Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

rainer gladys
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von rainer gladys »

Nicht der Erzähler hat sich den Brief ausgedacht, sondern Karl May.
So wie Sie das sehen, sind also Mays Bücher eigentlich alles Selbstgespräche...

Ah, jetzt kommt doch bestimmt wieder, "mal ja, mal nein, mal ganz anders". Das ist mir in der Tat zu viel Geschwurbel. Oder besser gesagt, zuviel "Empfindsamkeit". Der Text selbst gibt die Interpretation einer Selbstironie an dieser Stelle nicht her, und die anderen Werke Mays auch nicht - die vielen Parallelen in anderen Büchern bestätigen eher das Gegenteil. Er (in diesem Fall sowohl May als auch der Erzähler) war halt ein Täuscher aus Leidenschaft. Und die Masche, sich als Greenhorn oder Naivling auszugeben, um später umso stärker auftrumpfen zu können, zieht sich ja durchs gesamte Werk bis hin zu Winnetou IV.

Wobei ich May wohlgemerkt die Fähigkeit zur Selbstironie nicht abspreche, ganz im Gegenteil. Man könnte vielleicht sogar soweit gehen zu sagen, dass zB Halef in weiten Teilen eine selbstironische Spiegelung Mays (aber nicht Kara Ben Nemsis) ist.

Selbst wenn es Mays Absicht gewesen wäre, etwas Selbstironisches mit dem Brief auszudrücken, was wäre das denn dann? Dass er vertrauensselig und leicht zufriedenzustellen sei? Das mag Selbsterkenntnis sein (auch wenn ich nicht glaube, dass May das zum Zeitpunkt, als er die Bücher schrieb, von sich glaubte), aber wo ist das ironisch? Und auch Charlys ironisches "famos" wäre nur dann selbstironisch, wenn er vorher auf den Verfasser des Briefs hereingefallen wäre (ist er das? Ich kann mich im Moment nicht erinnern).
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rodger
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von rodger »

Sie argumentieren, mit Verlaub, etwas schlicht ...
rainer gladys hat geschrieben:Nicht der Erzähler hat sich den Brief ausgedacht, sondern Karl May.

Karl May erzählt. Dabei ist er mal mehr, mal weniger mit der Figur des Erzählenden, genannt Charley oder sonstwie, gleichzusetzen.
So wie Sie das sehen, sind also Mays Bücher eigentlich alles Selbstgespräche...
Das könnte man überspitzt so formulieren. Ich erkenne zwar die dezente Häme in Ihrem Satz, aber wir können die Formulierung doch, mit einigen Abstrichen, verwenden ... :D
Ah, jetzt kommt doch bestimmt wieder, "mal ja, mal nein, mal ganz anders".
Ja, das bleibt in Sachen Karl May nicht aus. Bei anderen [Sachen] übrigens auch nicht. Anders geht's nicht. Schwarzweiß Janein Gutböse usw. können Sie Ihren Kindern erzählen, aber auch die hätten ein Recht auf differenziertere Erziehungsrhetorik ...
Das ist mir in der Tat zu viel Geschwurbel.
Die Geschmäcker sind halt verschieden, so ist das. Mir ist's zu fad, was Sie bislang hier von sich geben, Ihnen ist's zuviel Geschwurbel meinerseits. Da könnten wir ja eine Geschädigtenselbsthilfegruppe gründen. (Aber ich schaff' auch das allein ...)
Oder besser gesagt, zuviel "Empfindsamkeit".
Achja, tut mir leid ... Wie sagte Werner Finck, er müsse immer soviel nachdenken beim Reden, das halte natürlich kolossal auf ... Mit Ruckzuck kann ich in der Hinsicht nicht dienen, aber es gibt in der Tat genügend andere, da können Sie sozusagen ganz beruhigt sein[, da werden Sie geholfen].
Der Text selbst gibt die Interpretation einer Selbstironie an dieser Stelle nicht her, und die anderen Werke Mays auch nicht
Es gibt jede Menge selbstironische Stellen bei Karl May, mal eben aus dem Kopf, suchen müssen Sie dann schon selber: die Sache mit dem vom Esel fallen oder so ähnlich in "Durch die Wüste", Halef hat gerade von gemeinsamen Heldentaten erzählt und der Erzähler schreibt, außer an das vom Esel rutschen erinnere er sich daran nicht ... in Winnetou I steht an einer Stelle nach einer (für die Handlung, für das weitere Miteinander der beteiligten Personen) wichtigen Rede, der Erzähler glaube, gerade "die geistreichste Rede in seinem Leben" gehalten zu haben, angesichts des Blödsinns, den er da für den Leser durchaus erkennbar zum Besten gegeben hat, spricht der Satz für sich ... die Sache mit dem chinesischen Ehrentitel in Band 11, was er sich da so zusammenformuliert über sich selber ... in "Im Lande des Mahdi" läßt er an einer Stelle durchblicken, daß Ort- und Zeitangaben vorn und hinten nicht stimmen, er aber halt darauf vertraut, daß die Leser bzw. der Scheik es nicht merken ... in Old Surehand II springt es einem ins Gesicht, wie er sich da über die eigene Schriftstellerei bzw. deren Schwächen lustig macht, in Sachen Chronologie, historische "Korrektheit" usw. ... im "Silberlöwen" fällt er vom Pferd, und die Jungen lachen ihn aus, "herunter hat er gemußt, herunter" heißt es da[in etwa], nun gut, da ist die Ironie etwas anders gelagert, etwas bitterer. Mir fiele sicher noch mehr ein, aber belassen wir es mal dabei fürs erste.
die vielen Parallelen in anderen Büchern bestätigen eher das Gegenteil.
Nein, Sie werfen halt alles in einen Topf, so wird ein Schuh draus ...
Er (in diesem Fall sowohl May als auch der Erzähler) war halt ein Täuscher aus Leidenschaft.
Ja, er weiß wie leicht das ist, und es macht ihm Spaß ... das hat doch aber nichts damit zu tun daß an dieser Stelle mit dem Brief es primär um Selbstironie geht ...
Und die Masche, sich als Greenhorn oder Naivling auszugeben, um später umso stärker auftrumpfen zu können, zieht sich ja durchs gesamte Werk bis hin zu Winnetou IV.
Ja, freilich. Aber das hat doch nichts ... (s.o.)
Man könnte vielleicht sogar soweit gehen zu sagen, dass zB Halef in weiten Teilen eine selbstironische Spiegelung Mays
Nun kommen Sie doch nicht mit so einem simplen Zeug, wenn wir über Feingestrickteres sprechen bzw. schreiben ... das weiß doch nun sozusagen jeder Seppel daß das so ist, "weitgegangen" ist das nun wahrlich nicht ...
wo ist das ironisch?
Die Ironie (ich komme mir gerade sozusagen etwas albern vor das erklären zu müssen ...) liegt darin, daß der Erzähler May private Eigenheiten andere in einem Brief über sich sagen läßt und sie dabei ertappt, das sozusagen vor dem Leser über sich selber lesen muß; wie steht er nun da, als er das liest und mitteilt, vor dem Leser und vor sich selber ... und hat das doch selber 'komponiert' ... Die ironischen, doppelbödigen Spielereien bei Karl May gehen halt etwas weiter als die simple Aufteilung von Wesensanteilen auf Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef, das ist sozusagen Grundstufe ...
Und auch Charlys ironisches "famos" wäre nur dann selbstironisch, wenn er vorher auf den Verfasser des Briefs hereingefallen wäre (ist er das? Ich kann mich im Moment nicht erinnern).
Das "famosen" ist ironisch, aber nicht selbstironisch, ich hatte das bereits in einem vorherigen Beitrag auseinandergehalten ("ironisch gebrochene Betrachtung" nannte ich es darin, um zwischen Ironie und letzterem zu differenzieren ... aber wenn nicht einmal Ironie und Selbstironie auseinandergehalten wird ...). Selbstironisch ist die Passage, nicht das einzelne Wort.
Zuletzt geändert von rodger am 26.1.2011, 18:45, insgesamt 2-mal geändert.
Zwockel

Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von Zwockel »

Wenigstens bleiben Sie jetzt mal beim Thema, Herr Wick. Ist schon mal ein Fortschritt. :mrgreen:
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rodger
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von rodger »

Als Prozeß- oder Entwicklungsbeobachter müssen wir uns Herrn Z. verbitten ...

