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Aufgelesen

Verfasst: 31.7.2013, 14:31
von rodger
Joseph Kürschner hat geschrieben: Karl May ist ein Quatschkopf.
(GW 94 S. 39)

Re: Aufgelesen

Verfasst: 13.7.2014, 19:25
von Rene Grießbach
Dieses Jahr bei den Karl-May-Festtagen in Radebeul.
Am Stand des Karl-May-Museums.
Ein Festbesucher kommt an den Stand. Guckt den Stand kurz an, dann mich, und meint mit etwas schwerer Zunge: "Karl May war´n Spinner."
Ich ziehe es vor, ihm nichts zu antworten.
Er gleich darauf noch mal "Karl May war´n Spinner."
Ich antworte ihm immer noch nichts, ein anderer Besucher war grad mal nicht am Stand, mit dem ich hätte über irgendwas sprechen können oder so. Denn dieser eine, das ist zu merken, ist an irgendeiner Diskussion ÜBER Karl May nicht interessiert.
Er zum dritten mal: "Karl May war´n Spinner." (wohlgemerkt immer exakt die selben Worte)
Da antworte ich ihm doch und sage: "Wenn Karl May nicht auch ein Spinner gewesen wäre, wäre er nie so erfolgreich gewesen."
Da winkt er ab und geht.

Re: Aufgelesen

Verfasst: 18.7.2014, 11:52
von Wolfgang Sämmer
Natürlich war Karl May ein Spinner – im besten und wahrsten Sinne des Wortes. Das Bild des Schriftstellers als Spinner oder Weber war ihm jedenfalls durchaus geläufig, wie sein berühmtes Gleichnis für Zieger beweist oder auch jener Satz aus dem Verlornen Sohn, der da lautet: Sie spinnen einen Roman!

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 0:05
von Rene Grießbach
Gerade einen schönen Spruch gefunden, der irgendwie auch hier zum Thema passt:
Die Zweifler sehen den Spinnern dabei zu, wie sie in ihren Zielen ankommen.

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 10:53
von Wolfgang Sämmer
Dazu fällt mir noch der bedeutende Liedermacher Hannes Wader und sein Song „Traumtänzer“ ein, den er auf seinem 1991 veröffentlichten Album „Nie mehr zurück“ bringt. Ich hab’ die CD gerade nicht parat und muß deshalb aus dem Gedächtnis zitieren: „All die nüchternen Rechner, die coolen Gewinner, die Durchblicker kommen und geh’n. Und ich werde wohl wieder auf Seiten der Spinner, der Narren und Traumtänzer steh’n.“

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 12:16
von Doro
@ Hr. Sämmer

Wundervoll!
Fällt mir Peter Gabriel dazu ein: Don't give Up
Hat er ja auch nie ... letztendlich, trotz alledem und gerade weil ...

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 14:38
von rodger
Man sollte freilich aufpassen; einiges in den letzten Beiträgen klingt ein wenig danach daß Losern oder auch Verlierern ihre Loserei resp. Verliererei schöngeredet wird ... (das machen Loser auch gern selber, diese Schönrednerei ... im Falle Hannes Waders gehe ich aber eher davon aus daß er selber nicht betroffen ist sondern eine bestimmte Klientel innerhalb seines Publikums im Auge hat ...) M.E. besser: Die Tatsache des Loserseins [ggf.] nüchtern anerkennen. Und die jeweiligen individuellen Vor- und Nachteile fein auseinanderhalten.

:D

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 20:31
von Doro
Ist Loser und Traumtänzer/Spinner grundsätzlich dasselbe?
So hatte ich das bisher nicht wahrgenommen...
Außerdem, wer definiert Verlierer? Und an was?
Es kommt auf die Wahrnehmung und den Blickwinkel an...

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 20:43
von rodger
Doro hat geschrieben:Ist Loser und Traumtänzer/Spinner grundsätzlich dasselbe?
Nein, freilich nicht, aber es gibt Überschneidungen ...

:D
Außerdem, wer definiert Verlierer? Und an was?
Es kommt auf die Wahrnehmung und den Blickwinkel an...
Das meinte ich ja in etwa mit den jeweiligen individuellen Vor- und Nachteilen ...

:D

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 21:24
von Doro
Was dem einen sein Nach- ist dem andern sein Vor- Teil *g mit dem individuell geh ich konform :D
Was nicht heißt, dass was der eine als Nachteil bezeichnet, dem andern dazu gereichen muss und umgekehrt. Nur weil dies jemand entsprechend definiert.

