Auf dem Teppich (bleiben) ...

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rodger
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Auf dem Teppich (bleiben) ...

Beitrag von rodger »

... oder auch Von verschiedenen (Lese-) Ebenen ...

(Für vernünftige Überschriften ist das entsprechende Eingabefeld nicht angelegt, man muß dann ggf. splitten. Man denke sich die Pünktchen hinter "(bleiben)" und vor "oder auch" weg und das Ganze als eine Überschrift.)

Heute morgen sah ich die Überschrift „Der Teppichschatz“ (aus dem Band „Der Riesenochsenfrosch“) zu (vermutlich) der Passage um den Erzähler und die vollschlanke Färbersgattin in „In den Schluchten des Balkan“.

Zunächst gefiel mir die Überschrift nicht. Ich sann nach einer Alternative und kam spontan auf „Ein überlasteter Esel“ und „Eine Dame, ein Kavalier und ein Esel“ …

Diese Titel, bei denen ich zunächst wirklich nur an die Überlastung des Tieres durch das Gewicht der Frau gedacht hatte, lösten nun indes weitere Gedankenspielereien aus …

Das Ganze spielt ja sinnigerweise in einem unzugänglichen und von außen nicht einsehbaren Gebüsch. Unser Kavalier vermag die Dame mit Rat und Tat zu beeindrucken, und man ist sich einig, der Mitwelt nichts von dem Geschehenen zu verraten …

Und diese Teppiche … hätte das Ganze, noch eine Möglichkeit, zwar in einem Gebüsch spielen können, geschah aber realiter auf einem Teppich einer bürgerlichen Wohnstube ?

Liebe Leut', ich mach' gerade keinen Quatsch, ich halte durchaus für möglich, daß Karl May uns hier einmal mehr verklausuliert „einen vom Pferd“ oder auch „rein deutsche Begebenheiten in persischem (oder sonst was für einem) Gewande“ erzählt, bin allerdings erst heute morgen auf den geschilderten Umwegen darauf gekommen …

Kürzlich sah ich zum wiederholten Mal den wirklich zutiefst beeindruckenden Film „Unter den Brücken“ (er wird heute nacht übrigens auf Hessen 3 wiederholt). Da geschieht zwischen den Liebes-Leuten sozusagen gar nichts. Alles spielt sich nur in den Augen ab. Kann einen aber sozusagen bis in die Grundfesten erschüttern, viel mehr, als wenn (Verzeihung, Herr Oberpostrat, hier geht es nur ums Veranschaulichen) sie gleich auf dem Küchentisch oder im Stehen an der Wand übereinander hergefallen wären, wie das in zeitgenössischen Verfilmungen oder Theateraufführungen an den entsprechenden Stellen zu erwarten wäre … Nein, das braucht es alles nicht. Die in den Augen erkennbaren Abgründe sind viel spannender …

Und so ist das auch bei Karl May. Er durfte damals nicht so schreiben wie Henry Miller oder Philip Roth, obwohl ihm da sicher einiges an erfreulichen Formulierungen gelungen wäre (ich trau' mich leider nicht, entsprechende Sequels zu schreiben …). Wir müssen uns das alles denken. Bei Abrahim Mamur z.B. Da knistert’s sozusagen im Gebälk, und das reicht auch völlig. Und die Sache mit der Dame und den Teppichen im Gebüsch lese ich in diesem Zusammenhang ab heute mit anderen Augen … und finde insofern die Überschrift „Der Teppichschatz“ mittlerweile wieder gar nicht so schlecht …

(Kein Smiley. Nur einen gedachten. Sonst denken sie wieder achso er macht doch Quatsch.)
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