8)
markus
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von markus »

rainer gladys hat geschrieben:Man kann doch nicht alles, was ein anderer Negatives über den Protagonisten (der hier ja gern mit dem Autoren gleichgesetzt wird) sagt, als Selbstionie bezeichnen. Ja, wenn der Erzähler diesen Brief selbst geschrieben hätte...
Mit dieser Argumentierweise könnt ihr auch jede kritische oder abfällige Äußerung dem Protagonisten gegenüber zur Selbstkritik stilisieren.
Ich verstehe die Logik Ihrer Argumentation gar nicht. Wer hat denn die Karl-May-Bücher geschrieben, Karl May oder "die anderen"?
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rodger
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von rodger »

Ich versteh’ die Argumentation schon, nur überzeugt sie mich nicht ...

Wenn z.B. die Pekala im „Silberlöwen“ irgendeinen Unfug äußert über den Erzähler, dann ist es – an den Stellen, an denen es sich um Unfug handelt, es wird auch andere geben ... – sicherlich weder Selbstironie noch Auseinandersetzung anderer Art mit sich selber, sondern Schilderung, Abbildung, von Dummheit und Ignoranz ... Auch wenn er selber das geschrieben hat. Manchmal gibt er das dumme Zeug wieder, das andere über ihn, sei es als Karl May, als Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi oder sonstnochwer, gesagt oder geschrieben haben, dann ist es keine Ironie und keine Selbstbespiegelung, und mal gibt er aber auch zutreffende Dinge wieder, die irgendwelche Menschen über ihn denken, sagen oder schreiben ... dann ist der Fall anders gelagert ... das nun auseinanderzuhalten oder auseinanderhalten zu wollen, ist eine Sache, die nicht jedem liegt, eine gewisse Fraktion kommt dann auch immer gleich gern mit „unwissenschaftlich“ und dergleichen ... ich lese aber Karl May gar nicht mehr anders, kann und will das gar nicht mehr ... ich denke / fühle / spüre unentwegt das ist jetzt so und das so gemeint ... (und nicht anders ...) dabei mag ich mich gelegentlich auch mal irren, das ist durchaus möglich ... (aber hier und heute nicht ... :D )
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rodger
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von rodger »

So etwas (Schluß des obigen Beitrags) wäre übrigens auch ein Beispiel für ironische Brechung[en]: man weiss, es klingt für anderer Ohren sehr komisch, th'is clear, man formuliert es trotzdem so und nicht anders, mögen sie sich amüsieren wie Bolle, es klingt ja auch komisch, man nimmt das in Kauf, aber es ist halt so ... womit wir wieder bei dem Brief wären: der Erzähler sieht, sie lachen ihn aus, sie unterschätzen ihn, weil sie die eine Seite der Medaille, die sie sehen, für das Ganze nehmen ... das ist komisch, ja ... ein [manchmal] leichtgläubiges Sonniggemüt, Prärieläufer oder wie hieß es gleich, zufriedenzustellen mit saurem Wein ... stimmt ... aber trotzdem steckt er sie halt in die Tasche ...
Zuletzt geändert von rodger am 26.1.2011, 19:26, insgesamt 1-mal geändert.
Rene Grießbach
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von Rene Grießbach »

rodger hat geschrieben: Ich bin nun mal der Meinung, daß es bei Karl May in hohem Maß um die Auseinandersetzung mit sich selbst geht ...

Und so kommt an der Stelle mit dem Brief (...) Selbstironie herüber, eine milde Form besagter Auseinandersetzung,
(...)
Mit dieser Argumentierweise könnt ihr auch jede kritische oder abfällige Äußerung dem Protagonisten gegenüber zur Selbstkritik stilisieren.
Ja, in der Tat. Wobei es etwas simpel und sicher auch unangemessen wäre, "jede" Stelle so zu sehen ... Ich erlaube mir halt, diese Stelle so, jene anders und die nächste sonstwie zu deuten. Sie mögen das auf Ihre Weise ebenso tun. Wer "Recht hat", bleibt offen.

Was das Gleichsetzen des Erzählers mit dem Autoren betrifft: mal ja, mal nein, mal teilweise, mal mehr, mal weniger ... siehe oben: diese Stelle so, jene anders ... Ist nicht leicht. Aber schön. Wird übrigens von Leuten, die mit dieser "Richtung" nicht allzu viel "am Hut" haben, gern als Geschwurbel, Küchenpsychologie oder weltanschauliche Schwadronage bezeichnet. Nennen Sie's wie Sie wollen.

In der Tat ist ja in vielen Texten über Karl May und seine Werke (und da meine ich weniger das Forum hier, als vielmehr die aktuellen Texte in der Sekundärliteratur, die in Print-Form zur Verfügung stehen) eine Tendenz zu beobachten nach dem Motto:
Jede, auch die kleinste Szene MUSS möglichst einen autobiografischen Bezug haben und jede noch so nebensächliche Person in den Romanen und Reiseerzählungen muss einen Menschen aus Karl May´s Bekanntenkreis oder sogar ihn selber mehr oder weniger widerspiegeln
Während es gut nachvollziehbar ist, dass bei der Gleichsetzung von Ich-Erzähler (sei das Charly in Südamerika, Shatterhand in USA oder Kara Ben Nemsi im Orient) und Autor (also Karl May) die autobiografischen bezüge da sind, was wohl dann, wenn man in der Ich-Form schreibt und sich noch dazu mit dem Haupthelden idendifiziert, normal ist, halte ich es einfach manchmal für übertrieben, in jeder zweiten Nebenfigur Emma, Münchmeyer, Fehsenfeld oder sonstwen wiederfinden zu wollen. Wo bleibt da die Anerkenntnis, das May ein ausgesprochen phantasiebegabter Schriftsteller war, wenn man es ihm da offenbar kaum zutraut, Figuren frei zu erfinden?
Zugegebnermaßen ist das wahrscheinlich etwas zugespitzt formuliert :wink:

Aber während zumindest mir diese offensichtlich stattfindende Suche nach solchen Zusammenhängen oftmals mittlerweile übertrieben erscheint, leuchten mir die Argumente von rodger bzgl. der Südamerikaromane und v.a. den Zusammenhang May-Sendador und bzgl des benannten Briefes - ich hab die betreffende Passage unter diesem Blickwinkel einfach noch mal nachgelesen - doch ein. Und auch wenn es zugegebenermaßen etwas vereinfacht dargestellt ist: Karl May hat den Brief (auch) an sich selber geschrieben.
Was nun den Zusammenhang Jaguar - Kochta betrifft, darüber hab ich viel nachgedacht, bin da aber noch zu keinem Ergebnis gekommen, inwieweit ich die Meinung, dass dieser Zusammenhang besteht, teilen kann.
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rodger
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von rodger »

"Die Leute strömen ... da strömt schon wieder einer ..." (von Schönthan, Der Raub der Sabinerinnen)

Aber ist doch schön, daß überhaupt mal einer wenn auch nicht strömt aber zumindest mal um die Ecke guckt ...
Jede, auch die kleinste Szene MUSS möglichst einen autobiografischen Bezug haben und jede noch so nebensächliche Person in den Romanen und Reiseerzählungen muss einen Menschen aus Karl May´s Bekanntenkreis oder sogar ihn selber mehr oder weniger widerspiegeln
Ich weiß gerade nicht, von dem das Zitat ist, es klingt in seiner spürbar grimmigen Widerspruchshaltung nach Herrn Heermann oder Herrn Klußmeier, so die Ecke in etwa ...

Ja, Karl May schreibt über sein Leben. In exotischem Gewande.
halte ich es einfach manchmal für übertrieben, in jeder zweiten Nebenfigur Emma, Münchmeyer, Fehsenfeld oder sonstwen wiederfinden zu wollen.
Jenun, so in Reinform behauptet das ja auch keiner. Es gibt ein paar recht eindeutige Fälle, Pekala = Emma, Murad Nassyr = Münchmeyer, Pedehr = Fehsenfeld. Aber auch nicht durchgängig und nicht Eins zu Eins.

Und es gibt viele Mischformen. Der alte Dessauer z.B. hat viel von Mays Vater, aber er ist nicht mit ihm gleichzusetzen, er ist eine Art eigenartige Beschönigung desselben ... Marah Durimeh hat ihre Patin sicher in Mays Großmutter, aber ob die der differenzierten Betrachtungs- und Ausdrucksweise der literarischen Figur immer so entsprach, muß wohl offen bleiben ... Die (Verzeihung) dumpfbackene (man lese einmal "Mit Karl May durch Amerika") Klara Plöhn kommt sicher auch nicht entfernt an die wesentlich sympathischere, (verklärte) Schakara heran ...
Wo bleibt da die Anerkenntnis, das May ein ausgesprochen phantasiebegabter Schriftsteller war, wenn man es ihm da offenbar kaum zutraut, Figuren frei zu erfinden?
Ich glaube nicht daß Kochta solche Augen hatte, wie sie der Bruder Jaguar hat ... ich glaube auch nicht daß er solche "Effekte" damit hervorgerufen hat ... aber May hat diese Möglichkeit sozusagen latent gesehen und entsprechend vergrößert ... und so weiter. Abrahim Mamur ist eine Mischung aus (theoretisch ...) Eigenanteilen und irgendeiner Bekanntschaft aus Halb- oder Unterweltkreisen ... (vermischt mit Phantasie, klar) und so weiter. Mir fehlt gerade bissel die Zeit, sonst könnten hier längere Ausführungen folgen ...
Karl May hat den Brief (auch) an sich selber geschrieben.
Sehr schön formuliert. Genau so ist es.
Was nun den Zusammenhang Jaguar - Kochta betrifft, darüber hab ich viel nachgedacht, bin da aber noch zu keinem Ergebnis gekommen, inwieweit ich die Meinung, dass dieser Zusammenhang besteht, teilen kann.
Lies mal die Passage mit dem Sumpf. Ich such' sie gern raus.
Rene Grießbach
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von Rene Grießbach »

rodger hat geschrieben:
Jede, auch die kleinste Szene MUSS möglichst einen autobiografischen Bezug haben und jede noch so nebensächliche Person in den Romanen und Reiseerzählungen muss einen Menschen aus Karl May´s Bekanntenkreis oder sogar ihn selber mehr oder weniger widerspiegeln
Ich weiß gerade nicht, von dem das Zitat ist, es klingt in seiner spürbar grimmigen Widerspruchshaltung nach Herrn Heermann oder Herrn Klußmeier, so die Ecke in etwa ...
Sorry, war wohl mein Fehler, dass ich diese Bemerkung kursiv geschrieben habe - ist aber gar kein Zitat sondern ist von mir selber :wink:

Und die Sache mit dem Sumpf - ich weiß grad nicht so genau, an welcher Stelle ich die ungefähr suchen muss ... irre ich mich nicht, ist´s im zweiten Band, also "In den Cordilleren". Ist das richtig?
Ich les es nach, versprochen, denn ich tu prinzipiell jedem Argument nachgehen.
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rodger
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von rodger »

Die Bäume waren meist Laubhölzer, welche von dichten Schlingpflanzen umrankt waren. Diese letzteren Gewächse umklammern ihr Opfer, mischen ihre Blätter mit den seinigen und bilden oft vom Boden bis zur Spitze des Baumes eine dichte, grüne Hülle, unter welcher der Baum vollständig verschwindet.

Die Dämmerung wollte sich niedersenken, und wir befanden uns auf einem Terrain, mit welchem im Dunkel der Nacht nicht zu scherzen war. Der Fluß mußte in ziemlicher Nähe sein, denn er schickte schmälere oder breitere Buchten zu uns herüber, welche teils eine helle Wasseroberfläche, oft aber auch eine trügerische Pflanzendecke zeigten, auf welche man in der Dunkelheit sehr leicht geraten konnte. Ich sah ein eigentümliches, dickplumpes Tier in einer dieser Buchten plätschern. Es floh bei unserer Annäherung.

»Das war ein Wasserschwein,« erklärte der Frater auf meine Frage.

In einer anderen Bucht sah ich dunkle Baumstämme liegen, deren Enden aus dem Wasser ragten.

»Das sind Krokodile,« belehrte er mich jetzt.

»Und da reiten wir so nahe vorüber?«

»Wir haben von ihnen nichts zu fürchten. Freilich, hineinsteigen in so einen Tümpel möchte ich nicht; da könnten mir ihre Rachen doch gefährlich werden.«

»Mir scheint unser jetziger Pfad überhaupt nicht recht geheuer zu sein!«

»Das ist richtig. Reiten wir einzeln hintereinander, ich voran. Wir kommen jetzt auf ein Terrain, wo man leicht einen Fehltritt thun kann, der einen in den Sumpf bringt.«

»Giebt es keinen andern, bessern Weg zu dem Indianer?«

»Nein, Sennor. Er wohnt so, daß man nur auf diese Weise und von dieser Seite an seine Hütte kommen kann. Sie ist eine kleine Festung für ihn.«

Nun ging es still und langsam auf dem weichen, wankenden Boden weiter. Der Frater mußte den Weg sehr genau kennen, da er es wagte, uns hier durchzuführen. Er stieg nicht einmal vom Pferde, was ich an seiner Stelle jedenfalls gethan hätte. Nun war es ganz dunkel geworden. Ich konnte nur notdürftig den vor mir reitenden Führer sehen. Dennoch ging es fast noch eine ganze Viertelstunde so fort, bis wir etwas wie einen Lichtschein vor uns sahen.

»Jetzt müssen wir absteigen,« sagte der Bruder. »Jeder nehme sein Pferd beim Zügel und folge seinem Vordermanne, ohne nach rechts oder links abzuweichen. Der Pfad ist sehr schmal; er geht mitten durch tiefen Sumpf.«

Wir thaten so, wie er angeordnet hatte. Ich fühlte, daß die weiche Erde mir über den Füßen zusammenging wie Teig, und auch mein Pferd setzte nur langsam und zögernd den einen Fuß vor den andern. Das Licht wurde heller. Wir erreichten wieder festen Boden und brauchten den Gänsemarsch nicht mehr einzuhalten. Dann waren wir an Ort und Stelle.
Freilich läßt sich nicht beweisen, daß das - auch, auf einer zweiten Leseebene halt - gleichnishaft symbolisch, in übertragenem Sinne gemeint ist, aber ich finde es springt einem ins Gesicht ... in Verbindung mit der Schilderung mit dem Kennenlernen des Bruders Jaguar, und mit der Szene am Schluß, und mit Mays Leben natürlich ... aber zu beweisen daß es nicht so ist dürfte ebenfalls schwierig sein ...

*

(Da siehstemal, ich wittere Grimmigkeit und Abwehrhaltung und diesen oder jenen, und dann ist es von alledem nichts ... schlecht gewittert ... kommt halt auch vor ...) :wink:
Rene Grießbach
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von Rene Grießbach »

Danke schon mal fürs raussuchen, hab die Passage gleich mal durchgelesen unter dem von dir genannten Gesichtspunkt.
Kann mich erinnern, im Gesamtzusammenhang der Reiseerzählung hab ich die Stelle als eine von sehr vielen als einfache Schilderung der Gegend gelesen und offen gestanden muss ich mir das noch bissl durch den Kopf gehen lassen, inwieweit ich hier deine Ansicht teilen kann (nich übelnehmen), aber an dieser Stelle erschließt sich mir der Zusammenhang nicht wirklich. So richtig interessant finde ich in dem Zusammenhang das Ende der Passage "daß die weiche Erde mir über den Füßen zusammenging"
Werd mal daran meine Überlegungen festmachen, denn immerhin passt das ja zumindest entfernt zu der volkstümlichen Redewendung mit dem Boden, der unter den Füßen verloren wird ...
Wenn ich zu einem Ergebnis mit mir selber komme, melde ich mich dazu wieder :wink:
markus
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von markus »

rodger hat geschrieben:Als Prozeß- oder Entwicklungsbeobachter müssen wir uns Herrn Z. verbitten ...

