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Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 15:30
von Doro
Hermann Wohlgschaft hat geschrieben: Vielleicht kann es niemand lösen - nur Gott selbst am Jüngsten Tag ...
Vielleicht muss es auch gar nicht gelöst werden ...

Mensch muss nicht immer andere für sein Unvermögen verantwortlich machen wollen
rodger hat geschrieben:Der Ansatz ist schon falsch. Was wissen wir denn was gut ist. Nichts wissen wir.
*still in mich lächle und nicke* :wink:

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 15:50
von Hermann Wohlgschaft
Nein, so einfach ist das nicht. Ich denke an das bekannte, von Eugen Biser überlieferte Wort des im Sterben liegenden Religionsphilosophen Romano Guardini: Er werde sich im Endgericht "nicht nur fragen lassen, sondern auch selber fragen; er hoffe in Zuversicht, dass ihm dann der Engel die wahre Antwort nicht versagen werde auf die Frage, die ihm kein (...) Dogma und kein Lehramt und keine Theologie (...) habe beantworten können: Warum, Gott, zum Heil die fürchterlichen Umwege, das Leid der Unschuldigen, die Schuld?"

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 15:58
von rodger
Menschen meinen halt sozusagen albernerweise, die Maßstäbe, die sie aus ihrem kleinen Menschenbewußtsein heraus anlegen, seien in irgendeiner Weise maßgeblich ...

Ja, es gibt unendliches Leid, und das verstehen wir nicht oder mögen wir nicht verstehen. Aber wir müssen auch nicht alles verstehen ...

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 16:03
von rodger
Hatten wir auch schon mal hier im Forum, April 2010, unter "Noch eine Taverne", auch damals mit Thomas Math und Hermann Wohlgschaft, das Karussel geht immer immer rundherum ...

Nathan
Ihr traft mich mit dem Kinde zu Darun.
Ihr wißt wohl aber nicht, daß wenig Tage
Zuvor, in Gath die Christen alle Juden
Mit Weib und Kind ermordet hatten; wißt
Wohl nicht, daß unter diesen meine Frau
Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich
Befunden, die in meines Bruders Hause,
Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt
Verbrennen müssen.

Klosterbruder
Allgerechter!

Nathan
Als Ihr kamt, hatt' ich drei Tag' und Nächt' in Asch'
Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. -
Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet,
Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht;
Der Christenheit den unversöhnlichsten
Haß zugeschworen -

Klosterbruder
Ach! Ich glaub's Euch wohl!

Nathan
Doch nun kam die Vernunft allmählich wieder.
Sie sprach mit sanfter Stimm': »und doch ist Gott!
Doch war auch Gottes Ratschluß das! Wohlan!
Komm! übe, was du längst begriffen hast,
Was sicherlich zu üben schwerer nicht,
Als zu begreifen ist, wenn du nur willst.
Steh auf!« - Ich stand! und rief zu Gott: ich will!
Willst du nur, daß ich will!

(Lessing, Nathan der Weise)

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 19:43
von Hermann Wohlgschaft
Lessing ist ein Dichter und Philosoph der Aufklärungszeit, die die "Vernunft" viel höher bewertet als das Gefühl. Aber gehört zu unserem Leben denn wirklich nur die Vernunft? Meine emotionale Seite wehrt sich gegen die Auffassung, dass alles Schlimme in dieser Welt "Gottes Ratschluß" sei. Darin freilich hat Nathan Recht: Ob ich (trotz aller Unverständlichkeiten) an Gott glaube oder nicht, hängt von meiner existenziellen Entscheidung ab.

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 19:51
von rodger
... oder von meinem Gefühl ...

Solche Stellen wie die zitierte, will sagen, wesentliche Stellen, sind zeitlos und von irgendwelchen Einordnungen gänzlich unabhängig ...

Übrigens sehe ich in dieser Stelle keineswegs die sogenannte Vernunft im Vordergrund. Auch wenn da das Wort "Vernunft" im Text steht. Ich sehe das, was da geschildert wird, mehr als eine innere Stimme an, als Gefühl, als Eingebung.

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 19:57
von Hermann Wohlgschaft
O.k., dem kann ich zustimmen. :wink:

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 21:07
von Hermann Wohlgschaft
Um wieder zum Threadthema zu kommen: Ob die Theodizeefrage im "Buch der Liebe" ausdrücklich benannt wird, kann ich im Moment nicht sagen. Vielleicht klingt diese Frage im BdL nur indirekt an. In einem Streitgespräch zwischen Old Surehand und dem Alles-besser-Wisser OS (in 'Old Surehand I') geht es aber klar um das Theodizeeproblem. Für den Zweifler Old Surehand ist die Frage nach Gott angesichts des Übels in der Welt ein echtes Problem. Für den Oberchristen OS aber ist es kein Problem, weil er einfach 'weiß', dass Gott immer Recht hat und am Ende alles gut wird. Der Autor Karl May nun darf, gerade auch in diesem Falle, mit OS nicht einfach gleichgesetzt werden. Die Zweifel seines Old Surehand dürften, in gewisser Weise, auch die Zweifel des Autors gewesen sein - zumindest gelegentlich.

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 21:17
von rodger
OS hat Recht. (Ob Alles-besser-Wisser und Oberchrist oder nicht das bleibt sich gleich ...) Er ist schon ein Stück weiter als Old Surehand. (Man kann auch zurückfallen, ja, aber in dem Buch hat er halt die Nase vorn ...) (Obwohl das so eine Sache ist mit dem Buch. Ich erinnere mich an Stellen, die mir gar nicht gefallen haben. Ich weiß im Moment aber nicht auswendig welche.)

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 1.2.2014, 23:25
von Hermann Wohlgschaft
Herr Math ist da sicher anderer Meinung. Als vernünftiger Wissenschaftler steht er natürlich weit über Old Surehand 8) und noch viel weiter über OS (den ich in einem Anfall von Missgunst, sorry, einen Alles-besser-Wisser genannt habe). :wink:

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 2.2.2014, 7:20
von Thomas Math
Also mir gefallen weder der überhebliche und geschwätzige Old Shatterhand noch Old Surehand.Ich mag den ehrlichen alten Old Wabble.
Apropos Wissenschaftler sind immer vernünftig ansonsten sind es keine Wissenschaftler.(wobei ich die im Deutschen Geisteswissenschaften genannten Disziplinen nicht zu den Wissenschaften zähle.)
Ich hoffe ,dass rodger nicht von seine Emotionen übermannt wird ,aber da er dem Relativismus huldigt ist die Gefahr klein.

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 2.2.2014, 10:49
von Helmut
Thomas Math hat geschrieben:Also mir gefallen weder der überhebliche und geschwätzige Old Shatterhand noch Old Surehand.Ich mag den ehrlichen alten Old Wabble.
Apropos Wissenschaftler sind immer vernünftig ansonsten sind es keine Wissenschaftler.(wobei ich die im Deutschen Geisteswissenschaften genannten Disziplinen nicht zu den Wissenschaften zähle.)
Ich hoffe ,dass rodger nicht von seine Emotionen übermannt wird ,aber da er dem Relativismus huldigt ist die Gefahr klein.
Bei solchen Sprüchen fällt mir doch immer wieder Paul Lorenzen ein, der war Professsor für Mathematik und Philosophie (auch heutzutage keine so seltene Mischung); er sagte einst:
Es gibt eigentlich keinen Unterschied zwischen den Theologen und den Mathematikern, die einen glauben an Gott, die anderen an's "Zorn'sche Lemma!"
Helmut

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 2.2.2014, 10:54
von Helmut
(zur Erläuterung: das sog. "Zorn'sche Lemma" ist eines der rel. doch vielen Sätze der Mathematik, die nicht beweisbar sind, die man aber als gegeben (als Axiome) anerkennt, um widerspruchsfrei die Wissenschaft Mathematik weiter (be-)treiben zu können. Soviel zur (reinen) Vernunft der Wissenschaft.
Man kann (natürlich) auch Mathematik (be-)treiben, ohne an jenes "Lemma" zu glauben; das führt dann allerdings (auch widerspruchsfrei) zum Teil anderen Ergebnissen.)




Helmut

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 2.2.2014, 10:57
von rodger
Thomas Math hat geschrieben: Ich hoffe ,dass rodger nicht von seine Emotionen übermannt wird
Das geschieht relativ selten und im Moment besteht keinerlei Anlass. :D
(Übrigens muß man bewußt gesetzte Schroffheiten, klare Ansagen und Tacheles reden oder schreiben nicht für Anzeichen von überbordenden Emotionen halten ... diesem Irrtum sind im Laufe meiner Forenschreiberei schon andere aufgesessen ...)

Re: Das Buch der Liebe

Verfasst: 2.2.2014, 11:03
von rodger
Das Zorn'sche Lemma kenne ich zwar nicht, und im Moment habe ich auch keine Lust, nachzugoogeln und mich mit der vermutlich komplizierten Materie zu beschäftigen, aber es gibt auch andere Axiome in der Mathematik, die man durchaus in Frage stellen kann, z.B. daß 2 x 2 vier ist oder 1 + 1 zwei. Ich lernte schon vor vierzig Jahren: Een Buer is een Beest. Twee Buern sind dree Beester. (Für Nichtlateiner: Ein Bauer (Mensch) ist ein Biest. Zwei Bauern (Menschen) sind drei Biester.) Was ich im Laufe der folgenden vierzig Jahre durchaus bestätigt fand.

:D