Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Lola
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Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Beitrag von Lola »

Habe mich die Ferien über May'sch betätigt und ein paar alte Bücher ausgegraben. Besonders die Kurzgeschichtenbände die ich sonst eher vernachlässigt habe. Dabei sind ein paar Fragen aufgetaucht. Da ich nicht für alles ein neues Thema aufmachen will, hier, bitte, bunt zusammengewürfeltes:

- Wie wird eigentlich geklärt ob eine Geschichte zum "Hauptuniversum" (von Old Shatterhan/Kara Ben Nemsi) gehört? Sollen wir zum Beispiel annehmen dass das die Charaktäre des Waldröschens oder der Deutschen Herzen das gleiche Universum bewohnen wie die Charaktäre der Hauptreiseerzählungen?

- Ich bin sicher dass es Versuche gibt die Karl May Geschichten chronologisch zu orden. Wo würde man diese Versuche denn finden?

- Obwohl "Die Gum" sicher eine der entwickeltsten Geschichten ist und mir auch sehr gut gefällt muß ich sagen dass ich verblüfft war dass sie ja eigentlich ziemlich blutrünstig ist (ich rede von der Version wo OS und Emery Bothwell um das Banditenlager streichen und nacheinander die Posten erschießen).

- Wirklich Schade dass Jörg Kastner (Die Oase des Scheitans) keine weiteren Karl May Bücher geschrieben hat. Er gefällt mir um Ellen besser als Thomas Jeier (die für mich zu den schlechtesten Karl May Spin-offs überhaupt zählen). Es gibt etliche Szenen (zum Beispiel den Kampf gegen die Krokodile oder die ganze Geschichte mit dem Käfer/Wahn der die Leute befällt) bei denen echtes Karl May Feeling aufkommt. Vielleicht der stylistisch beste Spin-off Band. (die Geschichte ist akzeptabel aber etwas mau).

- Wie viele Proto-Lindsays gibt es eigentlich? Bothwell, Percy, Lindsay, Raffley, jemand sollte mal eine Geschichte schreiben wo sie sich alle in London im Traveller Club über den Weg laufen und so richtig in die Haare bekommen.

- Sehr gut als Geschichte haben mir auch Girl-Robber und besonders die Forstsetzung "An der Tigerbrücke" gefallen. Mir gefällt auch besonders der Anfang von "Christus oder Mohammed" (Beginnt in Frankreich, großer Sturm auf See). Gibt es eigentlich mehr OS/KBN Geschichten die in Europäischen Großstädten spielen?

- OS/KBN erwähnt übrigens mehrmals in Kurzgeschichten dass er schon Elefanten geschossen hat. Zwar wird in GirlRobber ein Elefant erlegt, aber auch hier wird erwähnt dass es nicht sein erster ist. Also gibt es Geschichten über KBN/OS in Indien und/oder über seine erste Elefantenjagd?

- Es ist schon lange her, dass ich Am Rio de La Plata gelesen habe. Ich erinnere mich vage an eine Episode wo der ICH Erzähler einer Indianischen "Königin" begegnet die über ihren Stamm herrscht. Kann sich vielleicht jemand auf ihren Namen besinnen?

- Habe die ersten 3 Winnetous Testament Bände gelesen sowie einen der Kurzgeschichtenbände, werde dem ganzen jedoch ein eigenes Thema widmen wenn ich mich dazu aufraffen kann.

- Ich habe die Artikel zu Old Shatterhand und Winnetou aus dem Personenregister von karlmay.leo.org gelesen und sehr genossen. Bin sehr von ihnen (und von dem Personenregister allgemein) beeindruckt. Aber ich frage mich doch ob das ganze nicht doch eine Art von Handel ist. Wenn man mehr über die Person des Schriftstellers und über die Entstehungsgeschichte erfährt lernt man ohne Zweifel manche Werke die man vielleicht zuvor weniger beachtet hat mehr zu schätzen. Aber was ist mit der anderen Seite? Führt diese Enmystifizierung nicht auch dazu dass einem andere Werke die man vielleicht früher geliebt hat irgendwie schal erscheinen?

- Ich fand es jedoch falsch dass in diesen Artikeln der Hobble Frank als Westmann dritter Klasse auf eine Stufe mit Davy und Jemmy gestellt wird (während Sam Hawkens zum Beispiel auf einer höhren Stufe steht). Obwohl ich mich selbst nicht grade als großen Hobble Frank Fan bezeichnen würde, hatte ich doch immer dass Gefühl dass es die Intention des Autors war ihm eine gewisse Eigenintelligenz zu geben. Man nehme den großen 4fachen Zweikampft in Schatz im Silbersee. Hier ist Frank der Einzige der der den Plan zu seiner Rettung selbst erdenkt anstatt auf Instruktionen von OS zu warten.

- ich kann das Personenregister von karlmay.leo.org nicht genug loben da es auch als praktische Inhaltszusammenfassung der verschiedenen Bücher dient.

- Mir sind gutenberg.spiegel.de und palmtopmagazin.de als gute Plätze für online Fassungen von KMay aufgefallen. Wie steht es denn dort mit der guten vs. die böse Edition? (ihr wisst schon, Textgenauigkeit und so weiter)
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rodger
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Re: Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Beitrag von rodger »

Lola hat geschrieben: Wie steht es denn dort mit der guten vs. die böse Edition?
Ich denke, diese Thematik bewegt sich, wie so viele, jenseits von gut und böse.

