Der 'Anhang'
Verfasst: 26.5.2011, 13:47
Dieser Tage gab es andernorts Ansätze, über den Anhang von Band 6 sich auszutauschen, aus sozusagen technischen Gründen weiche ich gerne hierhin aus ...
Ich zitiere mal die (um ca. die Hälfte gekürzten und teilweise überarbeiteten) Anmerkungen von meiner Internetseite.
Ein sehr schöner und interessanter Text.
Der Erzähler erlebt einmal mehr die alte Erfahrung „Wenn dich die Welt aus ihren Toren stößt, so gehe ruhig fort, und laß das Klagen. Sie hat durch die Verstoßung dich erlöst, und ihre Schuld an dir nun selbst zu tragen“.
[...]
„Kain und Abels Erinnerungsstätte“, eine durchaus nicht ‚zufällige’ Erwähnung, „erregte jetzt weniger unsere Aufmerksamkeit;“ denn man hat sich gedanklich gerade mit Leichterem, Erfreulicherem beschäftigt, die Medaille hat ja immer mehrere Seiten, „wir ritten bald nach der Stadt zurück“.
[...]
Das Ganze ist schön zu lesen und atmet Kraft, Lebensfreude usw., die Welle des Erfolges, auf der der Autor zu der Zeit fortgetragen wurde, man kann sie spüren. Und dennoch wird die Geschichte „nicht gut“ ausgehen ...
[...]
Man will genau den gleichen Weg wie damals gehen ...
[...]
„Wir vom Stamme der Ateïbeh waren die Verachtetsten unter den Verachteten, als du uns kennen lerntest; jetzt ist das ganz anders geworden“, auch darauf wird noch einmal hingewiesen. Denken wir an die Apachen, May hat offenbar ein Herz für schlecht Beleumundete.
[...]
Es wird noch einmal darauf hingewiesen, daß „wir beschlossen hatten, genau den damaligen Weg zu verfolgen, um die Orte, die wir zu jener Zeit berührt hatten, wiederzusehen“. Leider wird sich herausstellen, daß nicht nur der Weg der gleiche ist, sondern auch fatale menschliche Verhaltensmuster sich wiederholen ...
[...]
Einsichtsvoll spricht Amad el Ghandur „Emir, mein Vater lebte wohl heute noch, wenn wir uns nicht hier gegen deinen Willen empört und nachher infolgedessen den Scheik Gasahl Gaboya freigelassen hätten. Wir sind damals große Toren gewesen.“ Um wenig später die Angelegenheit entsprechend des alten Musters erneut ins Verderben laufen zu lassen ...
[...]
„Er war das lebendig gewordene Bild des rücksichtslosesten, keiner Ueberlegung mehr fähigen Zornes. Ich kann nicht etwa bloß sagen, daß er mir leid tat, denn das, was ich jetzt empfand, war viel, viel mehr.“ Vermutlich, lax ausgedrückt, Einblick in den Lauf der Welt und die Natur der Dinge ...
[...]
In Erwartung des Unheils ... aber „Von unten herauf erklang jenes monotone und doch so vielsagende Rauschen des Waldes, jene ergreifende Predigt von der Allmacht des Unendlichen, des Ewigen.“
[...]
Zwischen Amad el Ghandur und dem Erzähler eskaliert es, „Wenn Freundschaft, Dankbarkeit, Vorsicht und Ueberlegung nichts mehr gelten, so mag das Messer zwischen uns entscheiden. Es wird heut grad so sein wie damals mit Gasahl Gaboya, und du wirst deinen Starrsinn zu bezahlen haben.“
„Es ist aus zwischen uns Beiden, aus für immer!“
Wieder, wie damals, ist es der Bruder Gasahl Gaboyas, der dem Erzähler in die Hände fällt ...
