Karl May, Mormonen und Genealogie

H. Mischnick
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Karl May, Mormonen und Genealogie

Beitrag von H. Mischnick »

Da das anderswo angeschnittene Thema nichts mehr mit dem ursprünglichen zu tun hat (Perry Rhodan), eröffne ich hier einen eigenen Thread dazu. Karl May war kein Freund der Mormonen. Nichtsdestotrotz ist einer seiner Schwesternachkommen zu dieser Glaubensgemeinschaft übergetreten und hat alle seine Vorfahren und deren Geschwisternachkommen, deren er habhaft weden konnte, mormonisch taufen lassen, darunter auch Karl May, gemäß meinen Informationen nach dem Motto, vielleicht werde sich seine Seele anders besinnen und sich mormonischen Glaubensgrundsätzen zuwenden. Ich erlaube mir, das zu bezweifeln.

Die Latter-Days-Saints alias Mormonen tun aus religiösen Gründen viel für die dauerhafte Konservierung von Dokumenten in Form von Verfilmungen, die zum Teil in ihren Mikrofilmzentren kostenlos für staatliche Archive erfolgen. Die sächsische Landeskirche steht den LDS als einer besonderen Wiedertäuferbewegung sehr ablehnend gegenüber und stellt ihnen ihre Kirchenbücher nicht zu Erfassung und Auswertung zur Verfügung. Ich persönlich als Genealoge sehe keinen Grund, das zu bedauern.

Das Interesse der LDS an Genealogie ist religiös begründet und das Ziel ihrer Vorfahrensammlungen deren mormonische Taufe.

Eine große genealogische Datenbank der Mormonen ist der sogenannte IGI (International Genealogical Index), den viele Familienforscher bemühen, um darin ihre Vorfahren zu finden. Darin entdeckt man unter anderem Karl May, aber auch mehrfach (!) Martin Luther (!!!) und viele andere bekannte Gestalten der Geschichte.

Der IGI ist, besonders in seinem deutschen Teil, eine sehr unzuverlässige Quelle, wie mir bewußt wurde, als ich Datensätze von Personen aus Sachsen kontrollierte. Etliche sind mehrfach, auch in verstümmelten Schreibweisen, vorhanden, und eine ganze Reihe von Datensätzen, in manchen Orten bis zu dreißig Prozent, pure Fälschungen!!! Diese Personen weilten nie unter den Lebenden. Mit großer Vorliebe werden Leute mit genauen Lebensdaten zu Zeiten genannt, in denen nirgends Kirchenbücher geführt wurden (Paulus Thomas Auerswald, geboren 2. 6. 1400 zu Grünhain - das mag nur ein Beispiel sein), andere mit drei Vornamen benannt, was vor 1700 in bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen unüblich war; oft erscheinen vor 1800 Familiennamen, die keine einzige zeitgenössische Quelle in jenem Ort belegen kann, oder einer wird gar zu einem Datum als heiratend geführt, an dem in Wahrheit seine Erbteilung dokumentiert wurde. Mehrfachnennungen ein und derselben, manchmal fiktiven, Person, die nie entfernt werden, bauschen die Datenbank sehr auf.

Karl May hat viel von seinen Vorfahren gewußt, was sich bestätigte, und zwar anhand der Originalquellen, auch der Berichte im Elternhaus, natürlich nicht anhand der heute allzugern bemühten LDS-Datenbanken, die nicht einmal die Berufe der erfaßten Personen belegen. Lebten mehrere Personen gleichen Namens in unterschiedlichen Berufen an einem Ort, helfen sämtliche LDS-Datenbanken nicht mehr, weil da die Gefahr besteht, daß falsche Zuordnungen vorgenommen wurden. Lebten sieben Michael Lorenz gleichzeitig in einem Ort, kommt "Freude" auf, wenn alle einem Hans Lorenz als Sohn zugeordnet wurden!

Karl May predigte immer Toleranz, allerdings erstreckte er diese in seinem Werk nicht auf die Mormonen. Seit der Konkordienformel der 1570er Jahre, die alle Klerikalen in Sachsen unterzeichnen mußten, um nicht aus dem Amt gejagt zu werden, dürften meiner Ansicht nach sämtliche zukünftigen sächsischen Geistlichen, wozu Karl May als seinerzeitiger Hilfslehrer und Vikarsanwärter in der Zeit vor der Trennung von Kirche und Zeit ebenfalls zählte, auf diese und die Gegnerschaft gegenüber Wiedertäufern eingeschworen worden sein, von denen die Mormonen eventuell die auffälligsten waren.