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 21:25
von Wolfgang Sämmer
Der Lehrer, so Hannes Wader in einem Beitrag des Zeit-Magazins anläßlich seines siebzigsten Geburtstages, „sagte stets: ‚Da kommt Hans, der Träumer.’ Der bin ich bis heute geblieben. (...) Als Daumenlutscher und Träumer hatte ich nicht viele Freunde. Mit sechs oder sieben Jahren begann ich zu lesen, mich wegzuträumen mit jeder Figur, von der ich las, und die entsprechenden Heldentaten zu vollbringen.“ Er fühlte sich, so Hannes, wie Tarzan in Afrika. „Bloß weg! Bloß raus aus der oft unerträglichen Realität!“ Der bedrückenden Realität entfliehen wollte auch der kleine Karl May, dem ein echter, wirklicher Schulkamerad und Jugendfreund (...) nie beschieden gewesen ist. Er hatte die Heldengestalten der Räuberromane aus der Leihbibliothek im Kopf und wollte Hilfe in Spanien holen:
Dann schrieb ich einen Zettel: »Ihr sollt euch nicht die Hände blutig arbeiten; ich geh nach Spanien; ich hole Hilfe!« Diesen Zettel legte ich auf den Tisch, steckte ein Stückchen trockenes Brot in die Tasche, dazu einige Groschen von meinem Kegelgeld, stieg die Treppe hinab, öffnete die Tür, atmete da noch einmal tief und schluchzend auf, aber leise, leise, damit ja niemand es höre, und ging dann gedämpften Schrittes den Marktplatz hinab und die Niedergasse hinaus, den Lungwitzer Weg, der über Lichtenstein nach Zwickau führte, nach Spanien zu, nach Spanien, dem Lande der edlen Räuber, der Helfer aus der Not. – – –

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 21:31
von rodger
Doro hat geschrieben:Was dem einen sein Nach- ist dem andern sein Vor- Teil *g mit dem individuell geh ich konform :D
Was nicht heißt, dass was der eine als Nachteil bezeichnet, dem andern dazu gereichen muss und umgekehrt. Nur weil dies jemand entsprechend definiert.
Ist kompliziert, ja ... :D

Der Fuchs in der Fabel von den Trauben ist ein Loser, der sich selbst in die Tasche lügt, um seinen Schmerz (naja ...) nicht spüren zu müssen. (Das ist jetzt sehr vereinfacht ausgedrückt. Wir wissen halt nicht in wieweit dieser Fuchs sich der Dinge bewußt ist ... wieviel Anteil Verdrängung ist und wieviel Anteil Erkenntnis ... wir wissen nicht einmal um den Säuregrad der Trauben ... :D )

Sartres Satz 'Mit der Hoffnungslosigkeit beginnt der wahre Optimismus. Der Optimismus dessen, der nichts erwartet' ist nicht der Satz eines Losers, sondern der eines klaren Kopfes, der nicht mehr desillusioniert werden kann.

Das Glück von Hans [im Glück] ist echt ... Unabhängig davon wie bewußt bzw. analytisch klar er ist ...

:D

Re: Aufgelesen

Verfasst: 19.7.2014, 23:22
von Doro
@ Hr. Sämmer
Japp, so hatte ich mir das gedacht. Jemand wie Hannes Wader schreibt solche Texte, weil er sie empfinden kann.
vgl. auch Oscar Wilde >> Ja ich bin ein Träumer .... <<


Das Beispiel von Hans im Glück erinnert mich an den Narren, der eigentlich der wahre Weise ist. Unbedarft staunend erfassen, was das Leben an großen und kleinen Geschenken bereit hält und nicht die vielen kleinen aufgrund überhöhter Erwartungshalten nach dem Großen übersehend ... Dankbar für was ist, nicht gierend nach dem was sein könnte, etc.

Re: Aufgelesen

Verfasst: 20.7.2014, 19:53
von Wolfgang Sämmer
Wie Hannes Wader so erkannte auch Karl May im Traum ein Vehikel, der Realität zu entfliehen:
Das, was uns die Wirklichkeit nicht bieten will, dürfen wir wenigstens träumen, und ein Traum, welcher uns, wenn auch nur für eine kurze Stunde, liebe Gaben spendet, ist er denn so gar Nichts gegenüber einem Wachen unter unerfüllten Wünschen?

Karl May: Geographische Predigten

Was für eine Frage von einem, der lebenslang dem Ruf Hannes Waders folgte: „Bloß weg! Bloß raus aus der oft unerträglichen Realität!“?

Re: Aufgelesen

Verfasst: 20.7.2014, 20:28
von Doro
Wolfgang Sämmer hat geschrieben: .... Bloß raus aus der oft unerträglichen Realität!“?
Das ist mir fast zu sehr entweder - oder, ich finde sowohl - als auch wesentlicher sinnvoller und schöner.
Träumen und Leben, anstatt Realitätsflucht, so wird für mich ein Schuh draus...
Träume leben und Leben träumen hat auch was für sich, wenn's auch meist nicht so einfach ist :wink: