Orientzyklus

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rodger
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Orientzyklus

Beitrag von rodger »

Markus (im anderen Thread) hat geschrieben:ich fange grad mal wieder an zum zweiten mal (so nach vier Jahren) den Orientzyklus [...] zu lesen
Kannst ja eine Art Leserunde hier führen ... ich mache aus der Erinnerung mit. Ich weiß nicht, wie oft ich die sechs Bände mittlerweile gelesen habe, zehn mal, zwölf mal, fünfzehn mal ...

Ich finde ja ab dem vierten Band läßt der Reiz zunehmend und kontinuierlich nach.

Aber was ist schöner als mit Kara Ben Nemsi = Karl May die sonnenbeschienene Wüste zu betreten, Aufbruch zu allerhand Abenteuern, nicht zuletzt dem der Auseinandersetzung mit sich selber ... (die 'Bösen' sind gleichsam alle Karl May - Varianten. Und warum heißt wohl der Schut Kara Nirwan ... Ja, er hat von Anfang an symbolisch geschrieben.) (Und dann sprechen die Herrschaften Philister von Schwarz und Weiß ... Ja, schön herausdestilliert, die Anteile, gell ?)
markus
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Re: Orientzyklus

Beitrag von markus »

rodger hat geschrieben:Ich finde ja ab dem vierten Band läßt der Reiz zunehmend und kontinuierlich nach.
Und Pleticha schreibt im Vorwort der Weltbildausgabe von "Durch die Wüste" dazu folgendes:
"...ist die Reise durch den Balkan - also die Bände 4 bis 6 - in sich geschlossener als die Reise durch Nordafrika und den Vorderen Orient."
Kann man nicht abstreiten, ist aber natürlich auch keine klare Aussage über die Qualität. Wie immer (oder meist) alles Geschmacksache.
rodger hat geschrieben:Aber was ist schöner als mit Kara Ben Nemsi = Karl May die sonnenbeschienene Wüste zu betreten, Aufbruch zu allerhand Abenteuern, nicht zuletzt dem der Auseinandersetzung mit sich selber ... (die 'Bösen' sind gleichsam alle Karl May - Varianten. Und warum heißt wohl der Schut Kara Nirwan ... Ja, er hat von Anfang an symbolisch geschrieben.) (Und dann sprechen die Herrschaften Philister von Schwarz und Weiß ... Ja, schön herausdestilliert, die Anteile, gell ?)
Karl May unterhält sich im Grunde mit sich selber (und einigen Personen aus seiner Umgebung und Fantasiegestalten).

Auf jeden Fall ist der Orientzyklus mit das beste was May je geschrieben hat (auf jeden Fall was ich bisher von ihm gelesen habe). :D
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

markus hat geschrieben:Karl May unterhält sich im Grunde mit sich selber
Ein sehr zutreffender Satz ... und auch den kann man so oder so sehen ... Z.B. so ("Er war durch den fortwährenden Umgang mit sich selber grenzenlos verwöhnt worden"; Wilhelm Raabe über einen anderen) oder so: Egomanie, um sich selber kreisen, den Blick für die Realität verlieren ...

8)

(War ihm alles bewußt, th'is clear ...)
markus hat geschrieben:Auf jeden Fall ist der Orientzyklus mit das beste was May je geschrieben hat (auf jeden Fall was ich bisher von ihm gelesen habe). :D
Die ersten drei Bände sind absolut top, insbesondere der erste und der dritte ... da kriege ich mich nach wie vor sozusagen gar nicht mehr ein ... (da fällt mir doch gleich wieder dieses Gedicht ein, 'Ich kehre heim' heißt's ...)
markus
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Re: Orientzyklus

Beitrag von markus »

Eine Frage an die Experten ("Auch du mein Lehrer Rüdiger..." :mrgreen: ): May plante ja laut Pleticha von Anfang an keinen Reiseroman im engeren Sinne, sondern reihte Episoden geographisch geordnet für die Zeitschriftenausgabe des deutschen Hausschatzes aneinander. Also war von Beginn an nicht klar daß die einzelnen Episoden irgendwann mal zusammengehören, wie aus einem Guß geschrieben aussehen sollen. Somit stellt sich mir die Frage ob der Mord im Wadi Tarfaui auch in der Hausschatz-Version vorkommt, denn dieser Mord und dessen Aufklärung zieht sich ja wie ein roter Faden durch den Zyklus (zwischendurch natürlich mal ganz fallen gelassen, über mehrere Bände fast und eigentlich gehts ja um was ganz anderes als um Mord in diesem Romanzyklus, ich weiß ja). Aber wenn May ursprünglich nicht wußte worauf er hinaus wollte, macht auch so ein Mord wenig Sinn. Oder irre ich mich und ich nehme das zu genau mit dem episodenhaften Charakter der Hausschatz-Version.