Die Erhaltung gefährdeter Archivalien durch Mikroverfilmung und die Zurverfügungstellung der Filme zum Zwecke der Schonung der Originale ist eine lobenswerte Arbeit, ebenso die Erstellung eines Stückes Menschheitsgedächtnis, weniger erfreulich jedoch die religiöse Begründung der gesamten Initiative und die religiöse Auswertung der darin enthaltenen Daten. Und sogar die Mormonen sind in sich zersplittert, die LDS nur eine ihrer Gruppierungen.

Was man über die Mormonen in Wikipedia liest, bestätigt meiner Meinung nach eines, was Karl May sehr anprangerte: die besonders in religiösen Dingen bei ihnen teilweise vorhandene Intoleranz.
marlies

Beitrag von marlies »

Wir haben hier am Sonntag (!) abend eine neue 'soapie' - eine Fortsetzungs Serie mit Titel "Biglove". Ueber modernes Mormonenleben. Mein Mann hat die erste Episode angeschaut und seither schaltet er um wenn's Zeit ist (ich schau kaum TV). In der Hauptrolle ist ein Mann mit drei Ehefrauen, und drei 'Haushaelten'. Seine drei Ehefrauen sind erst, zweit, und drittrangig in ihrer 'Wichtigkeit'; also die erste hat das letzte Wort, u.s.w. In der ersten Episode borgte sich der Mann Geld von einem 'Mormonenverwandten' um sein Geschaeft aufzustellen, und ein gewisser % Anteil des Einkommens des Geschaeftes ging zum 'Verwandten' als Zins. Der Mann tilgte seine 'Schuld' nach einer gewissen Zeit und dachte dass nun auch die Zinsabgaben aufhoerten ... aber nein ... mit einem Mormonenlohn verpflichtet sich der der sich das Geld geborgt hat, EIN LEBEN LANG Zinsen zu zahlen an den von wem er das Geld erhielt. Nicht schlecht.

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(Schreibfehler korrigiert)
Zuletzt geändert von marlies am 14.8.2007, 4:28, insgesamt 1-mal geändert.
Thomas Math
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Beitrag von Thomas Math »

Herr Altherr spielt gern den agent provocateur ich kann mir kaum vorstellen,dass er glaubt was er so schreibt.

Dass der Engel Moroni Joseph Smith die goldenen Tafeln fuer das Buch Mormon ausgehaendigt hat,ist genauso glaubhaft wie die Vorstellung,das es mal eine jungfraeuliche Geburt eines Menschen gegeben hat

Was Kirche oder Sekte angeht so ist das nur eine Wortspielerei und wird nur dazu benutzt um gegen andere Glaubensgemeinschaften,die auch nicht weniger absurd sind zu polemisieren.
Kurt Altherr
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Beitrag von Kurt Altherr »

Wenn auch von einem Ausstieger - der nicht im Zorn zurückblickt - erforscht und geschrieben, stellt seine Arbeit über die Mormonen eine wertvolle Dokumentation da, die allumfassend über die Mormonen informiert.

http://www.buchmormon.mormonismus-online.de

An meiner positiven Einstellung gegenüber der Mormonen ändert diese Ausarbeitung nichts.
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rodger
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Beitrag von rodger »

Zur Abwechslung mal wieder ein bisserl Karl May:

http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg ... rmonen.htm
marlies

Beitrag von marlies »

und was dem May so auf die Nieren ging mit 'Religion' (jeder Religion - wie ich's da so lese und verstehe bei ihm), haette er wahrscheinlich auch so ausdruecken koennen: Das Merkmal (oder vielleicht der heimliche Schlachtruf) jeder Religion (wie man's auch immer nennt) ist: "Schaeflein, hoer auf zu denken! Wir sagen dir schon was du denken musst damit du uns am besten dienen kannst!"
Jedem das seine (vielleicht gibts ja tatsaechlich 70 Jungfrauen fuer die suicide bombers [pro Bube] 'da drueben' [das gehoert in eine andere Religion, ich weiss]) - ich beforzuge mein eigenes Gedankenmaterial - das tat auch der May.
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rodger
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Beitrag von rodger »

ich bevorzuge mein eigenes Gedankenmaterial - das tat auch der May.
Ja, schon. Leider hat der aber des öfteren zumindest so getan, als wäre es nicht so ... und einige aberwitzige, abstoßend-peinliche Marienkalendergeschichten geschrieben, frömmelnden Auftraggebern nach dem Munde ...
(jeder Religion - wie ich's da so lese und verstehe bei ihm),
s.o.

*

Siebzig Jungfrauen ? Och, ein wenig Erfahrung dürften die schon haben, und ganz so viel müssen es nun auch wieder nicht sein ...

:lol:
marlies

Beitrag von marlies »

er musste sich mit seiner 'Schreiberei' auch fuettern koennen - und wusste auf welcher Seite sein Brot gebuttert wurde ... eines Tages werd ich mich auch noch zwingen eine Marienkalendergeschichte zu lesen. Welche wuerdest du mir empfehlen?

(An den 70 kann man nichts aendern - 70 ist was den Burschen versprochen wurde befor man sie losschickte mit dem angeschnallten Plastiksprengstoff ... je nach Schwierigkeitsgrad des Bombenziels koennten es auch weniger oder mehr gewesen sein ... [Jungfrauen mit Erfahrung? vielleicht woanders, aber nicht in DEM 'Himmel']) ... oh shut up, Marlies ...
Kurt Altherr
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Beitrag von Kurt Altherr »

Hallo Marlies,

"Mutterliebe" (1898) ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten.

Viele Grüße
Kurt
marlies

Beitrag von marlies »

werd's mir ansehen, danke! (zu welcher Kategorie gehoeren solche 'Pearls'?)

(Ich sehe gerade die debug gremlins sind weg - alles wieder normal!)
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rodger
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Beitrag von rodger »

Jungfrauen mit Erfahrung wäre zwar auch denkbar (habe gerade eine einigermaßen entsprechende kryptische Stelle im "Verlornen Sohn" gelesen und mich mal wieder gefragt, hat er das jetzt so gemeint oder nicht ...), aber ich meinte eigentlich, eher keine Jungfrauen ... 70 erscheint in der Tat auf den ersten Blick sehr viel, andererseits ... knapp hundert Rolls Royce hat man auch in einer gewissen Zeit durch, habe ich mir sagen lassen ...

:wink:
Welche wuerdest du mir empfehlen?
Ganz gräßlich ist z.B. der Schluß von "Er Raml el Helahk" alias "Sand des Verderbens", wo der Ich-Erzähler Moslems zwingt, "christlich" zu beten ... Perfide und abstoßend. Insofern würde ich Dir diese Geschichte "empfehlen", als Beispiel für das Gesagte ...

In anderem Sinne empfehlen würde ich "Der Verfluchte", eine der angenehmer zu lesenden Erzählungen aus den Marienkalendergeschichten.

"Christi Blut und Gerechtigkeit" ist zwar keine Marienkalender-Geschichte im eigentlichen Sinne, aber auch wieder ganz gräßlich. Die ist so blöd (insbesondere der Schluß), daß man fast Zahnschmerzen kriegt ...

:wink:
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Beitrag von rodger »

Zu allen vier jetzt hier genannten Geschichten findest Du übrigens bei karl-may-buecher.de unter Textrezensionen einige Informationen. Derer habe ich mich eben zum Schreiben des vorigen Beitrags selber bedient, da ich nicht alle Geschichten auswendig im Kopf habe ...

:wink:
marlies

Beitrag von marlies »

ich frag mich ... auf nuechternen Magen? oder nach dem Essen? Graesslich was man so alles schreiben muss zum ueberleben ... <schrecklich, Kunz Mordkommission, Wien>
Eigentlich kriege ich grad nen hysterischen Lachkrampf wenn ich mir das so bildlich vorstelle ... Moslems zum Christlichen Gebet zwingen? Mit dem geladenen Henry Stutzen? Oh Allah! Was war die Alternative? In die Hoelle gehen? Wessen Hoelle? Und welche Stufe der Hoelle?

(Diesen thread haettet ihr nicht anfangen sollen ... da sind die Mormonen schuld dran)

(Danke fuer den Rezensions Hinweis)
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Beitrag von rodger »

(Fortsetzung meines vorigen Beitrags)

... und wer es etwas nüchtern-wissenschaftlich-seriöser mag, greife zum Karl-May-Handbuch. Das muß man schon haben. Auch in Australien.

:wink:
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Beitrag von rodger »

Was war die Alternative?
Sonst hätte er ein Kind absaufen lassen ... (zumindest droht er ihnen damit). Ja, Entschuldigung, das ist so. Wirklich, zum K....., dieser Schluß der Geschichte.
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