Jutta Laroche hat geschrieben:
Ich kenne mich mit Sherlock Holmes nicht so gut aus. In Reinhard Marheineckes Buch ist er aber noch kein berühmter Detektiv, sondern ein junger Schauspielschüler.
Theoretisch - sehr theoretisch - wäre dies sicher eine Möglichkeit.
Zunächst einmal genügt Doyle bei der Chronologie seiner Sherlock-Holmes-Geschichten wobei der Autor auch nur selten Jahresangaben nennt) auch keinem Anspruch von präzisen und widerspruchslosen Angaben. Anders als May wurde er aber deshalb nicht bearbeitet.
Als Eckdatum für Holmes Geburt gilt 1953/54, da Old Sherlock in
His Last Bow genau 60 Jahre alt ist, und dieses Abenteuer am Vorabend des ersten Weltkieges auf genau 1914 zu datieren ist. Dann gibt es einen 'ersten Fall', das Abenteuer um die
Gloria Scott, dessen sich Holmes während seiner Jahre auf dem College annimmt. Bei diesem Fall wird nun präzise angegeben, daß dieses Erlebnis Holmes zukünftige Laufbahn als Detektiv anstieß. Dieser Fall läßt sich aus der Erzählung heraus zwar präzise datieren, doch ist das Datum in keinster Weise mit den übrigen Erzählungen in Einklang zu bringen. Die Geschehnisse um das Schiff 'Gloria Scott' werden in der Rückschau von einem Seemann erzählt, der seinerseits die Geschichte auf gut 30 Jahre zurück datiert und dabei als Zeitpunkt 1855, während des den Krimkrieges, nennt. Das würde den 'ersten Fall' Sherlock Holmes auf ca. 1885 datieren.
Dann aber würde Holmes nicht nur ein Dauerstundent von über 30 Jahren gewesen sein, sondern jede Menge anderer Fälle, die direkt oder indirekt eindeutig davor datiert sind, wie zum Beispiel das in 'A Study in Scarlett' geschildrte erste Zusammentreffen von Holmes und Watson. Stattdessen wird in der zahlreichen Sekundärliteratur zum Meisterdetektiv davon ausgegngen, daß nicht 1885 sondern 1875 gemeint sein müßte und Watson - bzw. Doyle als dessen literarischer Agent - sich bei seinen Aufzeichnungen vertan habe, da dieses auch mit der auch durch andere Angaben begründeten Vermutung, Sherlock Holmes hätte sein College etwa von 1872-76 besucht, übereinstimmt.
Lange Rede, kurzer Sinn. Trotz aller möglichen Schwierigkeiten, die Holmes Chronologie bildet, daß Sherlock bereits vor 1875 in irgendwelche kriminalistischen Aktivitäten verwickelt worden sein könnte, erscheint in der orthodoxen Sichtweise der Holmesiologie nicht sehr wahrscheinlich. Ferner ist trotz seines späteren Hanges zu perfekten Verkleidungen und seiner Verbundenheit zu der Schauspielerin Irene Adler - jedenfalls soweit mir jetzt erinnerlich - nirgends erwähnt, daß er je Schauspielschüler war, auch ist ein früher Amerikabesuch nirgends erwähnt.
Davon ungeachtet gibt es natürlich jede Menge Sherlock-Holmes-Pastiches - ja selbst Filme, wo auch dem jugendlichen Sherlock schon ein erhebliches Maß an dedektivischen Fähigkeiten angeheftet wird.
Aber wie schon gesagt, es gibt Fan-Fiction, die sich um die feineren Details nicht kümmern und nicht zu kümmern braucht, da diese den meisten ihrer Lesern eh schnuppe sind. Da reicht sicherlich eine grobe Übereinstimmung, wie sie auch im Falle des ermordeten Namesvetters von Lord Peter Wimsay (nicht zufällig ein Großvater, der mit der eigenen Monokelschnurr an seinem Rolly angebunden wurde?) gegeben ist. Nur ist dies nicht die Art von Spin-Offs, die mir persönlich zusagen würde.