Seite 1 von 1

Soeben erschienen

Verfasst: 12.12.2005, 10:43
von Gast
Thomas Kramer
Heiner Müller am Marterpfahl

AISTHESIS Essay Bd. 24


2006, ISBN 3-89528-548-X,
135 Seiten, 10 Abb., kart. EUR 14,50
„Deutscher sein, hieß auch Indianer sein. Diese Indianerromantik war antiplutokratische Propaganda, gegen die amerikanische Demokratie. Ja, die Nazis haben das genial benutzt; das antizivilisatorische Moment, die Sehnsucht nach Wildheit in diesen Geschichten.“ Soweit der Dramatiker Heiner Müller. Doch nicht nur das NS-Regime nutzte den antizivilisatorischen, antisemitischen Impetus im Werk heute fast vergessener Autoren wie Friedrich von Gagern oder Fritz Steuben.
Die Studie weist nach, welch lange Schatten scheinbar harmlose Wildwestgeschichten der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts auf die Literatur, den Film und das Schauspiel der DDR warfen. Heiner Müller am Marterpfahl ist ein bewusst vieldeutig zu interpretierender Titel. Keinesfalls geht es um eine posthume Skalporgie auf Irokesenart. Vielmehr wird gezeigt, wie die Lektüre Authentizität versprechender Jugendbücher auf die Beschäftigung mit Carl Schmitt oder Ernst Jünger vorbereitete. Faktenreich wird gezeigt, wie stark Hochkultur von trivialen Textsorten beeinflusst wird, ja, ohne sie kaum denkbar wäre.

Inhalt:

* „Ein gewisser Gagern …“
* Konsalik und Heiner Müller – mit dem „Arzt von Stalingrad“ auf der „Wolokolamsker Chaussee“
* Don Camillo, Peppone und Müllers „Umsiedlerin“
* Friedrich von Gagern und die Müllersche Einflussangst
* „Nordweißblondes“ oder „Der Jude […] vermehrt sich massenhaft zur Pest“ – Gagernsche Alternativen
* Gagerns Werk – Transmissionsriemen zu Müllers Beschäftigung mit Carl Schmitt & Ernst Jünger
* Gagerns „Toter Mann“, Müllers „Gespenster am toten Mann“ und des deutschen Mannes Ängste
* „Der Marterpfahl“ – Meisternovelle & Lehrstück für Heiner Müller
* Sächsische Geister – Heiner Müller und Karl May
* Mays Leben und Streben – ein Krieg ohne Schlacht
* Mann, May, Müller und die Tradition der Autorenautobiographie
* Kindheiten zwischen Eppendorf und Hohenstein
* „Deutsches Theater“ mit Buschgespenstern …
* Maysche Märchengroßmütter und „Berichte vom Großvater“
* Alexandre Dumas, Heiner Müller und die Französische Revolution
* Vom „alten Dessauer“ zu Müllers Gundling
* May-Reminiszensen in Müllers Werken
* Zwei Hochstapler und die Öffentlichkeit
* Die Söhne der großen Bärin – Dakota im Klassenkampf
* Fritz Steubens völkische Indianerbücher – wider dem Mayschen Pazifismus
* Steubens „Tecumseh“ – vom edlen Wilden zum indianischen Duce
* Fritz Steubens Werk – Inspirationen für DEFA-Film und DDR-Dramatik
* „ … daß ich mir Indianer sehr gut als Kommunisten vorstellen kann.“
* Müllers „Mauser“ als harter Eastern
* Literatur

Thomas Kramer, Dr. phil., habilitierte sich 2002 an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Untersuchung zu Phänomenen medialer Interaktion (Musiktheater, Comics, TV, Spannungsliteratur etc.). Er ist Spezialist für populäre Medien in Deutschland bis 1945, der DDR und Osteuropa.

Verlag: Aisthesis Verlag Bielefeld

Verfasst: 12.12.2005, 11:39
von giesbert
Sächsische Geister – Heiner Müller und Karl May

Darauf muss man erstmal kommen 8-)

Was mich auf die Idee bracht, mal bei Müller großem Antipoden Peter Hacks einen Blick ins Register der "Maßgaben der Kunst" zu werfen. Und siehe da, Karl May wird tatsächlich gelegentlich erwähnt:

Anmerkung zu "Über den Vers in Müllers Umsiederlin-Fragment":
Einem merkwürdigen Irrtum fielen einige neuere Schriftsteller .... zum Opfer, die, aufbauend auf nationale Traditionen von Johanna von Weißenthurn ... bis Karl May ("Im Reiche des silbernen Löwen") ihre Stücke in durchlaufenden, unlimitierten Jamben verfaßten. ... Das läuft nur immer so dahin, auf, ab, auf, ab, in grätenloser Unendlichkeit. Das ist natürlich kein Vers, sondern Prosa, jambische Prosa, also, wie man doch in der Klippschule lernt, von allen Prosaformen die schlechteste.
(Hacks, Werke, Bd. 13, S. 43)
Der Text, der zu dieser Fußnote gehört, stammt aus dem Jahr 1961 und ist also - Hacks lebte & schrieb in der DDR - ein kleines Rezeptionszeugnis Mays in der der DDR (und wohl auch ein Zeugnis der Rezeption Arno Schmidts).

Die zweite Erwähnung Mays findet sich din den "Ästetisch-ökonomischen Fragmenten" der "Schönen Wirtschaft", 1987:
Smith ("Nationalreichtum" I-7): "Der Preis einer Ware, die unter einem Monopol steht, ist immer der höchste, welcher zu erhalten ist". Es stimmt für Milton und Marx wie für May und Mutzenbacher.
(Peter Hacks, Werke, Bd. 14, S. 270 f.)