(Einen ähnlichen Faden gibts ja in der Winnetou-Trilogie in der Gestalt des Santer.)
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

markus hat geschrieben: Und Pleticha schreibt im Vorwort der Weltbildausgabe von "Durch die Wüste" dazu folgendes:
"...ist die Reise durch den Balkan - also die Bände 4 bis 6 - in sich geschlossener als die Reise durch Nordafrika und den Vorderen Orient."
Den Texten Heinrich Pletichas, Friede sei mit ihm, in den Weltbild-Bänden konnte ich, dezent ausgedrückt, nie allzuviel abgewinnen ... Schreibt er in Sachen Rio de la Plata über Oberschicht in Südamerika rauf und runter in allen Einzelheiten ... ja merkt er denn nicht, daß mit der feinen Abendgesellschaft da in Übersee Neureichs in Sachsen gemeint sind und sonst niemand, habe ich mich gefragt ...

Ob in sich geschlossener oder nicht das bleibt sich gleich, wenn Fleisch & Blut & Seele fehlt bzw. abnehmend vertreten ist ...
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

markus hat geschrieben: Somit stellt sich mir die Frage ob der Mord im Wadi Tarfaui auch in der Hausschatz-Version vorkommt

Oder irre ich mich und ich nehme das zu genau mit dem episodenhaften Charakter der Hausschatz-Version.

(Einen ähnlichen Faden gibts ja in der Winnetou-Trilogie in der Gestalt des Santer.)
Der Mord kommt vor. Es gibt überhaupt keine wesentlichen Änderungen zwischen der Hausschatzfassung und der Buchausgabe. Kann man auf den Seiten der KMG gut nachprüfen.

Es sind zwar aneinandergehängte Episoden, aber es gibt wie gesagt kaum einen Unterschied zwischen Zeitschriften- und Buchausgabe. Es war hier wie dort so.

Bei Winnetou ist der Fall anders gelagert. Da wurde allerhand zusammengebastelt und hinzugeschrieben. Beim Orientzyklus nicht.
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Re: Orientzyklus

Beitrag von markus »

Es passte also alles gut zusammen in Sachen Orientzyklus. Aber ich denke ein bischen hatte er sich schon Gedanken gemacht als er anfing zu schreiben, ein grobes Muster jedenfalls hatte er im Kopf.
Bei Winnetou ist es ja wirklich anders, da sind es Einzelerzählungen die so gut wie nichts miteinander zu tun haben. Daher auch "Winnetou I" den er ganz neu schrieb (am liebsten hätte er ja alle drei neu geschrieben, aber das wissen wir ja).

*

Zurück zum Thema: Ja da begegnen wir ja die viel gerühmte Taschenuhr. Und Halefs Stute triefte nach einem anstrengenden Ritt von Schweiß und der Schaum flog ihr in großen Flocken von dem Maule (zu Beginn der Winnetou-Trilogie liest man ähnliches). Diese Schaumflocken begegnen wir noch öfters in Mays Werk. Man fühlt sich halt durch bestimmte Begrifflichkeiten und Redewendungen bei ihm heimisch :wink: .

8)
markus
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Re: Orientzyklus

Beitrag von markus »

Zur Einstimmung auf den Orient (ich hoffe ich mach dir den Thread damit nicht kaputt Rüdiger), eine schöne Nummer von Robert Stolz:

http://www.youtube.com/watch?v=EE4hKN8flIs

Ein bischen Verklärung schadet nicht. :D
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Tobias K.
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Re: Orientzyklus

Beitrag von Tobias K. »

Dann ergänze ich (quasi als Versönungsgeschenk) mal um das wunderbare kleine Stück Programmusik von Borodin:

http://www.youtube.com/watch?v=7SXDu3FkgwE

Damits keiner googlen muß: Borodin beschrieb nur mit Musik das Zusammentreffen einer Karawane mit einem Trup russischer Soldaten. Und verwebt die Themen gekonnt und vor allem: erzählt tatsächlich in zeitlichem Aufeinanderfolgen, Aneinandervorbeiziehen und Wiederentfernen...
"So scheint mein Rohr besser zu sein als das Eurige, obgleich es viel kleiner ist."
[Der Schatz im Silbersee, 217.]

"Der Deutsche pflegt zwar albern, aber auch ehrlich zu sein."
[Der Sohn des Bärenjägers, 508.]
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

markus hat geschrieben:ich hoffe ich mach dir den Thread damit nicht kaputt
Das ist doch DEIN Thread, Deine Leserunde ... ich hab' Dir nur sozusagen hineingeholfen ... aber das "führen" im ersten Beitrag, an das ich mich ohne Nachzugucken erinnere, stand da ganz bewußt ("ich mach' mir zuhause immer schon so Gedanken, könn' se sich ja denken"; HDH) und war auch so gemeint ... DU liest ja derzeit den Orientzyklus ...

