Konfessionsübergreifendes u. "Weitschweifigkeiten"
Verfasst: 22.9.2007, 19:09
Ich lese gerade einmal wieder den Band „Der Schut“. Dabei fiel mir beim Begräbnis des Mübarek auf, dass Kara Ben Nemsi konfessionsübergreifend die „heilige Fatha“ spricht (wir hatten es ja gerade im Thread zur Wohlgschaft-Biographie mit dem Thema Gottesbegriff).
»Du aber, Sihdi, magst vorher die Fatha beten, die Eröffnung des Kuran, welche jeder Handlung vorangehen muß. Willst Du?«
»Ja.«
»So bete sie, aber in der Mundart des Propheten. Der Verstorbene hat die heiligen Orte besucht und vom Wasser des Zemzem getrunken. Seine sündige Seele wird vielleicht Gnade finden, wenn Allah aus Deinem Mund den Dialekt vernimmt, in welchem der Erzengel Tschebraïl (Gabriel) mit dem Propheten redete. Ich verstehe nicht so wie Du, ihn zu sprechen. Laßt uns also niederknieen und beten!«
Sie ließen sich am offenen Grab auf ihre Kniee nieder, die Gesichter nach Mekka gerichtet. Ich allein blieb stehen. Ich war diesen Leuten gern zu Willen, doch widerstrebte es mir, die Fatha knieend zu sprechen. Nachdem sie sich dreimal verneigt hatten, rief Halef die sieben vornehmsten Eigenschaften Gottes aus, und dann begann ich in der eigenartigen Rythmik und der Koreïsch-Mundart des Originales:
»El hamdu lillahi, rabbi 'l 'alamina. Er rahmani 'r 'rahimi, Maliki yaumi 'd dini! Iyyake nabodu, we iyyake nestaïnu. Ibdinah 'ss ssirata 'l mustakina, Ssirata 'l ladsina enamta alaihim, Ghairi 'l maghdhubi alaihim, We la 'dh dhalina!«
Das ist auf Deutsch:
»Preis sei Allah, dem Herrn der Welten, dem Barmherzigen und Gnädigen, dem Herrscher am Tage des Gerichtes! Dich beten wir an; Dich flehen wir um Hülfe; führe uns auf den geraden Weg. Auf den Weg derer, denen Du Huld bewiesen, nicht derer, denen Du zürnest, noch derer, die in der Irre wandeln!«
Schon beim Tod Mohammed Emins in „Von Bagdad nach Stambul“ gab es ein konfessionsübergreifendes Begräbnis, und auch im „Krumir“ (Band 10) betete der Ich-Erzähler mit den Moslems (zu beiden Fällen siehe Thread „Vortrag“ unter „Orientalistik“).
Also, in allen diesen Stellen ist er erfreulicherweise weit weg von einigen späteren Marienkalendergeschichten, insbesondere der unsäglichen, schamlosen Erpressung am Ende von „Er Raml el Helahk“. Und dem lieben Gott wird es letzlich wirklich egal sein, wie man ihn nennt und anredet.
*
Vergleichslesend fällt immer wieder mal im grünen Band die eine oder andere gestrichene „Weitschweifigkeit“ auf:
Dem Bären schien sein Mahl sehr gut zu munden. Er schlürfte und schmatzte, wie ein schlecht erzogenes Kind an seiner Suppenschüssel. Freilich sind es nicht immer Kinder, an denen man ein solches rücksichtsloses Betragen zu rügen hat. Man setze sich nur an die Table d'hôte eines Gasthofes, so wird man genug solcher Bären schlürfen und schmatzen hören.
suchen wir im Band 6 ebenso vergeblich wie
Dieses Kraut war nichts weniger als das schnell verduftende Kraut von Latakia. Dem Geruch nach schien es aus Kartoffel- und Gurkenschalen und abgeschnittenen Fingernägeln zu bestehen. Denke man sich dazu einen Menschen, der sich durch das Waschen zu erkälten fürchtet, und eine Nacht in der durchräucherten Bude Junak's und auf dem verpesteten Sterbelager des Mübarek zugebracht hat, so wird man es sehr erklärlich finden, daß ich mich nicht an seiner Seite niederließ.