Und erneut gibt er ihn frei ... „Aber ... aber ... aber das tut ... das tut doch kein Mensch!“
„Herr, ich habe noch keinen Menschen gekannt, der so denkt, redet und handelt wie du.“
„Es war das keine gute Nacht. Es schien geradezu ein Teufel in die Haddedihn gefahren zu sein. Wie hatten sie sich über mein Kommen gefreut! Welche Achtung und Zuneigung hatten sie mir erwiesen!“
[...]
„Wenn es nicht für lächerlich gehalten werden könnte, möchte ich fast sagen, Rih ahnte, was ihm bevorstand, wollte mir zum letzten Male seine Liebe zeigen und Abschied von mir nehmen.“ Was soll daran lächerlich sein können ... aber schon richtig, die Menschen sind dumm genug ... „Ich schäme mich nicht, zu gestehen, daß mir, indem ich heut dieses schreibe, einige sehr unmännliche Tropfen aus den Augen rinnen.“
Ungute Worte ... „Bleibe hier zurück, und erstick an deiner Klugheit und an deiner berühmten Feindesliebe. Und wenn dein Halef vergißt, daß er ein Haddedihn geworden ist und nicht zu dir, sondern zu uns gehört, so mag er mit seinem Knaben auch zurückbleiben und uns niemals wieder vor die Augen kommen. Wir brauchen keine Feiglinge bei uns!“
Halef reitet tatsächlich mit, was sehr merkwürdig anmutet, auch Lindsay will sich anschließen, aber der Erzähler denkt nicht daran, sich zu beteiligen, „Nicht so, Mylord! Es fällt mir nicht ein, mit diesen toll gewordenen Menschen geradezu ins Verderben zu rennen.“
[...]
Beim Retten Amad el Ghandurs geschieht es, Rih empfängt die tödliche Kugel. „Da bemächtigte sich meiner ein Grimm, wie ich ihn noch nie gefühlt hatte; er riß mich förmlich vom Pferde weg und nach dem Bebbeh hin [...] Die Wut, welche in mir kochte, wollte mich verführen, ihn vom Pferde zu schießen, doch hörte ich glücklicherweise selbst in diesem Augenblicke auf die Stimme der Ueberlegung.“
„Du hast mir mein Pferd erschossen. Weißt du, was das für dich bedeutet? Ein solches Pferd ist das Leben von hundert Kurden wert.“
Nachdem eigenartigerweise zunächst einmal der Täter verfolgt wurde ... „die volle Erkenntnis des Verlustes trat erst in diesem Augenblicke an mich heran. Ich ging seitwärts, setzte mich nieder und legte das Gesicht in beide Hände. Halefs Knabe weinte laut; sein Vater setzte sich zu mir und legte den Arm um mich“ ... Auch Lindsay weint.
Und dann kommt Rih ... „Ja, er kam, der Rappe, in langsamem Trabe, wankend und strauchelnd; die Liebe zu mir hatte ihn noch einmal auf- und mir nachgetrieben. Es war ein Anblick zum Herzbrechen. Wir sprangen ihm entgegen; aus seiner Brust floß ein fingerstarker Blutstrahl. Ich war der erste bei ihm und schlang ihm beide Arme um den Hals. Er schnaubte mich freudig an und leckte mir die Wange und den Hals; dann brach er langsam erst hinten und dann vorn zusammen. Nach einer vergeblichen Anstrengung, sich wieder aufzuraffen, hob er den schönen, kleinen Kopf, sah mit brechenden Augen zu mir auf und wieherte leise, leise und ersterbend, wie ich noch nie ein Pferd habe wiehern hören. Ich warf mich neben ihn nieder und bettete seinen Kopf an meine Brust, während Halef das rinnende Blut zu stillen suchte. Wir alle weinten, weinten so, als ob ein lieber, lieber Mensch im Sterben liege. Des Rappen Maul lag in meiner Hand; er leckte sie fort und fort, immer leiser und langsamer, bis er die Zunge nicht mehr bewegen konnte; dann noch ein letztes, sich verhauchendes Schnauben, ein krampfhaftes Zucken - - - Rih war tot!“
