Karl May trifft zwei Verleger
Verfasst: 5.1.2005, 21:34
Da ist Menschlichkeit, Charakter, diesen Mann wird er mögen, der liegt ihm, das spürt er gleich, als der Fremde aus dem Zug steigt. Dieses freundliche, offene Lächeln, die Natürlichkeit, mit der er mit ausgebreiteten Armen auf ihn zugeht. „So muß mein Verleger aussehen“, sagt er spontan und und breitet seinerseits die Arme aus, und ein Strahlen erscheint auf seinem Gesicht, die echte Herzlichkeit springt über, so was spürt er sofort, und Vertrauen stellt sich gleich ein. Das Gesicht ist gut, die Augen. Güte, Weichheit. Dem gebe ich mein Werk, denkt er, das ist der richtige. Der wird sich in den Dienst der Sache – meiner Sache –stellen. Und er soll recht behalten. Leider auch darin, dass er gleich den Eindruck hat, der ist lieb, aber irgendwie schwach. Der wird zu allem Ja und Amen sagen, aus Verehrung und Liebe, und nicht erkennen, wann er rechtzeitig einschreiten muß. Und das wird, viel später, fatale Folgen haben.
Knapp zwanzig Jahre sind vergangen, als ein Besucher mit einem angedeuteten Bückling die Villa Shatterhand betritt. „Etwas fettig, an Leib und Seele“ denkt er als erstes, und eine wie kalkulierte Mischung aus Unterwürfigkeit und selbstbewusstem Auftreten entgeht ihm auch nicht. Nicht gerade angenehm, denkt er. Aber der Mann hat ganz interessantes geschrieben in den Briefen, die er mit ihm gewechselt hat, und sich freundlicherweise für ihn eingesetzt, er wird ihn sich mal anhören. Was soll’s, denkt er, schlecht genug steht’s um mich, schaden kann er mir wohl nicht.
Der Besucher spricht auf ihn ein, führt das Wort, setzt sich und seine Gedanken und Ansichten über die seines Gastgebers, ungestüm, da ist starker Wille, und eine gewisse Begrenztheit. Vieles hat er offenbar auch verstanden und kennt das Werk, von dem er spricht, recht gut („Sie sollten mein Verleger werden“ entfährt es May zwischendurch mal, augenzwinkernd und gutmütig), nur zu den letzten Dingen, da fehlt ihm der Zugang. Und gerade diese Dinge sind es doch, die für den Dichter jetzt so wichtig sind.
Auch sehr hemdsärmelig und unfeinfühlig kommen die Gedanken des Besuchers daher, wenn er von seinen Plänen spricht. Vom „Absäbeln von Busen“ spricht er doch tatsächlich und sieht ihn dabei mit einer derart schweinsäugeligen Pfiffigkeit und Freude an der eigenen vermeintlichen Originalität an, dass es ihm unwohl wird, der Gastgeber wird sehr ernst, etwas starr, förmlich… „Nun, junger Mann, denken Sie einfach noch einmal in Ruhe über diese Dinge nach …“ Von der Sache her gibt er ihm wohl recht, die Kolportageromane müssen entschärft werden, für die damalige Zeit; aber die Art, wie der das vorträgt, so selbstgefällig und bauernschlau, da liegen Welten zwischen den Mentalitäten, der Mann liegt ihm einfach nicht.
Später erhält er einen Brief, den sein Besucher geschrieben hat. „Ich bin der größte Gegner von Ibsen“, muß er da beispielsweise lesen, „spreche ihm jegliche Daseinsberechtigung ab, weil er das Drama durch seine ‚tiefsinnigen’ melancholischen krankhaften Wahnideen verhunzt hat, weil er das Volk verdirbt und unglücklich zu machen sucht“, heißt es weiter.