8)
Doch, er ist ein Prozess-Beobachter. Wenn er falsch beobachtet, machen wir mit ihm kurzen Prozess :mrgreen:
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rodger
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von rodger »

Rene Grießbach hat geschrieben:(nich übelnehmen)
Ich würde es auch nicht übelnehmen, wenn Du dabei bleibst, und so etwas in der Art wie "Also ich kann das nicht so recht nachempfinden und glaube eigentlich nicht, daß das seitens May so gedacht war" schriebest. Säuerlich & pampig pflege ich nur zu reagieren bei schnöseliger Besserwisserattitüde (das ist nämlich mein Part ... :lol: (Das, lieber Herr jetzt hab' ich den Namen vergessen, der Hadschi-Halef-Erkenntnistheoretiker halt, also das, lieber Herr Sowieso, war jetzt Ironie & Selbstironie. In Kombination.)) oder wenn erkennbar ist, daß es dem / den anderen nur um Ausgrenzen, Draufhauen, Wegharken, 'Klassenkeile' geht, und man sich differenzierte Argumentation aufgrund Überforderung und / oder Sich-sperrens der Gegenseite gleich in die Haare schmieren kann, zu viel Emotion, zu viel Getöse, zu viel Geschrei … wie kürzlich in einem schlechten Traum ...
Ende der Passage "daß die weiche Erde mir über den Füßen zusammenging"
Eben. Und Krokodile, Dunkelheit, Schlingpflanzen ... usw. ...

Ich seh' sie da hocken, in Waldheim oder wo das war, nächtens, und über Gott und die Welt und Verbrechen und Schuld und Sühne und Moral und Freiheit und was weiß ich nicht noch reden ... über Gedanken wie sie in "Ange et diable" stehen ... oder manchmal in den Kolportageromanen, ich weiß nicht mehr wo es war, im "Sohn" glaub' ich, da erklärt an einer Stelle ein Verbrecher warum er Verbrechen begeht ... es gibt nämlich auch bewusste, reflektierende solche, im Leben wie bei Karl May ... und er wird gesehen haben, Hoppala, da ist einer der kennt all die Gedanken die man sich so machen kann wenn der Tag lang ist, und der ist nicht wildgewordener Handfeger oder sowas in der Art sondern Pfarrer, und kommt teilweise zu ganz anderen Ergebnissen und Konsequenzen … und dann wird er ein oder mehr mal die Kraft der Augen seines Gegenübers gespürt haben, vielleicht einmal bei einer entscheidenden Frage dem Blick nicht haben standhalten können … die Kraft der Überzeugung, die redliche Integrität, die unerschrockene, konsequente Überzeugtheit, so etwas bekam er da vermutlich um Augen und Ohren … und daraus wird dann im Buch einer, der ganze Banden mit seinen Augen in die Flucht schlägt …

(Noch einen Schritt weiter, reine Spekulation, ich weiß: der Mann wird mit May hart aber liebevoll umgegangen sein, und er (May) wird [mindestens] einmal emotional sehr eingebrochen sein, geweint haben oder was weiß ich, daraus wurde dann die Szene mit dem Erwachen im Schoß des Bruders Jaguar nach dem Hängen über dem Abgrund, bzw., wurde davon beeinflußt ...)
Zuletzt geändert von rodger am 26.1.2011, 21:27, insgesamt 1-mal geändert.
markus
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Re: Am Rio de la Plata / In den Cordilleren

Beitrag von markus »

Meiner Meinung nach ist eine Figur nie reine Fantasie, aber auch nie ganz Real. Eine Mischung aus beiden. Mal gehts mehr in die eine, mal mehr in die andere Richtung. Th'is clear.

8)

(Was hier vorher stand siehe hier: http://www.karl-may-stiftung.de/diskuss ... &start=150 )
Zuletzt geändert von markus am 26.1.2011, 21:47, insgesamt 2-mal geändert.
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