(nach „Aber was für ein Tabak !“)
Vielleicht habe ich ja einen etwas komischen oder abseitigen Geschmack, aber gerade diese offenbar als entbehrlich angesehenen „Weitschweifigkeiten“ gefallen mir immer mit am besten …
»Du aber, Sihdi, magst vorher die Fatha beten, die Eröffnung des Kuran, welche jeder Handlung vorangehen muß. Willst Du?«
»Ja.«
»So bete sie, aber in der Mundart des Propheten. Der Verstorbene hat die heiligen Orte besucht und vom Wasser des Zemzem getrunken. Seine sündige Seele wird vielleicht Gnade finden, wenn Allah aus Deinem Mund den Dialekt vernimmt, in welchem der Erzengel Tschebraïl (Gabriel) mit dem Propheten redete. Ich verstehe nicht so wie Du, ihn zu sprechen. Laßt uns also niederknieen und beten!«
Sie ließen sich am offenen Grab auf ihre Kniee nieder, die Gesichter nach Mekka gerichtet. Ich allein blieb stehen. Ich war diesen Leuten gern zu Willen, doch widerstrebte es mir, die Fatha knieend zu sprechen. Nachdem sie sich dreimal verneigt hatten, rief Halef die sieben vornehmsten Eigenschaften Gottes aus, und dann begann ich in der eigenartigen Rythmik und der Koreïsch-Mundart des Originales:
»El hamdu lillahi, rabbi 'l 'alamina. Er rahmani 'r 'rahimi, Maliki yaumi 'd dini! Iyyake nabodu, we iyyake nestaïnu. Ibdinah 'ss ssirata 'l mustakina, Ssirata 'l ladsina enamta alaihim, Ghairi 'l maghdhubi alaihim, We la 'dh dhalina!«
Das ist auf Deutsch:
»Preis sei Allah, dem Herrn der Welten, dem Barmherzigen und Gnädigen, dem Herrscher am Tage des Gerichtes! Dich beten wir an; Dich flehen wir um Hülfe; führe uns auf den geraden Weg. Auf den Weg derer, denen Du Huld bewiesen, nicht derer, denen Du zürnest, noch derer, die in der Irre wandeln!«
Schon beim Tod Mohammed Emins in „Von Bagdad nach Stambul“ gab es ein konfessionsübergreifendes Begräbnis, und auch im „Krumir“ (Band 10) betete der Ich-Erzähler mit den Moslems (zu beiden Fällen siehe Thread „Vortrag“ unter „Orientalistik“).
Also, in allen diesen Stellen ist er erfreulicherweise weit weg von einigen späteren Marienkalendergeschichten, insbesondere der unsäglichen, schamlosen Erpressung am Ende von „Er Raml el Helahk“. Und dem lieben Gott wird es letzlich wirklich egal sein, wie man ihn nennt und anredet.
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Vergleichslesend fällt immer wieder mal im grünen Band die eine oder andere gestrichene „Weitschweifigkeit“ auf:
Dem Bären schien sein Mahl sehr gut zu munden. Er schlürfte und schmatzte, wie ein schlecht erzogenes Kind an seiner Suppenschüssel. Freilich sind es nicht immer Kinder, an denen man ein solches rücksichtsloses Betragen zu rügen hat. Man setze sich nur an die Table d'hôte eines Gasthofes, so wird man genug solcher Bären schlürfen und schmatzen hören.
suchen wir im Band 6 ebenso vergeblich wie
Dieses Kraut war nichts weniger als das schnell verduftende Kraut von Latakia. Dem Geruch nach schien es aus Kartoffel- und Gurkenschalen und abgeschnittenen Fingernägeln zu bestehen. Denke man sich dazu einen Menschen, der sich durch das Waschen zu erkälten fürchtet, und eine Nacht in der durchräucherten Bude Junak's und auf dem verpesteten Sterbelager des Mübarek zugebracht hat, so wird man es sehr erklärlich finden, daß ich mich nicht an seiner Seite niederließ.
(nach „Aber was für ein Tabak !“)
Vielleicht habe ich ja einen etwas komischen oder abseitigen Geschmack, aber gerade diese offenbar als entbehrlich angesehenen „Weitschweifigkeiten“ gefallen mir immer mit am besten …