:lol:

Im einen Fall handelt es sich um den Text, so wie May ihn geschrieben hat (das ist bei den genannten Internet-Texten meines Wissens der Fall), im anderen um Bearbeitungen nach seinem Ableben, von denen man also nur mutmaßen kann, ob sie ihm gefallen hätten. Ich habe Original + Bearbeitungen zu Hause und versuche mittlerweile, beides zu akzeptieren, was gelegentlich, bei ganz unglücklichen Fällen, schwerfällt. Aber das „Buschgespenst“ z.B., das so nicht von Karl May ist, gefällt mir mittlerweile ganz gut, das hätte ich mir vor ein paar Jahren auch nicht träumen lassen.
karmaqueen
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Re: Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Beitrag von karmaqueen »

karmaqueen mag sich hier jetzt nicht als klugscheißer gerieren (und er muss zu seiner schande gestehen, dass sein beitrag völlig off topic ist!), aber es heißt - nach alter ebenso wie nach neuer rectshraibungk - immer noch: "Charaktere"! :P nichts für ungut! ;)

übrigens, schön, dass lola wieder hier im forum aufgetaucht ist! :)
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rodger
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Re: Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Beitrag von rodger »

Lola hat geschrieben: Gibt es eigentlich mehr OS/KBN Geschichten die in Europäischen Großstädten spielen?
Winnetou und Old S in Dresden in "Satan und Ischariot II" ("Krüger Bei"),
Ich-Erzähler Charley in Düsseldorf in "Am stillen Ozean".
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rodger
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Re: Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Beitrag von rodger »

Lola hat geschrieben: (1) Sollen wir zum Beispiel annehmen dass das die Charaktäre des Waldröschens oder der Deutschen Herzen das gleiche Universum bewohnen wie die Charaktäre der Hauptreiseerzählungen?

(2) - Ich bin sicher dass es Versuche gibt die Karl May Geschichten chronologisch zu orden. Wo würde man diese Versuche denn finden?

(3) - Obwohl "Die Gum" sicher eine der entwickeltsten Geschichten ist und mir auch sehr gut gefällt muß ich sagen dass ich verblüfft war dass sie ja eigentlich ziemlich blutrünstig ist (ich rede von der Version wo OS und Emery Bothwell um das Banditenlager streichen und nacheinander die Posten erschießen).

(4) Wenn man mehr über die Person des Schriftstellers und über die Entstehungsgeschichte erfährt lernt man ohne Zweifel manche Werke die man vielleicht zuvor weniger beachtet hat mehr zu schätzen. Aber was ist mit der anderen Seite? Führt diese Enmystifizierung nicht auch dazu dass einem andere Werke die man vielleicht früher geliebt hat irgendwie schal erscheinen?
(1) Ja, sicher doch, wobei das Maysche Universum groß ist, gleichsam mehrere "Böden" hat, und er es spätestens zuletzt bis hinauf nach Sitara ausgedehnt hat.

(2) Die Versuche gibt es, sie kommen mir allerdings immer so vor, als wolle man einige Bilder Picassos mit der Unzulänglichkeit des Druckertreibers erklären oder mit körperlichen Versehrtheiten der Abgebildeten. - Irgendwo beim Kandolf findet man sowas, er hat aber nachher selber einsehen müssen, daß es nicht funktioniert. Es braucht diese reduzierende Rationalisiererei auch nicht.

(3) Im "Waldröschen" schießt der "Held" irgendwo mal eben ein paar Dutzend Leute ohne Not über den Haufen, da geht denn wohl doch das latente Herrenmenschentum mit ihm durch. - In "Von Bagdad nach Stambul" gibt es eine - bewegende - Szene, da hockt Kara Ben Nemsi mit Tränen in den Augen da, ist tief verletzt und sagt, aus seiner Wut heraus "Wir schießen sie augenblicklich nieder" (dieser Satz ist allerdings auch in der allerneuesten GW-Ausgabe immer noch gestrichen). - Vielleicht hat der Autor mit solchen Sachen versucht, sich die Wut von der Seele zu schreiben oder Herzbeschwerden loszuwerden, wenn sich ihm die lieben Mitmenschen mal wieder von ihrer widerwärtigsten und ekelerregendsten Seite gezeigt hatten.

(4) Mir geht es anders, je mehr ich von Karl May und seinem Leben weiß, desto lieber lese ich ihn. Die andere Variante kenne ich allerdings auch, ich kenne jemand, für den waren Schauspieler in seiner Jugend sozusagen Götter. Seit er die Theater von innen kennt, interessieren sie ihn nur noch, solange sie auf der Bühne stehen.

:lol:

Viel Spaß weiterhin mit Charly !

:P
Thomas Schwettmann

Re: Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Beitrag von Thomas Schwettmann »

rodger hat geschrieben:
Winnetou und Old S in Dresden in "Satan und Ischariot II" ("Krüger Bei"),
Ich-Erzähler Charley in Düsseldorf in "Am stillen Ozean".
Zuviel der Ehre für meine alte Heimatstadt. »Zug nach Düsseldorf?« fragte ich den Portier heißt es lediglich in dem 1. Kapitel 'Gefährliche Bekanntschaften' aus 'Der Brodnik'. Charley wartet nur auf einen Zug nach Düsseldorf bzw. Köln, als ihn eine Rundreise (...) an einen berühmten Centralpunkt des westfälischen Kohlen- und Eisenwerkbetriebes führte. Der Handlungsort liegt also wahrscheinlich im Ruhrgebiet, und zwar etwas außerhalb der Stadt: Zur Abreise gerüstet, fuhr ich dann in einer Droschke nach dem Bahnhofe, welcher eine ziemliche Strecke von der Stadt entfernt war. Aufgrund der langen Wartezeiten sollte der Ort aber nicht gerade an der Hauptstrecke Dortmund - Bochum - Essen - Mülheim - Duisburg, der sog. Köln -Mindener Eisenbahn, liegen, da dort eine direkte Verbindug nach Düsseldorf/Köln wohl schneller erfolgt wäre. Demzufolge dürfte es sich um eine Strecke handeln, wo durchgehende Züge zur Rheinschiene eher selten fuhren. Man muß bedenken, daß die Bahnen damals ja noch nicht verstaatlicht waren, und Umsteigen selbst bei der gleichen Bahngesellschaft teuer war als eine direkte Zugfahrt. Das erklärt dann wohl die Wartezeit von drei Stunden fünfzig Minuten, mit der Charley selbst an einem Nachmittag - der nächste Zug fährt um vier Uhr fünfzig - vorlieb nehmen muß.

