Gegensätze

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rodger
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Gegensätze

Beitrag von rodger »

Die zahllosen Wirkungszeugnisse über Karl May sind bunt, vielfältig und in ihrer Gesamtheit extrem widersprücklich, das beste Beispiel ist, daß es für Ernst Bloch gleichsam „nur Karl May und Hegel“ gab, er das Spätwerk von seiner ehrenvollen Anerkennung aber bizarrerweise ausschloß und die Werke „ungefähr vom Silbernen Löwen an“ als „verloren“ bezeichnete, Arno Schmidt hingegen, auch kein dummer, mit den Reise- und Jugenderzählungen nur auf seine ganz eigene Art etwas, ansonsten offenbar herzlich wenig, anfangen konnte, wegen des Spätwerkes aber den „letzten deutschen Großmystiker“ in May sah, er schrieb „man beschränke sich aber strikt auf diese beiden“ (gemeint sind die letzten beiden Silberlöwen-Bände sowie Ardistan & Dschinnistan).

Wenn man manchmal das Hü und Hott in den Foren miterlebt, wo Leute auf Aussagen beharren, wenn man ihnen eigentlich längst das Gegenteil bewiesen hat, weil halt jeder aus seinem Blickwinkel nicht herauskommt oder herauskommen mag, ist es tröstlich zu sehen, daß diametral entgegengesetzte Sichtweisen „in den besten Familien“ vorkommen.

(Blochs gesellschaftspolitische Weltwahrnehmung gestattete ihm wohl auch nicht den esoterischen oder meditativen Blick gleichsam aus der Vogelperspektive, wie May ihn in „Ardistan & Dschinnistan“ fand).
Sandhofer
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Bloch vs. Schmidt

Beitrag von Sandhofer »

Hallo zusammen!
Hallo rodger!

Bloch schloss m.M. das Alterswerk nicht bizarrerweise sondern durchaus zu Recht aus - May war, als er unter äusserem Druck anfing, 'symbolisch-mystisch' zu schreiben, noch in keiner Weise dafür bereit; ob er es je hätte werden können, bleibe dahin gestellt.

Schmidt, dessen "bisher" ("der bisher letzte Grossmystiker"!) merwürdigerweise meist unterschlagen wird, ist nun ein ganz anderer Fall. Wenn man seine Nachtprogramme so durchliest, überkommt einen je länger desto mehr das Gefühl, Schmidts Literaturkritik sei eigentlich vom Schwanz her aufgezäumt. Es empfiehlt sich meist, zu lesen, was er verdammt, liegen zu lassen, was er lobt.

Grüsse

Sandhofer
Thomas Schwettmann

Re: Bloch vs. Schmidt

Beitrag von Thomas Schwettmann »

Hallo Rodger, hallo Sandhofer!
... als er unter äusserem Druck anfing, 'symbolisch-mystisch' zu schreiben ...
Das klingt ein wenig danach, als wäre er von alleine nicht darauf gekommen.

Das stimmt aber wohl nur halb. Natürlich hat er auch die Kolportageromane, die Jugenderzählungen und die reinen Buchromane wie 'Winnetou I' oder 'Old Surehand' auch nur unter äußeren Einflüßen - d.h. als ihm dazu die Möglichkeit seitens Münchmeyers, Spemanns bzw. Fehsenfelds geboten wurde - schreiben können.

Dennoch aber läßt sich da schon eine evolutionäre Entwicklungslinie sehen. Bei den Kolportageromanen waren mit Beendigung des 'Weg zum Glücks' die Variationsfähigkeiten sowie die Rückgriffsmäöglichkeiten auf alte Kurzgeschichten als Ideenlieferanten doch ziemlich erschöpft. Die Jugendschriften gingen mit 'der schwarze Mustang' erkennbar einem zähen Ende entgegen und die traditionelle Reiserzählung hatte mit 'Weihnacht' und 'Am Jenseits' auch schon den Weg zur zunehmend allegorisierenden Erzählung gefunden.

Ich glaube, auch ohne Pressefehde wäre May den Weg in diese Richtung - wenn auch nicht so radikal gleichsam mit einem Ruck - gegangen. Das Reisetagebuch mit den ersten Gedichten für die 'Himmelsgedanken' deutet die Entwicklung ja auch schon an. Das einzige, was wir prinzipiell wohl heute nicht lesen könnten, wären wohl die Prozeßschriften und eventuell die Selbstbiographie.

Grüsse
Thomas
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