Wabbles 'Bekehrung'
Verfasst: 1.11.2011, 23:32
Im Thread über den Droop-Reprint (http://www.karl-may-stiftung.de/diskuss ... 7&start=15) schrieb Rodger:
Wenn man von diesen Spiegelungen ausgeht - so ist das ganze nur teilweise eine Auseinandersetzung mit theologischen Dimensionen. Es ist vielmehr die erwünschte (aber nie geschehene) Um-Kehr eines Vaters und die herzensernste Reue des Sohnes May angesichts irdischer Endlichkeit, der von Vergebung seiner Mutter träumt ("Ich schlief jetzt einen langen, langen, tiefen Schlaf und sah im Traum mein Vaterhaus und meine Mutter drin, die ich beide hier nie gesehen habe. Ich war bös, sehr bös gewesen und hatte sie betrübt, so träumte mir; ich bat sie um Verzeihung. Da zog sie mich an sich und küßte mich.").
Und noch stärker wird dieser Eindruck, wenn man die Doppelkompsition der Szenen betrachtet. Da ist einmal Wabble, der in Todesqualen stirbt und im letzten Moment um Gnade winselt - und Surehand, der danach gesteht, der Sohn von 'Zuchthäuslern' zu sein und vom Ich-Erzähler (an Priester statt) Vergebung erhält. Es ist eben nicht nur eine "Bekehrung im letzten Moment" - es sind subtiler gestaltet zwei... Wobei die zweite nur angerissen wird und erst gegen Ende des Buches final gestaltet ist.
All das entgeht einem aber, wenn man allzusehr die verschiedenen Gnadentheorien durchbuchstabiert oder womöglich versucht zu erfahren, ob Mays Religion eher katholisch oder protestantisch geprägt war... May hat manches bewußt und unbewußt verschleiert und dekoriert. Aber wer den Henrystutzen auf seine tatsächliche Funktionstüchtigkeit hinterfragt macht meiner Meinung nach denselber Fehler, wie derjenige, der eine Katze öffnet um zu sehen, wie sie schnurrt... Und wer May theologisch kritisiert darf dies nur unter dem Vorbehalt tun, dass er eine Kritik unter einem bestimmten Gesichtspunkt vornimmt, die zumindest an der Absicht des Autors - und teilweise an der Rezeption der Leser - vorbeigeht...
Ich bin zwar selber 'Theolog' - aber in Punkto Wabble greift mir diese Bekehrungsdeutung zu kurz. Man kann als Theologe durchaus feststellen, dass aus theologischem Blickwinkel, das ganze nicht wirklich pädagogisch wertvoll ist, oder es auf theologische Aspekte untersuchen. Aber dann übersieht man, dass May nicht zwingend theologisch dachte, als er das ganze schrieb. Wabble ist -wie Hartmut Vollmer feststellte- vermutlich eine Vaterspiegelung und Mayspiegelung zugleich. ("Ist Wabble im ›Ersten Elk‹ noch primär als ein Vater-Imago auszumachen, so konturiert er sich in ›Old Surehand‹ - genau in diesem »Zwischenstadium« ist an die ein Doppelporträt von Vater und Sohn darstellende Figur Old Deaths zu denken - immer deutlicher zu einem Selbstbildnis Mays." - http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg ... 86/155.htm). Es hat wenig mit Blasphemie zu tun, wenn man hier an Trinitätstheologie denkt...rodger hat geschrieben:Auf den Seiten 132 ff wird sehr gut ausgeführt, daß May es sich in Sachen Bekehrung (als Beispiele werden Dozorka und Old Wabble gebracht) recht einfach macht, überzeugender wäre es gewesen, wenn Dozorka seinen Glauben behalten oder zu ihm zurückgefunden hätte, OHNE daß erfreulich äußere Umstände eingetreten wären … und Wabbles Bekehrung wäre in einer Phase, wo es ihm (Wabble) GUT GING, ebenso überzeugender herübergekommen als am Lebensende in äußerster Not und Ausweglosigkeit … (in beiden Fällen wäre es schwerer, zum Glauben [zurück] zu finden … im einen Fall weil es einem weiterhin schlecht ginge, die Verbitterung nicht wiche, im anderen da man keinen äußeren Anlass zur Besinnung (im Sinne von „Reue“) hätte …)
Wenn man von diesen Spiegelungen ausgeht - so ist das ganze nur teilweise eine Auseinandersetzung mit theologischen Dimensionen. Es ist vielmehr die erwünschte (aber nie geschehene) Um-Kehr eines Vaters und die herzensernste Reue des Sohnes May angesichts irdischer Endlichkeit, der von Vergebung seiner Mutter träumt ("Ich schlief jetzt einen langen, langen, tiefen Schlaf und sah im Traum mein Vaterhaus und meine Mutter drin, die ich beide hier nie gesehen habe. Ich war bös, sehr bös gewesen und hatte sie betrübt, so träumte mir; ich bat sie um Verzeihung. Da zog sie mich an sich und küßte mich.").
Und noch stärker wird dieser Eindruck, wenn man die Doppelkompsition der Szenen betrachtet. Da ist einmal Wabble, der in Todesqualen stirbt und im letzten Moment um Gnade winselt - und Surehand, der danach gesteht, der Sohn von 'Zuchthäuslern' zu sein und vom Ich-Erzähler (an Priester statt) Vergebung erhält. Es ist eben nicht nur eine "Bekehrung im letzten Moment" - es sind subtiler gestaltet zwei... Wobei die zweite nur angerissen wird und erst gegen Ende des Buches final gestaltet ist.
All das entgeht einem aber, wenn man allzusehr die verschiedenen Gnadentheorien durchbuchstabiert oder womöglich versucht zu erfahren, ob Mays Religion eher katholisch oder protestantisch geprägt war... May hat manches bewußt und unbewußt verschleiert und dekoriert. Aber wer den Henrystutzen auf seine tatsächliche Funktionstüchtigkeit hinterfragt macht meiner Meinung nach denselber Fehler, wie derjenige, der eine Katze öffnet um zu sehen, wie sie schnurrt... Und wer May theologisch kritisiert darf dies nur unter dem Vorbehalt tun, dass er eine Kritik unter einem bestimmten Gesichtspunkt vornimmt, die zumindest an der Absicht des Autors - und teilweise an der Rezeption der Leser - vorbeigeht...