8)
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

Robert Stolz ... Kindheitserinnerung ... gab schöne Musiksendungen damals ... ziemlich spießig, ok ... aber heut' siehste doch fast nur noch Schlabberkram ... jede Zeit hat ihre Vor- und Nachteile ...
Zuletzt geändert von rodger am 5.1.2011, 14:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

Borodin ... am Anfang dachte ich zunächst an 'Spiel mir das Lied vom Tod' und dann an Gustav Mahler ...
das Zusammentreffen einer Karawane mit einem Trup russischer Soldaten. Und verwebt die Themen gekonnt und vor allem: erzählt tatsächlich in zeitlichem Aufeinanderfolgen, Aneinandervorbeiziehen und Wiederentfernen...
So ist das im Leben ... nicht nur mit Karawanen und Soldaten ...
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Doro
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Re: Orientzyklus

Beitrag von Doro »

rodger hat geschrieben: Ein sehr zutreffender Satz ... und auch den kann man so oder so sehen ... Z.B. so ("Er war durch den fortwährenden Umgang mit sich selber grenzenlos verwöhnt worden"; Wilhelm Raabe über einen anderen) oder so: Egomanie, um sich selber kreisen, den Blick für die Realität verlieren ...
Oder auch ...
... sich selber besser (er)kennenlernen ... 8)

Wobei sich hier keinesfalls das eine vom anderen ausschließt (en muss) :wink:
People may hate you for being different and not living by society’s standards, but deep down they wish they had the courage to do the same. (Kevin Hart)
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rodger
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Re: Orientzyklus

Beitrag von rodger »

Doro hat geschrieben:Oder auch ...
... sich selber besser (er)kennenlernen ...
Richtig ...

... wer einen kennt, kennt alle ... dieser Satz wird ja manchmal dummerweise auf Karl-May-Romane angewendet ... kann man besser auf den Menschen anwenden ... da sind wir wieder bei 'Das Karl May -Problem ist das Menschheitsproblem' ...

(zur obigen Schreibweise mit einmal Leerzeichen und einmal Bindestrich, daran störte sich in einem Jahrbuch seinerzeit ein gewisser Herr Stolte; falls er noch sozusagen von oben mitlesen sollte, ich find's halt schöner so ... bzw., mal so, mal so, je nachdem wie man's gerade fühlt bzw. es einem halt gerade in die Tastatur fließt ... wer wird sich bei solchen Sachen auf banale einheitliche Regelungen beschränken wollen ...)
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Helmut
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Re: Orientzyklus

Beitrag von Helmut »

Also in der Urfassung des "Orient-Zyklus" im Hausschatz vergingen von dem Beginn (natürlich mit dem "berühmten Dialog" und anschließendem Toten im Wadi) (erschienen1881) bis zum Ende (des Schuts) (erschienen 1886) mindestens 5 Jahre. Und nicht nur diese Zeitspanne, sondern auch, dass May in dieser Zeit ein groß Teil seiner "Kolportagearbeit" abschuftete, verursachte natürlich ein wesentliche Schwankungsbreite der literarischen "Qualität" dieses Werkes, wenn man eingedenk dessen überhaupt noch von einem Werk reden kann (deshalb vermeide ich ja immer den Begriff "Zyklus", bzw. setze ihn in "").
Ein kleines, aber doch wesentliches "Einsprengsel" gibt es ja doch, nämlich die "Befreiung Senitzas", die ursprünglich "Leilet" hieß, und in einer gleichnamigen Erzählung vorher erschienen war. (Dies ist wohl einer Geschichte Hauffs "entlehnt".) May hat dann für die Einarbeitung in "Giölgeda padischanün" (so der ursprüngliche Titel der ersten und einiger der folgenden Teil im "Hausschatz") für die Aufnahme in dieser "sehr katholischen" Zeitschrift geglaubt die Liebesgeschichte herauszuschreiben, und so befreit er Senitza für den jungen Schnösel Isla ben Maflei, statt (wie es sich gehörte) für sich selbst. Vielleicht zum Ausgleich dafür kommt dann einiges später eine (wie ich finde) sehr schöne, zarte Liebesgeschichte mit Ingdscha (die er in einer späteren Geschichte wiedertrifft).
Und auch zum gefühlten 137. Mal will ich gerne wiederholen, dass er zwischen "Hausschatz" und "Fehsenfeld" zwar sehr geringe aber (wie ich finde) doch wesentliche Änderungen gibt.

Helmut
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