Er schüttelt den Kopf. Von diesem Ibsen hat er gerade kürzlich ein Stück gesehen, auch für ihn sind diese neuen Dinge ungewohnt, und er selber sperrt sich noch gegen allzu neues, aber er hat gemerkt, dass da etwas kommt, eine neue Entwicklung, und er hat gespürt, dass das etwas ist, und auch für ihn gewesen wäre, wäre er noch jung genug. Aber der Briefschreiber, der ist doch jung, und schon so altbacken festgelegt, nein, das ist nicht das Format, dass er sich für seinen Verleger wünscht. „Leben heißt, dunkler Gewalten Spuk bekämpfen in sich; Dichten, Gerichtstag halten über das eigene Ich“ hat dieser Ibsen doch mal geschrieben, das passt so wunderbar auf ihn selbst.
Und dann diese Dreistigkeit, ihm sagen zu wollen, es sei wohl nicht so das richtige mit dem Alterswerk, unglaublich. Wo der andere zuwenig kritische Distanz hatte, hat dieser zuviel. Gut gemeint scheinen sie ja zu sein, die Zeilen, und er will es mal der Jugendlichkeit und gewissen Beschränktheit des Schreibers zugutehalten, was er da lesen muß. Er ist auch weicher geworden und kann eigentlich kaum noch einem so wirklich böse sein. Aber der als Verleger, nein, das denn nun doch nicht. Hoffentlich nimmt Klara die flapsige Bemerkung von neulich nicht ernst und richtet noch Unheil an später, manchmal sieht sie halt die Dinge nicht klar genug, und könnte dazu neigen, sich beschwatzen zu lassen…
Später besucht er den Mann in Stuttgart, anlässlich einer Reise. Nachts träumt er. Er sieht immer wieder das Gesicht dieses Menschen, und hört die Stimme. Der hat das Zeug zur Macht, spürt er. Der setzt sich durch. Der bewegt was. Das erschreckt ihn, und das reizt ihn. Er sieht Druckmaschinen, er sieht Werbeblätter, er sieht Scharen von Jugendlichen an den Auslagen stehen und sich die Nase plattdrücken. Er sieht die grünen Bände zu tausenden, zigtausenden, Millionen … Sieht diesen Mann mit Klara sprechen, mit den Union-Leuten, mit Münchmeyers Erben. Spürt die Kraft, die dieser Mann hat. Und dass da etwas unaufhaltsam in Bewegung kommt.
Sieht ihn auch am Schreibtisch sitzen, feilen, verändern. Sieht mit Schrecken, dass sein Stil, der unvergleichliche, geopfert wird, das ist nicht mehr er, was da jetzt überall steht, das sind seine Geschichten, aber nicht mehr in seinen Worten. Und teilweise sind es nicht mal mehr seine Geschichten …
Aber diese Mengen Bücher, die Schaufenster … Er sieht, wie Festspiele gegründet werden, unter seinem Namen, sieht Transparente, Plakate, sieht Tausende strömen …Später sitzen sie in den Lichtspielhäusern, in allen Illustrierten steht sein Name, oft auf der Titelseite.
Das reizt ihn. Das fasziniert. Das ist ein schweres Ringen. Soll das so sein, dass alle ihn kennen, auf Kosten seines wahren Werkes ? Doch noch einmal so populär und in aller Munde sein … Er wälzt sich herum.
Und dann träumt er weiter. Von einer Flamme, die auszugehen droht. Für immer zu erlöschen droht. Und dann sieht er das Gesicht seines Besuchers über der Flamme, sieht ihn die Hände schützend um die Flamme breiten. Sie gefallen ihm nicht, diese Hände. Aber ohne sie würde diese Flamme für immer verlöschen. So wird daraus ein Feuer angefacht werden, ein gewaltiges, und auch das ursprüngliche Licht wird erhalten werden und erhalten bleiben. Auch nach über hundert Jahren noch, für die, die sich von dem Feuerzauber und -spektakel drum herum nicht blenden lassen, und den wahren Kern erkennen.