Falls May hier tatsächlich einen realen Bahnhof im Sinn hatte, so könnte es etwa Bottrop sein (obwohl die Stadt eigentlich noch zum Rheinland und nicht zu Westfalen zählt). Aber dieser lag im 19. Jahrhundert noch weit genug vom Stadtkern entfernt, um die Droschkenfahrt dorthin zu begründen. Karl May jedenfalls hat das Ruhrgebiet jedenfalls 1875 auf seiner 'Schacht & Hütte' Werbungs-Tour bereist und war dabei mindestens in Essen bei den Krupp-Werken, insofern könnte er sich bei dieser Bahnhofs-Geschichte durchaus an einen wirklichen Bahnhof erinnert haben.

Was ansonsten die unterrepräsentierten europäischen Großstädte angeht: Es gibt in der Zeitschriftenfassung des 'Mahdi' eine kurze Schlußpassage, wo der Ich-Erzähler in Paris weilt und bei einer Völkerschau einen der Schwarzen aus dem Sudan wiedertrifft. Paris selbst spielt bei dieser Begegnung freilich kaum eine Rolle, das Zusammentreffen hätte genauso an einem anderen Ort stattfinden können. 'Geheimnisse von Paris' werden nur im 'Waldröschen' und in der 'Liebe des Ulanen' theamtisiert.

Was die Haupt- und Nebenuniversen angeht, befürchte ich, daß sich Karl May da selber nicht so gut auskannte. Man darf nicht vergessen, daß erst mit den Erscheinenen der Jugenderzählungen und Reiseerzählungen in Buchform so etwas wie ein verbindliches Universum (oder genauer gesagt zwei verbindliche Paralleluniversen) entstanden sind. Alle vorher gedruckten Romane und Erzählungen waren ja zum 'Sofortverzehr' und nicht in Hinblick auf lang anhaltene Konservierung geschrieben. Deshalb hat Karl May bis Anfang der 90er Jahre Motive, Figuren, u.s.w. oft einfach nur variiert, ohne auf eine Stimmigkeit aller Texte untereinander zu achten. Diese war bis dato im wesentlichen nur in Hinblick auf die Leserschaft des 'Hausschatzes' vonnöten.

Der Maysche Ur-Lindsay - möglcherweise nach dem Vorbild der Vernschen Lordschaften Fogg & Glenarvan [vgl. http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg ... /index.htm S. 2-6] ist Sir John Emery Walpole (Ein Abenteuer auf Ceylon, 1878), als böses Anti-Model erschuf Karl May im gleichen Jahr einen ersten Sir Raffley (Ein Africander), dessen Name er 1880 dann für die umgetaufte Walpole-Figur als Sir John Raffley benutzte (Der Girl-Robber), während er gleichzeitig die alte Raffley-Figur in Sir Gilbert Grey [alt. Hilbert Grey] (Der Boer van het Roer) umbenannte, dazu erfand er als weitere veritablen Englishman-Figur Emery Bothwell. Zwischenzeitlich adaptierte May 1879 Gabriel Ferrys Charakter Sir Frederik Wanderer aus dem 'Waldläufer' als Sir William Wallerstein, während er in 'Zepter & Hammer' (1879) einen Lord Emery Halingbrook auftreten läßt, sowie in der Fortsetzung 'Die Juweleninsel' (1880) als weiteres Anti-Model Lord Haftley (KMV-Spitzname: General Yes). Für Sir David Lindsay hob sich der Vorhang im Orientzyklus erstmals 1881, parallel dazu reiste auch Sir David Percy im 'Krumir' durch die Wüste. Lindsays Namensvetter Sir Henry (KMV-Deckname: Dryden) folgte im 'Waldröschen' (1882-84), der vornamenlose Lord Eagle-nest (beim KMV ebenfalls als Sir David Lindsay enttarnt) gab sich in 'Deutsche Herzen, deutsche Helden' (1885-87) die Ehre. Übrigens lebte tatsächlich einmal einen Orientreisenden namens Sir David Lindsay, der Name Sir Walpole hingegen könnte durch Horace Walpole, dem Autor des klassischen Geisterromans 'The Castle of Otranto' (1764), inspiriert worden sein. Als unadeliger aber gleichfalls untadeliger englischer Gentleman tut sich ferner noch der Reporter Nathanael Robinson vom 'The Lloyds Weekly London Newspaper' in 'Die Liebe des Ulanen' (1883-85) hervor, der wiederum ein wenig an Vernes britischen Reporter Harry Blount aus 'Der Kurier des Zaren' erinnert. Dann gibt es natürlich auch noch einige 'kleinere' Figuren typischer Engländer wie Mr. Shower und Mr. Phelps in der Skizze 'ein Phi-Phob (1887). Seinen letzten großen englischen Weltreisenden kreierte Karl May mit Lord Castlepool aber schließlich Anfang der 90er Jahre für den 'Schatz im Silbersee'.
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rodger
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Karl May in Bottrop

Beitrag von rodger »

Nun gut. Mir war halt das Wort „Düsseldorf“ prägnant in Erinnerung, da man es in einem Buch mit dem Titel „Am stillen Ozean“ nicht unbedingt erwartet. Bottrop ist mir auch lieber.