„Hier, Hadschi, hast du dieses Gewehr. Du allein weißt außer mir, wie es gehandhabt wird. Ich will noch eine Weile bei dem Pferde bleiben. Wenn die Kurden kommen, laß keinen heran; gib jedem eine Kugel! Du weißt, ich strebe nicht nach Blut; aber dasjenige unsers Rih ist geflossen; nun ist es mir gleich, wer noch das seinige hergeben muß.“
„Ich bitte, nicht allzu streng mit meiner damaligen Stimmung ins Gericht zu gehen. Ein Tier lieb zu haben, ja innig lieb zu haben, ist wohl keine Schwäche, zumal wenn es ein so edles ist, wie mein Rih gewesen war. Er hatte mit mir gehungert und gedürstet, mich durch so viele Gefahren getragen und mir so oft das Leben gerettet, auch jetzt wieder, da er an der Kugel, welche mir gegolten hatte, gestorben war. Mit Menschen, mit Freunden kann man sich entzweien, sich über sie ärgern oder betrüben; Rih hatte mir nicht ein einziges Mal Veranlassung zur Unzufriedenheit, zu einer Strafe, einem Schlage gegeben; er hatte jedes meiner Worte, jeden Wink verstanden und fast möchte ich sagen, mit freudigem Gehorsam ausgeführt; er war geradezu ein Teil von mir selbst geworden, den ich nun für immer verloren hatte. Ist es da ein Wunder, daß mir sein Tod so zu Herzen ging, daß ich wie ein Kind weinte und eine lange Zeit bei ihm saß, ohne mich um das, was um mich her vorging, zu bekümmern?“ Nein, ist es nicht.
„Ich habe keine Lust, viel zu sprechen, denn Rih ist tot. Das erfordert das Leben dessen, der ihn erschossen hat. [...] Ich gebe den Söhnen Gasahl Gaboyas eine volle Viertelstunde Zeit; sind sie da noch nicht auf meine Bedingungen eingegangen, so werden sie hier an dieser Steineiche aufgehängt.“
Rih wird neben Mohammed Emin begraben ...
Halef „ist, grad so wie ich, noch lange Zeit innerlich krank gewesen“.
"Sihdi, mir ist so weh, so traurig“, sagt Halef weinend, „Ich werde wohl nie wieder lachen können. Mein Herz ist ganz mit Tränen angefüllt, fast so, wenn es keine Sünde ist, es zu sagen, als ob mir Hanneh, die schönste der Frauen, gestorben wäre!“
„Amad al Ghandur wurde mit Vorwürfen überhäuft. Er nahm sich das so zu Herzen, daß er seine Würde als Scheik freiwillig niederlegte [...].“
[Zitat Helmut Moritz: „um das Ende dieses Kleppers wird ein Brimborium aufgeführt, dass dies sogar noch den Tod Winnetous (der schon tränendrüsendrückend genug geschildert wird) bei weitem in den Schatten stellt.“ So kann man es auch sehen ...]
*
Erst wird er von den Menschen maßlos enttäuscht, dann stirbt sein geliebtes Wesen ... und er hat die Kraft, das durchzustehen, das Leben geht weiter ... auch darum geht es: man muß so etwas aushalten können.
In dieser Geschichte geht es [neben Interessantheiten wie heftigen Emotionen, Zerbrechen scheinbar fester Bande und der – wieder einmal - Erfahrung des letzten Endes halt völligen Alleinseins] um Folgendes: der Mensch ist verstrickt in alte Muster, aus denen es sich zu befreien gilt. Er begeht immer wieder die gleichen Fehler. Über Generationen. Seine einzige Chance ist, durch Bewußtwerdung diese Muster vielleicht eines Tages überwinden, ablegen zu können. [Einen Schritt weiter gedacht: es gilt, die Welt zu überwinden. [Unabhängig werden von allem.] Ein großes Thema der ‚Himmelsgedanken’.]
Und: freilich kann ein Pferd, ein Tier, meinetwegen ein Baum, ein Haus, ein Gegenstand, betrauernswerter sein als ganze Scharen von Menschen ... es kommt ganz darauf an.
Ich zitiere mal die (um ca. die Hälfte gekürzten und teilweise überarbeiteten) Anmerkungen von meiner Internetseite.
Ein sehr schöner und interessanter Text.
Der Erzähler erlebt einmal mehr die alte Erfahrung „Wenn dich die Welt aus ihren Toren stößt, so gehe ruhig fort, und laß das Klagen. Sie hat durch die Verstoßung dich erlöst, und ihre Schuld an dir nun selbst zu tragen“.
[...]
„Kain und Abels Erinnerungsstätte“, eine durchaus nicht ‚zufällige’ Erwähnung, „erregte jetzt weniger unsere Aufmerksamkeit;“ denn man hat sich gedanklich gerade mit Leichterem, Erfreulicherem beschäftigt, die Medaille hat ja immer mehrere Seiten, „wir ritten bald nach der Stadt zurück“.
[...]
Das Ganze ist schön zu lesen und atmet Kraft, Lebensfreude usw., die Welle des Erfolges, auf der der Autor zu der Zeit fortgetragen wurde, man kann sie spüren. Und dennoch wird die Geschichte „nicht gut“ ausgehen ...
[...]
Man will genau den gleichen Weg wie damals gehen ...
[...]
„Wir vom Stamme der Ateïbeh waren die Verachtetsten unter den Verachteten, als du uns kennen lerntest; jetzt ist das ganz anders geworden“, auch darauf wird noch einmal hingewiesen. Denken wir an die Apachen, May hat offenbar ein Herz für schlecht Beleumundete.
[...]
Es wird noch einmal darauf hingewiesen, daß „wir beschlossen hatten, genau den damaligen Weg zu verfolgen, um die Orte, die wir zu jener Zeit berührt hatten, wiederzusehen“. Leider wird sich herausstellen, daß nicht nur der Weg der gleiche ist, sondern auch fatale menschliche Verhaltensmuster sich wiederholen ...
[...]
Einsichtsvoll spricht Amad el Ghandur „Emir, mein Vater lebte wohl heute noch, wenn wir uns nicht hier gegen deinen Willen empört und nachher infolgedessen den Scheik Gasahl Gaboya freigelassen hätten. Wir sind damals große Toren gewesen.“ Um wenig später die Angelegenheit entsprechend des alten Musters erneut ins Verderben laufen zu lassen ...
[...]
„Er war das lebendig gewordene Bild des rücksichtslosesten, keiner Ueberlegung mehr fähigen Zornes. Ich kann nicht etwa bloß sagen, daß er mir leid tat, denn das, was ich jetzt empfand, war viel, viel mehr.“ Vermutlich, lax ausgedrückt, Einblick in den Lauf der Welt und die Natur der Dinge ...
[...]
In Erwartung des Unheils ... aber „Von unten herauf erklang jenes monotone und doch so vielsagende Rauschen des Waldes, jene ergreifende Predigt von der Allmacht des Unendlichen, des Ewigen.“
[...]
Zwischen Amad el Ghandur und dem Erzähler eskaliert es, „Wenn Freundschaft, Dankbarkeit, Vorsicht und Ueberlegung nichts mehr gelten, so mag das Messer zwischen uns entscheiden. Es wird heut grad so sein wie damals mit Gasahl Gaboya, und du wirst deinen Starrsinn zu bezahlen haben.“
„Es ist aus zwischen uns Beiden, aus für immer!“
Wieder, wie damals, ist es der Bruder Gasahl Gaboyas, der dem Erzähler in die Hände fällt ...
Und erneut gibt er ihn frei ... „Aber ... aber ... aber das tut ... das tut doch kein Mensch!“
„Herr, ich habe noch keinen Menschen gekannt, der so denkt, redet und handelt wie du.“
„Es war das keine gute Nacht. Es schien geradezu ein Teufel in die Haddedihn gefahren zu sein. Wie hatten sie sich über mein Kommen gefreut! Welche Achtung und Zuneigung hatten sie mir erwiesen!“
[...]