Und so ist es doch mit allem, sieht er. Die Kirchen, die Theater, Gottes oder Dichters Wort kommt allenthalben in doch merkwürdiger Verkleidung, arg verfremdet daher, so muß es wohl sein für die Massen, und die wenigen, die es richtig verstehen, werden es schon unter all dem Mummenschanz heraushören. Das tröstet ihn, und der Gedanke an ungeheure Popularität reizt ihn. Sehr gemischt sind seine Gefühle, aufgewühlt ist er, als er mit schwacher, heiserer Stimme sagt „Klara, laß es ihn machen.“
Da erwacht er. Zittrig, bleich. Er geht zum Spiegel, ist tief nachdenklich. So hat er sich das alles nicht vorgestellt. Aber er weiß, dass es so kommen wird. „Geht es nur so,“ fragt er sich, „geht es nur so …“
Er kommt zu Lebzeiten zu keiner Antwort mehr.
Knapp zwanzig Jahre sind vergangen, als ein Besucher mit einem angedeuteten Bückling die Villa Shatterhand betritt. „Etwas fettig, an Leib und Seele“ denkt er als erstes, und eine wie kalkulierte Mischung aus Unterwürfigkeit und selbstbewusstem Auftreten entgeht ihm auch nicht. Nicht gerade angenehm, denkt er. Aber der Mann hat ganz interessantes geschrieben in den Briefen, die er mit ihm gewechselt hat, und sich freundlicherweise für ihn eingesetzt, er wird ihn sich mal anhören. Was soll’s, denkt er, schlecht genug steht’s um mich, schaden kann er mir wohl nicht.
Der Besucher spricht auf ihn ein, führt das Wort, setzt sich und seine Gedanken und Ansichten über die seines Gastgebers, ungestüm, da ist starker Wille, und eine gewisse Begrenztheit. Vieles hat er offenbar auch verstanden und kennt das Werk, von dem er spricht, recht gut („Sie sollten mein Verleger werden“ entfährt es May zwischendurch mal, augenzwinkernd und gutmütig), nur zu den letzten Dingen, da fehlt ihm der Zugang. Und gerade diese Dinge sind es doch, die für den Dichter jetzt so wichtig sind.
Auch sehr hemdsärmelig und unfeinfühlig kommen die Gedanken des Besuchers daher, wenn er von seinen Plänen spricht. Vom „Absäbeln von Busen“ spricht er doch tatsächlich und sieht ihn dabei mit einer derart schweinsäugeligen Pfiffigkeit und Freude an der eigenen vermeintlichen Originalität an, dass es ihm unwohl wird, der Gastgeber wird sehr ernst, etwas starr, förmlich… „Nun, junger Mann, denken Sie einfach noch einmal in Ruhe über diese Dinge nach …“ Von der Sache her gibt er ihm wohl recht, die Kolportageromane müssen entschärft werden, für die damalige Zeit; aber die Art, wie der das vorträgt, so selbstgefällig und bauernschlau, da liegen Welten zwischen den Mentalitäten, der Mann liegt ihm einfach nicht.
Später erhält er einen Brief, den sein Besucher geschrieben hat. „Ich bin der größte Gegner von Ibsen“, muß er da beispielsweise lesen, „spreche ihm jegliche Daseinsberechtigung ab, weil er das Drama durch seine ‚tiefsinnigen’ melancholischen krankhaften Wahnideen verhunzt hat, weil er das Volk verdirbt und unglücklich zu machen sucht“, heißt es weiter.
Er schüttelt den Kopf. Von diesem Ibsen hat er gerade kürzlich ein Stück gesehen, auch für ihn sind diese neuen Dinge ungewohnt, und er selber sperrt sich noch gegen allzu neues, aber er hat gemerkt, dass da etwas kommt, eine neue Entwicklung, und er hat gespürt, dass das etwas ist, und auch für ihn gewesen wäre, wäre er noch jung genug. Aber der Briefschreiber, der ist doch jung, und schon so altbacken festgelegt, nein, das ist nicht das Format, dass er sich für seinen Verleger wünscht. „Leben heißt, dunkler Gewalten Spuk bekämpfen in sich; Dichten, Gerichtstag halten über das eigene Ich“ hat dieser Ibsen doch mal geschrieben, das passt so wunderbar auf ihn selbst.