Da war ich sehr oft, es war Liebe auf den ersten Blick. Eine überschaubare, gemütliche, gute alte Ruhrpott-Stadt mit vielen Gesichtern (der Bahnhof lag allerdings, als ich 2000 zuletzt dort war, in der Tat immer noch abseits und bestand nur aus Bahnsteigen ohne irgendwas drumrum). Bottrop würde ich persönlich Düsseldorf (wo ich viele Jahre gelebt habe) vorziehen (Ruhrpott-Charme statt Schickimicki). Aber das ist nun wirklich Ansichtssache, ich sehe schon Legionen die Augen aufreißen und mit den Ohren wackeln. - Aus Bottrop kommen übrigens auch die Charlys, die Plüsch-Geierschnabels von der „Konkurrenz“.
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Helmut
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Re: Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Beitrag von Helmut »

(1) Ja, sicher doch, wobei das Maysche Universum groß ist, gleichsam mehrere "Böden" hat, und er es spätestens zuletzt bis hinauf nach Sitara ausgedehnt hat.

:P

Da es ja nur ein Universum gibt (m.W. gibt es von Universum auch keinen Plural) ist dies ja eigentlich klar. :wink:

Und mit den "Übergängen" zwischen seinen "Böden" hat er wohl auch so seine Probleme. Er hat (wie das Beispiel Satan & Ischariot II = Krüger Bei ) es z.B. nicht geschafft seine Hauptfigur (Winnetou) aus Amerika im Orient auftreten zu lassen, bzw. dieser ist dort so schwer erkrankt, dass er (der sonst über alle medizinischen Künste verfügte) eines Arztes bedurfte. D.h. meiner Meinung nach konnte Winnetou im Mayschen Orient einfach nicht existieren.

Gruß, Helmut[quote][/quote]
Thomas Schwettmann

Re: Karl May in Bottrop

Beitrag von Thomas Schwettmann »

rodger hat geschrieben:der Bahnhof lag allerdings, als ich 2000 zuletzt dort war, in der Tat immer noch abseits und bestand nur aus Bahnsteigen ohne irgendwas drumrum.
Diese Art der überfunktionalen Bahnhofsarchitektur hat sich allerdings erst verstärkt in den letzten beiden Jahrzehnten, insbesondere seit der Privatisierung, eingeschlichen. Früher gab es auch in Bottrop einen normalen Bahnhof. Ich bedaure vorallem die armen DB-Mitarbeiter, die an den diversen größeren Bahnhöfen auf den Service-Points arbeiten müssen. Da zieht es nur wirklich meist, z.B. in Essen, wie Hechtsuppe. Angeblich soll es ja kundenfreundlicher sein, wenn diese Stände mitten im Weg stehen, man könnte ja sonst zehn Schritte zu viel laufen.

Auch so ein kundenfreundliches Forum wie dieses hier scheint ja leider die meisten Benutzer nicht zu motivieren, bei ein paar Fragen wie den hier gestellten mitzudiskutieren. Ich frage mich manchmal, warum hier mittlerweile fast 100 Benutzer registriert sind, mitlesen könnte man auch so. Bleibt nur zu hoffen, daß bei diesem ungemeinen Andrang Lola nicht irgendwann wieder weiterrennen wird.

Was war denn da noch offen an Fragen? Die 'indianische Königin' z.B., das war natürlich Unica - die erste Elefantenjagd,, nein so eine Erzählung gibt es nicht, ich habe zu solchen unerzählten Abenteuern mal einen neuen Thread mit alten Material aus meinem Textfundus aufgemacht - und dann wäre da noch die Chronologie, da zitiere ich mal aus 'Reihenfolge der Winnetou-Werke' im Magazin-Forum einen meiner alten Beiträge.

Das einfachste, annähernd chronologische Lesemodel für alle Winnetou-Geschichten dürfte - egal in welcher Fassung - wohl das folgende sein:

Winnetou I
Winnetou II (Nach Kapitel 4 könnte man 'Die Gum' zwischenschalten, in der KMV-Fassung bereits nach dem ersten Kapitel)
Der Sohn des Bärenjägers - Der Geist des Llano Estacado (bzw. Unter Geiern)
Der Schatz im Silbersee (Wegen den Auftreten Old Firehands ist die vorherige Lektüre von 'Winnetou II' angezeigt)
Der Ölprinz
Der schwarze Mustang (bzw. Halbblut)

Es gibt freilich auch Argumente, die ich persönlich nicht für aussschlaggebend erachte, zugunsten einer Reihenfolge: Mustang - Ölprinz. Und falls man nun auch 'Der Derwisch/Im Tal des Todes/Zobeljäger und Kosak', die kandolfsche Version von Mays 'Deutsche Herzen - Deutsche Helden', in einen Wildwest-Lesemarathon einbeziehen möchte, so wäre dies wohl die ideale Stelle sein (der darin kolportierte Tod Drolls geht übrigens nicht auf May zurück).

Old Surehand I (wegen der Geschichte um den Llano-Geist ist die Lektüre von 'Unter Geiern angezeigt)
Old Surehand II [orig.] (bzw.: Kapitän Kaiman)
Old Surehand III [orig.] (bzw.: Old Surehand II [KMV])
Satan & Ischariot I-III (bzw.: Die Felsenburg - Krüger Bei - Satan und Ischariot [KMV], hier wäre die vorherige Lektüre der Orientgeschichten 'Die Gum' & 'Der Krumir' nicht verkehrt)
Die beiden Kurzgeschichten in 'Auf fremden Pfaden'
Weihnachten
Die Söhne der Upsarokas [bzw. Mutterliebe, in: Das Zauberwasser]

Nun bleibt noch 'Ein Ölbrand' und 'Winnetou III'. Nach der Lektüre von 'Weihnachten' sind diese Erzählungen vom Ton her weniger veredelt. Hinsichtlich der Winnetou-Trilogie muß man sich halt entscheiden, ob man den Tod Winnetous im dritten Band zuerst lesen und dabei etwas mehr den Zusammenhang im Hinterkopf behalten will, und dann erst die anderen Abenteuer in Rückblick liest oder aber, ob man 'Winnetou III' erst ganz am Schluß, dabei dann aber auch eine gewisse 'Rückentwicklung' des Charakters von Winnetou in Kauf nimmt. Wenn man es ganz genau haben will, muß man zwischen Winnetous Tod und 'das Testament des Apatschen' noch die To-Kei-Chun-Erzählung aus 'Im Reiche des silberenen Löwen' zwischenschieben.