„Wenn es nicht für lächerlich gehalten werden könnte, möchte ich fast sagen, Rih ahnte, was ihm bevorstand, wollte mir zum letzten Male seine Liebe zeigen und Abschied von mir nehmen.“ Was soll daran lächerlich sein können ... aber schon richtig, die Menschen sind dumm genug ... „Ich schäme mich nicht, zu gestehen, daß mir, indem ich heut dieses schreibe, einige sehr unmännliche Tropfen aus den Augen rinnen.“
Ungute Worte ... „Bleibe hier zurück, und erstick an deiner Klugheit und an deiner berühmten Feindesliebe. Und wenn dein Halef vergißt, daß er ein Haddedihn geworden ist und nicht zu dir, sondern zu uns gehört, so mag er mit seinem Knaben auch zurückbleiben und uns niemals wieder vor die Augen kommen. Wir brauchen keine Feiglinge bei uns!“
Halef reitet tatsächlich mit, was sehr merkwürdig anmutet, auch Lindsay will sich anschließen, aber der Erzähler denkt nicht daran, sich zu beteiligen, „Nicht so, Mylord! Es fällt mir nicht ein, mit diesen toll gewordenen Menschen geradezu ins Verderben zu rennen.“
[...]
Beim Retten Amad el Ghandurs geschieht es, Rih empfängt die tödliche Kugel. „Da bemächtigte sich meiner ein Grimm, wie ich ihn noch nie gefühlt hatte; er riß mich förmlich vom Pferde weg und nach dem Bebbeh hin [...] Die Wut, welche in mir kochte, wollte mich verführen, ihn vom Pferde zu schießen, doch hörte ich glücklicherweise selbst in diesem Augenblicke auf die Stimme der Ueberlegung.“
„Du hast mir mein Pferd erschossen. Weißt du, was das für dich bedeutet? Ein solches Pferd ist das Leben von hundert Kurden wert.“
Nachdem eigenartigerweise zunächst einmal der Täter verfolgt wurde ... „die volle Erkenntnis des Verlustes trat erst in diesem Augenblicke an mich heran. Ich ging seitwärts, setzte mich nieder und legte das Gesicht in beide Hände. Halefs Knabe weinte laut; sein Vater setzte sich zu mir und legte den Arm um mich“ ... Auch Lindsay weint.
Und dann kommt Rih ... „Ja, er kam, der Rappe, in langsamem Trabe, wankend und strauchelnd; die Liebe zu mir hatte ihn noch einmal auf- und mir nachgetrieben. Es war ein Anblick zum Herzbrechen. Wir sprangen ihm entgegen; aus seiner Brust floß ein fingerstarker Blutstrahl. Ich war der erste bei ihm und schlang ihm beide Arme um den Hals. Er schnaubte mich freudig an und leckte mir die Wange und den Hals; dann brach er langsam erst hinten und dann vorn zusammen. Nach einer vergeblichen Anstrengung, sich wieder aufzuraffen, hob er den schönen, kleinen Kopf, sah mit brechenden Augen zu mir auf und wieherte leise, leise und ersterbend, wie ich noch nie ein Pferd habe wiehern hören. Ich warf mich neben ihn nieder und bettete seinen Kopf an meine Brust, während Halef das rinnende Blut zu stillen suchte. Wir alle weinten, weinten so, als ob ein lieber, lieber Mensch im Sterben liege. Des Rappen Maul lag in meiner Hand; er leckte sie fort und fort, immer leiser und langsamer, bis er die Zunge nicht mehr bewegen konnte; dann noch ein letztes, sich verhauchendes Schnauben, ein krampfhaftes Zucken - - - Rih war tot!“
„Hier, Hadschi, hast du dieses Gewehr. Du allein weißt außer mir, wie es gehandhabt wird. Ich will noch eine Weile bei dem Pferde bleiben. Wenn die Kurden kommen, laß keinen heran; gib jedem eine Kugel! Du weißt, ich strebe nicht nach Blut; aber dasjenige unsers Rih ist geflossen; nun ist es mir gleich, wer noch das seinige hergeben muß.“