Und dann diese Dreistigkeit, ihm sagen zu wollen, es sei wohl nicht so das richtige mit dem Alterswerk, unglaublich. Wo der andere zuwenig kritische Distanz hatte, hat dieser zuviel. Gut gemeint scheinen sie ja zu sein, die Zeilen, und er will es mal der Jugendlichkeit und gewissen Beschränktheit des Schreibers zugutehalten, was er da lesen muß. Er ist auch weicher geworden und kann eigentlich kaum noch einem so wirklich böse sein. Aber der als Verleger, nein, das denn nun doch nicht. Hoffentlich nimmt Klara die flapsige Bemerkung von neulich nicht ernst und richtet noch Unheil an später, manchmal sieht sie halt die Dinge nicht klar genug, und könnte dazu neigen, sich beschwatzen zu lassen…
Später besucht er den Mann in Stuttgart, anlässlich einer Reise. Nachts träumt er. Er sieht immer wieder das Gesicht dieses Menschen, und hört die Stimme. Der hat das Zeug zur Macht, spürt er. Der setzt sich durch. Der bewegt was. Das erschreckt ihn, und das reizt ihn. Er sieht Druckmaschinen, er sieht Werbeblätter, er sieht Scharen von Jugendlichen an den Auslagen stehen und sich die Nase plattdrücken. Er sieht die grünen Bände zu tausenden, zigtausenden, Millionen … Sieht diesen Mann mit Klara sprechen, mit den Union-Leuten, mit Münchmeyers Erben. Spürt die Kraft, die dieser Mann hat. Und dass da etwas unaufhaltsam in Bewegung kommt.
Sieht ihn auch am Schreibtisch sitzen, feilen, verändern. Sieht mit Schrecken, dass sein Stil, der unvergleichliche, geopfert wird, das ist nicht mehr er, was da jetzt überall steht, das sind seine Geschichten, aber nicht mehr in seinen Worten. Und teilweise sind es nicht mal mehr seine Geschichten …
Aber diese Mengen Bücher, die Schaufenster … Er sieht, wie Festspiele gegründet werden, unter seinem Namen, sieht Transparente, Plakate, sieht Tausende strömen …Später sitzen sie in den Lichtspielhäusern, in allen Illustrierten steht sein Name, oft auf der Titelseite.
Das reizt ihn. Das fasziniert. Das ist ein schweres Ringen. Soll das so sein, dass alle ihn kennen, auf Kosten seines wahren Werkes ? Doch noch einmal so populär und in aller Munde sein … Er wälzt sich herum.
Und dann träumt er weiter. Von einer Flamme, die auszugehen droht. Für immer zu erlöschen droht. Und dann sieht er das Gesicht seines Besuchers über der Flamme, sieht ihn die Hände schützend um die Flamme breiten. Sie gefallen ihm nicht, diese Hände. Aber ohne sie würde diese Flamme für immer verlöschen. So wird daraus ein Feuer angefacht werden, ein gewaltiges, und auch das ursprüngliche Licht wird erhalten werden und erhalten bleiben. Auch nach über hundert Jahren noch, für die, die sich von dem Feuerzauber und -spektakel drum herum nicht blenden lassen, und den wahren Kern erkennen.
Und so ist es doch mit allem, sieht er. Die Kirchen, die Theater, Gottes oder Dichters Wort kommt allenthalben in doch merkwürdiger Verkleidung, arg verfremdet daher, so muß es wohl sein für die Massen, und die wenigen, die es richtig verstehen, werden es schon unter all dem Mummenschanz heraushören. Das tröstet ihn, und der Gedanke an ungeheure Popularität reizt ihn. Sehr gemischt sind seine Gefühle, aufgewühlt ist er, als er mit schwacher, heiserer Stimme sagt „Klara, laß es ihn machen.“
Da erwacht er. Zittrig, bleich. Er geht zum Spiegel, ist tief nachdenklich. So hat er sich das alles nicht vorgestellt. Aber er weiß, dass es so kommen wird. „Geht es nur so,“ fragt er sich, „geht es nur so …“
Er kommt zu Lebzeiten zu keiner Antwort mehr.