Darüber hinaus gibt es noch - teilweise stark abweichende - Erstversionen einzelner Winnetou-Geschichten, die sich aber natürlich in die Chronologie nicht einbinden lassen. Von besonderen Reiz sind etwa die ursprüngliche 'Old Firehand'-Fassung, die Zeitschriften-'Scout'-Version (bislang nicht innerhalb der GW erschienen) und 'Auf der See gefangen', die Urfassung der Kapitän-Kaiman-Geschichte.

Und als allerletzter Roman des Winnetou-Stoffkreises gibt es natürlich noch 'Winnetou IV' (bzw. 'Winnetous Erben'), das Buch spielt aber erst im 20. Jahrhundert, also gut 30 Jahre nach Winnetous Tod.

------------

Wo man nun die Orientgeschichten und die Charley-Erzählungen zwischenschiebt, ist etwas willkürlich. Sicher ist nur, daß alle nach 'Die Gum' und bis auf die Alterswerke 'Silberlöwe', 'Ardistan', 'Jenseits und 'Friede' vor Winnetous Tod zu datieren wären, und daß man in der KMV-Fassung die zeitlichen Verflechtungen mit 'Allah il Allah' (nach der Kibili-Episode in 'Durch die Wüste'/ 'Der Derwisch' (nach 'Der Schut' / 'Im Tal des Todes' nach 'Der Ölprinz/Halbblut') / ' Zobeljäger und Kosak' beachten muß. Vielleicht traut sich ja ein anderen Forumleser uns hier mit eine genauere Chronologie zu präsentieren. Wesentlich erscheint mir dabei nur, daß die innere Logik von Bezügen Vorrang vor historisch-korrekter Einordnung haben sollte, da man sonst in ein heilloses Durcheinander gerät.
Zuletzt geändert von Thomas Schwettmann am 17.1.2005, 17:11, insgesamt 1-mal geändert.
Lola
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Beitrag von Lola »

Die Chonologie behagt mir sehr. Gibt es jedoch einen besonderen Grund warum Weihnacht sich so weit hinten befindet?

Ich persönlich würde vermutlich Am Rio De La Plata/Kordilleren relativ bald nach Winnetou I einschieben (weil der Ich Erzähler noch ein wenig unausgegoren wirkt), wenn überhaupt.

Ich würde auch Ölprinz und Silbersee vielleicht ein bißchen weiter auseinander stellen da ja die ganze Episode um Firehand und seine Miene, sowie Hobbel Franks Rückkehr in den Westen (bedingt durch Langeweile nehm ich mal an) ruhig etwas länger dauern könnte. Gibt es einen speziellen Grund warum man zum Beispiel Surehand nicht hier einschieben könnte?



Die Geschichte mit Düsseldorf, das ist diejenige mit dem betrügerischen Gangsterpärchen, das auch in Russland und der Mongolei auftaucht? Fand die Geschichte übrigens sehr nett.

(1) Ja, sicher doch, wobei das Maysche Universum groß ist, gleichsam mehrere "Böden" hat, und er es spätestens zuletzt bis hinauf nach Sitara ausgedehnt hat.

Da es ja nur ein Universum gibt (m.W. gibt es von Universum auch keinen Plural) ist dies ja eigentlich klar. Winken
Ich finde es eigentlich nicht widersinning mehere Universa ( :wink: ) zu haben. Schließlich erschaftt ja jeder Autor sein eigenes Universum dass sich in der Regel nicht mit dem Universum eines anderen Autors überschneidet. (zum Beispiel Harry Potter und Karl May). Grad wenn ein Autor mehere übermächtige Figuren hat macht es Sinn die Universen zu trennen (wenn beides zum Beispiel Weltreisende oder Helden im ungefähr gleichen Gebiet sind ist es fast unwahrscheinlich dass sie sich nicht über den Weg laufen würden [zum Beispiel Sternau/Shatterhand]). Weiters gibt es ja auch Geschichten die ziemlich unabhängig von dem Charaktergeflecht des Hauptuniversums existieren (Juweleninsel zum Beispiel).

Und im May'schen Unversum gibt es ja auch Geschichten (in erster Linie Rohversionen der Hauptgeschichten) die aus dem Hauptuniversum ausgeschlossen werden müssen. (zum Beispiel die Old Firehand Geschichte oder die Both Shatters).

D.h. meiner Meinung nach konnte Winnetou im Mayschen Orient einfach nicht existieren.
Jedenfalls scheint er sich nicht allzuviel Mühe gemacht zu haben, denn Winnetou wandert eindeutig völlig nutzlos (schon fast wie eine "Maiden in Distress", eine hilflose Jungfer die mehr behindert als nutzt) herum.

In "Von Bagdad nach Stambul" gibt es eine - bewegende - Szene, da hockt Kara Ben Nemsi mit Tränen in den Augen da, ist tief verletzt und sagt, aus seiner Wut heraus "Wir schießen sie augenblicklich nieder" (dieser Satz ist allerdings auch in der allerneuesten GW-Ausgabe immer noch gestrichen). - Vielleicht hat der Autor mit solchen Sachen versucht, sich die Wut von der Seele zu schreiben oder Herzbeschwerden loszuwerden, wenn sich ihm die lieben Mitmenschen mal wieder von ihrer widerwärtigsten und ekelerregendsten Seite gezeigt hatten.
Ich hab eingentlich nichts gegen gelegentlich rauhere Sitten. Es ist nur manchmal schwer die Diskrepanzen oder Rückschritte zu Erklären, wenn manche Bücher (zum Beispiel Halbblut) unlgeich rauer im Ton sind.
Mir geht es anders, je mehr ich von Karl May und seinem Leben weiß, desto lieber lese ich ihn. Die andere Variante kenne ich allerdings auch, ich kenne jemand, für den waren Schauspieler in seiner Jugend sozusagen Götter. Seit er die Theater von innen kennt, interessieren sie ihn nur noch, solange sie auf der Bühne stehen.
Ich gebe zu dass mir das bei Schauspielern oder Sängern weitaus leichter fällt. Schließlich muss ein Schauspieler oder Sänger nicht unbedingt besonders viel Köpfchen haben um gut zu sein in dem was er tut. Bei einem "Erschaffer" gibt es einfach mehr Möglichkeiten wie seine persönlichen Stimmungen, Angewohnheiten oder Meinungen in das Werk eindringen.

Aber eigentlich habe ich das weniger gemeint. Mir ging es mehr um stilistische Dinge. Zum Beispiel wenn man einen Charakter nach den generischen Regeln für die Reise eines Helden analysiert. Die Proben, das Überwinden des Todes, die Gottwerdung... Irgendwie nimmt das etwas von der Persönlichkeit der Geschichten (auch wenn man sich vorstellen kann dass der Autor nicht diese Richtlinien im Sinn hatte als er die Geschichten geschrieben hat). Oder man nehme die Winnetou "Trilogie". Irgendwie fand ich es deprimierend die Genese zu sehen. Wie schlecht eigentlich manche, viel früher geschriebenen, Grundgeschichten waren und wie wenig eigentlich geändert wurde. Auch macht es es einem schwerer ein "Universum" als Gesamtwerk zu genießen wenn man sieht dass es an den Ecken unlogisch wird oder nicht mehr zusammenpasst (obwohl Karl May da sicher nicht der schlimmste Verbrecher von Widersprüchen ist).

Obwohl die Genese sicher auch ihre interessanten Seiten hat. Zum Beispiel ist es interessant zu sehen wie May als er noch dabei war an seiner Winnetoufigur zu feilen sich auf gewisse Details schon versteift hatte. Wie zum Beispiel dass Winnetou Old Shatterhand in die Zunge sticht. Das war schon lange vor Winnetou I festgelegt und taucht in fast allen Winnetou versuchen auf. Was die Frage des Warum aufwirft. Warum hat ihm gerade dieses Detail so gut gefallen dass er sich gerade darauf festgelegt hat.

Es gibt ja Dinge die bei Karl May immer wieder auftauchen, die man aber als Stilmittel betrachten kann (das 10fache Schießen mit den Henrystutzen auf einen dünnen Ast zur Einschüchterung der Gegner, das Mitnehmen und Belehren von weniger intelligenten Mitstreitern ist eine gute Art dem Leser die Gegebenheiten zu erklären, einem besiegten Feind das Leben zu schenken...). Aber andere Dinge scheinen den Mayster einfach so fasziniert zu haben dass er es immer wieder in verschiedenen Facetten beschrieben hat, weil es ihm anscheinend so gut gefallen hat. Wie zum Beispiel das Reiten über einen Salzsee, eine immerhin nicht alltägliche Beschäftigung die dennoch relativ oft vorkommt.
Ich denke, diese Thematik bewegt sich, wie so viele, jenseits von gut und böse.
Ich finds halt einfacher "Gut und Böse" zu sagen da die ganze Verlagsproblematik mich immer noch ein wenig verwirrt, besonders wenn es um die Namen geht. Soll keine Wertung der Verlage oder der emotional Involvierten sein :P

Danke für all die freundlichen Antworten.
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Helmut
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Beitrag von Helmut »

May hat ab Anfang der 80 Jahre i.w. 3 verschiedene Arten von Geschichten (z.T. auch gleichzeitig) geschrieben:
1. Die Reisegeschichten ("Ich"-Erzählungen), veröffentlicht erst im (katholischen) Deutschen Hausschatz, dann als Bücher im Verlag Fehsenfeld
2. Die Jugenderzählungen ("Er"-Erzählungen) für die Zeitschrift "Der Gute Kamerad" (für die männliche Jugend), später als Bücher im Union-Verlag
3. Die Kolportage-Romane (Waldröschen usw.) im Verlag Münchmeyer

Letztere sind (bis auf "Die Liebe des Ulanen") pseudonym erschienen.

Zwischen 1 und 2 gibt es personelle und inhaltliche Beziehungen, sodass man dabei wohl von einem gleichen Universum ausgehen kann.
Es wäre May aber wohl sehr unangenehm gewesen, wenn die Leser des "Hausschatzes" von seinen Kolportage-Sachen erfahren hätten, deshalb hat er versucht (was ihm allerdings nur teilweise gelungen ist) diese Geschichten auseinanderzuhalten (allerdings hat er im Surehand II = Kapitän Kaiman ein Teil vom Waldröschen (abgeändert) übernommen).

Er hat allerdings stets versucht auf die erwarteten Leser einzugehen, daher auch die Unterschiede zwischen 1 und 2.

Die Orient-Reihe (Band 1 bis 6) hat er im wesentlichen neu für den Hausschatz geschrieben, daher ist sie wohl auch am "abgerundesten".

Winnetou II und III hingegen setzt sich aus älteren (z.T. über 15 Jahren) zurückliegenden Geschichten zusammen, die er versucht (nicht immer restlos geglückt) auf einen "gemeinsamen Nenner" zu bringen.
D.h. er hat an den Gestalteten OS/W wesentlich länger herumprobiert, als an KBN/H.

