... nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt.

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Wolfgang Sämmer
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... nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt.

Beitrag von Wolfgang Sämmer »

Im Februarheft 1880 gab die Redaktion der „Daheim“-Zeitschrift – sie mag in diesem Fall für den Redaktionsapparat all der vielen Familienzeitschriften des 19. Jahrhunderts stehen – ihren fleißigen Mitarbeitern einige Paragraphen mit auf den Weg, an die sie sich doch geflissentlich halten sollten. § 15 aus dem „Merkbüchlein für gelegentliche Mitarbeiter des Daheim und solche, so es werden wollen“ lautete:
§ 15. Merke: Du sollst dich nicht ärgern, wenn du deine Arbeit liest und gewahr wirst, daß hier oder dort ein Stücklein fehlet. Denn bedenke: wollte die Redaktion alle Artikel so bringen, wie sie sind, so würde nie eine Nummer fertig, denn die Artikel passen nicht aufeinander wie Ziegelsteine, sondern es muß hier oder dort ein Ecklein abgebrochen werden, damit sie sich vertragen und ineinander fügen.

[Daheim. Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen. 16. Jg. Ausgegeben am 7. Februar 1880. Nr. 19, Seite 308]
Karl May freilich ärgerte sich dem Paragraphen 15 zum Trotz ganz gewaltig über die Eigenmächtigkeit, die sich in seinem Falle etwa der Redakteur des „Deutschen Hausschatzes“ Heinrich Keiter herausnahm. Sein Ärger war sogar so groß, daß er dem „Deutschen Hausschatz“ seine Mitarbeit aufkündigte. Was Wunder auch? Begnügte Keiter sich doch nicht damit, hier und dort ein Ecklein abzubrechen, sondern er riß den ganzen Vorbau des von Karl May geschaffenen Gebildes (nämlich seines Romans Die Jagd auf den Millionendieb) ein. Ganz bedeutend gekürzt, ohne mich um Erlaubnis zu fragen, habe Keiter, so May empört noch in seiner Autobiographie.
Ich habe Korrekturen und Kürzungen nie geduldet. Der Leser soll mich so kennen lernen, wie ich bin, mit allen Fehlern und Schwächen, nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt. Darum teilte ich Pustet mit, daß er von mir kein Manuskript mehr zu erwarten habe. Er versuchte, mich brieflich umzustimmen, doch vergeblich. Da kam er, der alte Herr, persönlich nach Radebeul. Das war rührend, hatte aber auch keinen Erfolg. Er schickte dann seinen Neffen, ganz selbstverständlich mit demselben negativen Resultate, denn sie beide waren es doch nicht, die sich an meinen Rechten vergriffen hatten. Da kam der Richtige, Heinrich Keiter selbst. Er versprach mir, daß es nie wieder geschehen solle, und daraufhin nahm ich meine Absage zurück.

[Karl May: Mein Leben und Streben und andere Selbstdarstellungen. Hrsg. v. Hainer Plaul u.a. Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe für die Karl-May-Stiftung. Abteilung VI: Autobiographische Schriften; Bd. 1. Karl-May-Verlag, Bamberg und Radebeul 2012, S. 197.
]
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rodger
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Re: ... nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt.

Beitrag von rodger »

Das hätte sich der arg selbstgefällige, sich selber kurioserweise offenbar als eine Art Maßstab ansehende Keiter sicher nicht träumen lassen, daß ihm seine 'redaktionelle Besonnenheit', bzw. das, was er dafür hielt, im Nachhinein noch so um die Ohren fliegen sollte ...
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Wolfgang Sämmer
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Re: ... nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt.

Beitrag von Wolfgang Sämmer »

Denn Pustet und sein Neffe, so May in seiner Autobiographie, waren es doch nicht, die sich an meinen Rechten vergriffen hatten. Auf der Werke-CD lautet es noch ein klein wenig anders: Denn sie beide waren es doch nicht, die sich an meinen Renten vergriffen hatten.
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