„Ich bitte, nicht allzu streng mit meiner damaligen Stimmung ins Gericht zu gehen. Ein Tier lieb zu haben, ja innig lieb zu haben, ist wohl keine Schwäche, zumal wenn es ein so edles ist, wie mein Rih gewesen war. Er hatte mit mir gehungert und gedürstet, mich durch so viele Gefahren getragen und mir so oft das Leben gerettet, auch jetzt wieder, da er an der Kugel, welche mir gegolten hatte, gestorben war. Mit Menschen, mit Freunden kann man sich entzweien, sich über sie ärgern oder betrüben; Rih hatte mir nicht ein einziges Mal Veranlassung zur Unzufriedenheit, zu einer Strafe, einem Schlage gegeben; er hatte jedes meiner Worte, jeden Wink verstanden und fast möchte ich sagen, mit freudigem Gehorsam ausgeführt; er war geradezu ein Teil von mir selbst geworden, den ich nun für immer verloren hatte. Ist es da ein Wunder, daß mir sein Tod so zu Herzen ging, daß ich wie ein Kind weinte und eine lange Zeit bei ihm saß, ohne mich um das, was um mich her vorging, zu bekümmern?“ Nein, ist es nicht.
„Ich habe keine Lust, viel zu sprechen, denn Rih ist tot. Das erfordert das Leben dessen, der ihn erschossen hat. [...] Ich gebe den Söhnen Gasahl Gaboyas eine volle Viertelstunde Zeit; sind sie da noch nicht auf meine Bedingungen eingegangen, so werden sie hier an dieser Steineiche aufgehängt.“
Rih wird neben Mohammed Emin begraben ...
Halef „ist, grad so wie ich, noch lange Zeit innerlich krank gewesen“.
"Sihdi, mir ist so weh, so traurig“, sagt Halef weinend, „Ich werde wohl nie wieder lachen können. Mein Herz ist ganz mit Tränen angefüllt, fast so, wenn es keine Sünde ist, es zu sagen, als ob mir Hanneh, die schönste der Frauen, gestorben wäre!“
„Amad al Ghandur wurde mit Vorwürfen überhäuft. Er nahm sich das so zu Herzen, daß er seine Würde als Scheik freiwillig niederlegte [...].“
[Zitat Helmut Moritz: „um das Ende dieses Kleppers wird ein Brimborium aufgeführt, dass dies sogar noch den Tod Winnetous (der schon tränendrüsendrückend genug geschildert wird) bei weitem in den Schatten stellt.“ So kann man es auch sehen ...]
*
Erst wird er von den Menschen maßlos enttäuscht, dann stirbt sein geliebtes Wesen ... und er hat die Kraft, das durchzustehen, das Leben geht weiter ... auch darum geht es: man muß so etwas aushalten können.
In dieser Geschichte geht es [neben Interessantheiten wie heftigen Emotionen, Zerbrechen scheinbar fester Bande und der – wieder einmal - Erfahrung des letzten Endes halt völligen Alleinseins] um Folgendes: der Mensch ist verstrickt in alte Muster, aus denen es sich zu befreien gilt. Er begeht immer wieder die gleichen Fehler. Über Generationen. Seine einzige Chance ist, durch Bewußtwerdung diese Muster vielleicht eines Tages überwinden, ablegen zu können. [Einen Schritt weiter gedacht: es gilt, die Welt zu überwinden. [Unabhängig werden von allem.] Ein großes Thema der ‚Himmelsgedanken’.]
Und: freilich kann ein Pferd, ein Tier, meinetwegen ein Baum, ein Haus, ein Gegenstand, betrauernswerter sein als ganze Scharen von Menschen ... es kommt ganz darauf an.