Zu der Sache mit dem "Messerstich": Karl May hatte am Hals eine Narbe, die eben sehr gut dazu gepasst hat.

"Friede auf Erden!" lese ich z.B. mit sehr viel mehr Genuss, seit ich weiss mit welchen Tricks und Finten es May geschafft, diese Erzählung in diesem "China"-Band (der zur Verherrlichung des deutschen Sieges über die Chinesen im Boxeraufstand dienen sollte) "hieneingeschmuggelt" hat, so dass der Verleger letztendlich meinte sich für diesen Beitrag bei den Lesern entschuldigen zu müssen.

Gruß, Helmut
Cornelia Seitz

Beitrag von Cornelia Seitz »

Hi Helmut,

nicht der Verleger Hermann Zieger hat sich im Vorwort des "China-Bandes" entschuldigt, dass der Inhalt etwas anders ausgefallen sei wie erwartet, , sondern der Herausgeber Joseph Kürschner. Das ist ein kleiner aber feiner Unterschied, der nicht unerwähnt bleiben sollte. :D

Natürlichl muß erwähnt werden, dass der Verleger Zieger auch nicht gerade glücklich über Mays Werk "Et in terra pax" war.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß die spätere Buchfassung "Und Friede auf Erden" nicht nur erweitert, sondern von May auch sehr gründlich überarbeitet wurde.

LG Cornelia
Lola
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Beitrag von Lola »

Der Maysche Ur-Lindsay - möglcherweise nach dem Vorbild der Vernschen Lordschaften Fogg & Glenarvan [vgl. http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg ... /index.htm S. 2-6] ist Sir John Emery Walpole (Ein Abenteuer auf Ceylon, 1878), als böses Anti-Model erschuf Karl May im gleichen Jahr einen ersten Sir Raffley (Ein Africander), dessen Name er 1880 dann für die umgetaufte Walpole-Figur als Sir John Raffley benutzte (Der Girl-Robber), während er gleichzeitig die alte Raffley-Figur in Sir Gilbert Grey [alt. Hilbert Grey] (Der Boer van het Roer) umbenannte, dazu erfand er als weitere veritablen Englishman-Figur Emery Bothwell. Zwischenzeitlich adaptierte May 1879 Gabriel Ferrys Charakter Sir Frederik Wanderer aus dem 'Waldläufer' als Sir William Wallerstein, während er in 'Zepter & Hammer' (1879) einen Lord Emery Halingbrook auftreten läßt, sowie in der Fortsetzung 'Die Juweleninsel' (1880) als weiteres Anti-Model Lord Haftley (KMV-Spitzname: General Yes). Für Sir David Lindsay hob sich der Vorhang im Orientzyklus erstmals 1881, parallel dazu reiste auch Sir David Percy im 'Krumir' durch die Wüste. Lindsays Namensvetter Sir Henry (KMV-Deckname: Dryden) folgte im 'Waldröschen' (1882-84), der vornamenlose Lord Eagle-nest (beim KMV ebenfalls als Sir David Lindsay enttarnt) gab sich in 'Deutsche Herzen, deutsche Helden' (1885-87) die Ehre. Übrigens lebte tatsächlich einmal einen Orientreisenden namens Sir David Lindsay, der Name Sir Walpole hingegen könnte durch Horace Walpole, dem Autor des klassischen Geisterromans 'The Castle of Otranto' (1764), inspiriert worden sein. Als unadeliger aber gleichfalls untadeliger englischer Gentleman tut sich ferner noch der Reporter Nathanael Robinson vom 'The Lloyds Weekly London Newspaper' in 'Die Liebe des Ulanen' (1883-85) hervor, der wiederum ein wenig an Vernes britischen Reporter Harry Blount aus 'Der Kurier des Zaren' erinnert. Dann gibt es natürlich auch noch einige 'kleinere' Figuren typischer Engländer wie Mr. Shower und Mr. Phelps in der Skizze 'ein Phi-Phob (1887). Seinen letzten großen englischen Weltreisenden kreierte Karl May mit Lord Castlepool aber schließlich Anfang der 90er Jahre für den 'Schatz im Silbersee'.
Da kriegt man ja direkt Kopfweh. Meiner Meinung nach hätte man problemlos einige der Lords ineinander überführen können, weil ja auch hier die Charakterisierungen oft sehr ähnlich ist (gute Schützen, obsessive Wettleidenschaft und Aleppobeulen :shock: ).
Zu der Sache mit dem "Messerstich": Karl May hatte am Hals eine Narbe, die eben sehr gut dazu gepasst hat.
Ahhhhhh, macht Sinn. Ich war nur ein wenig amüsiert da in Winnetou I der Zungenstich immerhin zu langen Leiden und einer Nahtodeserfahrung führt (also eine schwerwiegende Verletzung) während in einigen der Proto-stories das Ganze weitaus schneller und problemloser überstanden wird. :lol:
Thomas Schwettmann

Beitrag von Thomas Schwettmann »

Lola hat geschrieben:Da kriegt man ja direkt Kopfweh. Meiner Meinung nach hätte man problemlos einige der Lords ineinander überführen können, weil ja auch hier die Charakterisierungen oft sehr ähnlich ist
Dafür sind ja wenigsten nur drei Lords (Lindsay, Raffley & Eagle-nest) Mitglied im Traveller-Club. Über den echten, der nicht an der fiktiven Near Street sondern der Pall Mall lokalisiert war, gibt es übrigens diese Site: http://www.bluffton.edu/~sullivanm/engl ... llers.html

