gewalt gegen das Entsetzliche; eine krampfhafte, tödliche Expansion dehnt die erstarrenden Sehnen und Muskeln aus - ich höre keinen Krach, kein Geräusch, aber der Kampf des Todes hat vermocht, was dem Leben nicht gelingen wollte - das Sieb weicht, es geht aus den Fugen, ich fahre empor. Ein langer, langer, tiefer Atemzug, der mir augenblicklich das Leben wiederbrachte, dann tauchte ich wieder unter. Es konnte ja jemand im Hofe sein und meinen Kopf bemerken, der grad in der Mitte der kleinen Wasserfläche sichtbar geworden war. Am Rande derselben kam ich vorsichtig wieder auf und blickte mich um.
Eindringlich geschildert, als ob man selbst dabei war. Plastisch, Bildreich - das konnte May.

:)
markus
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Re: Orientzyklus

Beitrag von markus »

Eine schöne Stelle... :)
Der Glaube trägt eine festere Überzeugung in sich, als das stolzeste Gebäude menschlicher Logik sie zu geben vermag.
Das nächste wäre auch was für den Nachbar-Thread (Rio de la Plata)...
"...ich komme aus dem Abendlande."
"Aus dem Abendlande? Du trägst doch die Kleidung eines Beduinen und redest die Sprache der Araber!"
"Ist dies verboten?"
"Nein. Bist du ein Fransez oder ein Ingli?"
"Ich gehöre zu den Nemsi."
"Ein Nemtsche," meinte er mit geringschätziger Miene. "So bist du ein Bostandschi (* Gärtner.) oder ein Bazirgian (** Kaufmann.)?"
"Keines von beiden. Ich bin ein Jazmakdschi."
"Ein Schreiber? O jazik, o wehe, und ich habe dich für einen tapfern Beduinen gehalten! Was ist ein Schreiber? - Ein Schreiber ist kein Mann; ein Schreiber ist ein Mensch, welcher Federn ißt und Tinte trinkt; ein Schreiber hat kein Blut, kein Herz, keinen Mut, kein - - -"
Man bemerke die Widersprüchlichkeit in Kara Ben Nemsis Aussage...
"Aber warum sagst du jedem, daß du ein Ungläubiger bist?"
"Darf man sich fürchten, die Wahrheit zu sagen?"
"Nein; aber du bist ja bereits auf dem Wege, ein Gläubiger zu werden. Wir sind auf dem Wasser, welches die Franken Bar-el-Hamra, das rote Meer nennen: dort liegt Medina und weiter nach rechts Mekka, die Städte des Propheten. Ich werde alle beide besuchen, und du, was wirst du tun?"
Er sprach die Frage offen aus, welche ich mir während der letzten Tage bereits heimlich vorgelegt hatte. Dem Christen, welcher sich nach Mekka oder Medina wagt, droht der Tod; so steht es in den Büchern zu lesen. Ist es wirklich so schlimm? Muß man hingehen und sagen, daß man ein Christ sei? Ist nicht vielleicht ein Unterschied zu machen zwischen einer ruhigeren Zeit und jenen Tagen, an welchen die großen Pilgerkarawanen eintreffen und der Fanatismus seinen Siedepunkt erreicht? Ich hatte oft gelesen, daß ein Ungläubiger keine Moschee betreten dürfe, und war dann später in verschiedenen Moscheen selbst gewesen. Konnte es mit dem Betreten der heiligen Städte nicht ähnlich sein? Ich hatte überhaupt den Orient in vielen, vielen Beziehungen ganz anders, und zwar nüchterner gefunden, als man sich ihn gewöhnlich vorzustellen pflegt, und konnte gar nicht recht glauben, daß ein kurzer, vielleicht nur stundenlanger Besuch in Mekka wirklich so furchtbar gefährlich sei. Der Türke hatte mich für einen Beduinen gehalten; es stand sehr zu vermuten, daß auch andere dieselbe Meinung von mir hegen würden. Und dennoch konnte ich zu keinem Entschluß kommen.
8)
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

markus hat geschrieben:

"Ein Schreiber? O jazik, o wehe, und ich habe dich für einen tapfern Beduinen gehalten! Was ist ein Schreiber? - Ein Schreiber ist kein Mann; ein Schreiber ist ein Mensch, welcher Federn ißt und Tinte trinkt; ein Schreiber hat kein Blut, kein Herz, keinen Mut, kein - - -"
In "Satan und Ischariot" kriegt er (u.a.)
Nun, ich habe im Fremdenbuche gefunden, daß Sie Escritor sind, und weiß, daß es in diesem Fache meist nur verkommene Existenzen gibt.
um die Ohren. Er weiß schon, was die Leut' so denken, th'is clear.
markus hat geschrieben: Man bemerke die Widersprüchlichkeit in Kara Ben Nemsis Aussage...
"Aber warum sagst du jedem, daß du ein Ungläubiger bist?"
"Darf man sich fürchten, die Wahrheit zu sagen?"
"Nein; aber du bist ja bereits auf dem Wege, ein Gläubiger zu werden. Wir sind auf dem Wasser, welches die Franken Bar-el-Hamra, das rote Meer nennen: dort liegt Medina und weiter nach rechts Mekka, die Städte des Propheten. Ich werde alle beide besuchen, und du, was wirst du tun?"
Er sprach die Frage offen aus, welche ich mir während der letzten Tage bereits heimlich vorgelegt hatte. Dem Christen, welcher sich nach Mekka oder Medina wagt, droht der Tod; so steht es in den Büchern zu lesen. Ist es wirklich so schlimm? Muß man hingehen und sagen, daß man ein Christ sei? Ist nicht vielleicht ein Unterschied zu machen zwischen einer ruhigeren Zeit und jenen Tagen, an welchen die großen Pilgerkarawanen eintreffen und der Fanatismus seinen Siedepunkt erreicht? Ich hatte oft gelesen, daß ein Ungläubiger keine Moschee betreten dürfe, und war dann später in verschiedenen Moscheen selbst gewesen. Konnte es mit dem Betreten der heiligen Städte nicht ähnlich sein? Ich hatte überhaupt den Orient in vielen, vielen Beziehungen ganz anders, und zwar nüchterner gefunden, als man sich ihn gewöhnlich vorzustellen pflegt, und konnte gar nicht recht glauben, daß ein kurzer, vielleicht nur stundenlanger Besuch in Mekka wirklich so furchtbar gefährlich sei. Der Türke hatte mich für einen Beduinen gehalten; es stand sehr zu vermuten, daß auch andere dieselbe Meinung von mir hegen würden. Und dennoch konnte ich zu keinem Entschluß kommen.
8)
Eine direkte Widersprüchlichkeit sehe ich da nicht, eher eine Ambivalenz. (Die sehe ich sehr oft bei ihm ... und halte sie auch für durchaus angemessen. Eine "klare Linie" mag zwar positiv klingen, ist aber, wenn man's recht bedenkt, eher etwas für schlichte Gemüter ...) Er sagt ja nicht "Man darf sich nicht fürchten, die Wahrheit zu sagen !" sondern er sagt "Darf man sich fürchten, die Wahrheit zu sagen?", fragt sich das gewissermaßen selbst, beleuchtet die Dinge, auch dieses, mal mehr von dieser, mal mehr von jener Seite.

Dieser Tage habe ich mich übrigens erstmals gefragt, ob auch die Mekka-Episode auf einer anderen Leseebene zusätzlich noch für etwas anderes stehen mag, irgendein Erlebnis in der Heimat, vielleicht in Glauchau ? Irgend etwas mit dem Touch des 'Verbotenen', was auch zunächst verheißungsvoller erschien als es dann wirklich war, und was nach kurzem, unspektakulärem Verlauf schneller vorbei war als es angefangen hatte, und von dem außer großem Geschrei und Aufhebens, das andere machten, letztlich nicht allzuviel haften blieb ...
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

Gesetzt den Fall, da sei etwas dran (es mag auch sein, daß gar nichts daran ist, was weiß denn ich ...), dann hieße das noch lange nicht, deswegen habe May nun diese Episode geschrieben ... Nein, so einfach ist es auch wieder nicht. Er schreibt eine fiktive Reiseerzählung aus dem Orient, schreibt in dem Zusammenhang auch über Mekka, aber dazu fällt ihm dann halt vielleicht zusätzlich dieses und jenes ein, das er einfliessen läßt ... die Ebenen durchdringen, ergänzen, vermischen sich. So ist es auch in anderen Fällen. Daß er in einem Gang über einen Sumpf nächtliche Gespräche oder Bewußtseinskrisen gleichnishaft wiedergibt, heißt ja nicht, daß es nicht gleichzeitig auch ein (fiktiver) Gang über einen Sumpf in Südamerika ist, aber halt einer, in dem er gleichzeitig / zusätzlich eben auch etwas anderes sieht ... Oder daß er wenn er über einen Sklavenhändler schreibt, zusätzlich gleichzeitig auch an Münchmeyer denkt, heißt ja nicht, daß es nicht auch, gleichzeitig, um den Sklavenhandel geht ... Es gibt in anderm Zusammenhang das schöne Wort Mustererkennung. Übertragbarkeit. In die Richtung denke ich, sei es in Sachen Mekka, Sumpf oder Sklaven, oder in Sachen hunderte andere Beispiele bei May ...
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

Noch 'ne Möglichkeit:
Kara Ben Nemsis widerrechtliches Eindringen in Mekka, wo er, der Christ, alle wesentlichen Riten eines muslimischen Hadschi erfüllt, zu guter Letzt aber noch mit Abu Seïf hart aneinandergerät, zeigt schlaglichtartig, wie May seine Arbeit im Münchmeyer-Verlag sehen wollte: er konnte sich dort zwar kenntnisreich bewegen und auch neue nützliche Kenntnisse erwerben, aber im Grunde genommen gehörte er nicht dorthin, und der innere Abstand zwischen ihm und Münchmeyer ließ sich nicht wegwischen; ein 'Eklat' konnte nicht ausbleiben.
(Walther Ilmer, Durch die sächsische Wüste zum erzgebirgischen Balkan)

Einer der Fälle, in denen Ilmer mich nicht überzeugt ... (es gibt zahlreiche andere [Fälle], in denen er das indes sehr wohl tut ... er ist schon durchaus einer der 'Größten' (m.E.), aber halt nicht immer, nicht durchgängig ...)
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