Der Ursprung der Mayschen Engländer geht übrigens noch über Sir John Emery Walpole hinaus und ist im Ritter-Roman 'Der beiden Quitzows letzte Fahrten' zu finden. In dem in Bristol spielenden Kapitel 'Bei "Mutter Quail"' (Die Titelperson ist eine Proto-Mutter-Thick-Figur), welches wie das 'Schwarze Kapitän'-Kapitel aus dem Waldröschen bislang nicht in den 'Grünen Bänden' zu finden ist, spielt der historische britische Adelige Viscount Richardt Beauchamp, Herrn von Warwick, der reichste Mann in den drei Königreichen und tapferste Ritter der Christenheit eine nicht unerhebliche Rolle (übrigens ein eigenständige Figur Mays, die in Axmanns Prequel 'Fürst und Junker' nicht auftrat). Im Gegensatz zu den späteren zeitgenössischen Lords ist dieser Ritter jedoch keineswegs eine spleenige Figur. Vor diesem Hintergrund wird Mays Wahl des historischen Namens 'Walpole' für seine erste Proto-Lindsay-Figur jedenfalls ein wenig erklärlicher.

Ob Karl May seinen Sir John Emery Walpole direkt nach dem Vorbild der Engländer-Figuren Vernes kreiert hat, oder aber sich nur indirekt den von diesen, aber sicher auch von anderen zeitgenössischen Autoren benutzten stereotypen Charakter angeignet hat, läßt sich schwer sagen. So gibt es etwa in 'Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika' (1876) einen Sir John Murray, einen reichen Gelehrten und Mitglied in einen Jagdclub, der gerne wettet: Der Schuß zählt, Buschmann, ich habe ein Pfund verloren; doch wette ich noch einmal doppelt oder quitt! - Wie Sie wollen, Sir John, doch werden Sie verlieren! (In dem Roman gibt es ferner einen William Emery, einen Walpole erwähnt Verne freilich erst in 'Das Dampfhaus', und dieser Roman erschien erst 1882)

Die Charakterisierungen Sir John Murrays und Sir John Emery Wapoles zeigen freilich nicht gerade viel Übereinstimmung: William Emery kannte ebenfalls dem Rufe nach Sir John Murray, einen reichen Gelehrten, Nacheiferer von James Roß und Lord Elgin, welcher ohne amtliche Stellung England mit seinen astronomischen Arbeiten beehrte. (...) Es war ein Mann von höchstens vierzig Jahren mit vornehmer Haltung und leidenschaftslosen Mienen, welche seinen Charakter nicht erkennen ließen. Im Vergleich dazu Mays Walpole: [Dieser] war einer jener schweigsamen, zugeknöpften Englischmens, welche alle Winkel der Erde durchstöbern, selbst die entferntesten Länder unsicher machen, die größten Gefahren und Abenteuer mit unendlichem Gleichmuthe bestehen und müde und übersättigt endlich die Heimath wieder aufsuchen, um als Mitglied irgend eines berühmten Reiseclubbs einsilbige Bemerkungen über die gehabten Erlebnisse machen zu dürfen. Er hatte den Spleen in einem solchen Grade, daß seine lange, schmächtige, dabei aber außerordentlich kraftvolle Persönlichkeit nur in höchst seltenen Augenblicken einen kleinen Anflug von Genießbarkeit zeigte (...)

Ein weiterer interessanter Aspekt ist noch, daß die Ferry-Figur Sir Frederik Wanderer aus dem 'Waldläufer' zwar auch durchaus etwas exzentrisch, keineswegs aber derart skurril gezeichnet ist, wie Mays Sir William Wallerstone [nicht etwa Wallerstein, wie ich oben versehentlich schrieb, der deutschsprachige Name ist den Juwelier und Firegun-Bruder vorbehalten, wobei allerdings - was im Figurenlexikon nicht erwähnt wird - bereits auch schon in 'Auf der See gefangen' der junge Wallerstein von Peter Polter mit der anglisierte Namensvariante Wallerstone angesprochen wird]. So ist Ferrys Lord ganz unauffällig in einen mexikanischen Anzug gekleidet, während Mays bearbeitete Figur in den obligatorischen Karomuster gekleidet ist: Der Mann war jedenfalls einer jener englischen Sonderlinge, die sich im Vertrauen auf die Macht ihrer Regierung mit ihrem Spleen und all ihren Eigenthümlichkeiten in die verborgensten Winkel selbst der entlegensten Länder wagen.. Von May stammt auch die Idee, den Vertreter des britischen Hochadels als Freiluft-Maler vorzuführen, der dabei vorgefühte ambulanten Feldstuhle, welcher zusammengelegt einen Gehstock bildete, ist dann auch der Vorläufer der Chair-and-umbrella- pipe, von Lord Raffley sowie des Umbrella-, musik- and smoking- chair des Reporters Robinson. Ferner läßt May mit Sir Wallerstone erstmals einen seiner Engländer eine Adresse zitieren: "Macht Euch fertig. Wir kehren nach Worchester, Hallstreet 26, zurück."
Zuletzt geändert von Thomas Schwettmann am 20.1.2005, 13:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Helmut
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Beitrag von Helmut »

Hallo Sophie,
da war noch die Frage nach der zeitlichen Einordnung von "Weihnacht".
Nach der "eigentlichen Chronologie" müsste es eigentlich vor Winnetou III gehören, weil ja da W noch lebt, aber May hat sich eben an solche Logik nicht gehalten. (Wenn er Winnetou gebraucht hat, dann hat er eben gelebt.)
In "Weihnacht" hat er bewusst seine eigene Biographie mit eingebracht (begonnen hat er damit wohl im Surehand III [orig] und S& I), und deshalb führt dieses Buch m.E. zu seinem sog. "Spätwerken".
Deshalb finde ich die "späte" Einordnung durchaus richtig.

Gruß, Helmut
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