Nach Amerika auswandern

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Wolfgang Sämmer
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Nach Amerika auswandern

Beitrag von Wolfgang Sämmer »

Hallo zusammen!

Am 29. Oktober 1902 (Karl May hatte die ersten schweren Zeitungsattacken überstanden) erschien in der "Neuen Würzburger Zeitung" diese Meldung:
Der bekannte sogenannte Reiseromanschriftsteller Carl May, dem sein Schriftstellerdasein in den letzten Jahren in Deutschland etwas sauer gemacht wurde, hat, wie es heißt, seine Villa in Radebeul bei Dresden verkauft, und gedenkt dem undankbaren Vaterlande den Rücken zu kehren und nach Amerika auszuwandern.
Um den Faden einmal weiterzuspinnen: wie wäre das Leben Mays verlaufen, wenn er tatsächlich gemacht hätte, was die Zeitungsmeldung versprach? So manch einen Prozeß und so manche Aufregung wären ihm wohl erspart geblieben. Doch hätte Karl May in Amerika, als Besitzer etwa einer Villa Shatterhand in Boston, Fuß fassen können?

Freundliche Grüße
Wolfgang Sämmer
Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Herr Sämmer,

für seriöse Historiker verbietet es sich von selbst, der Frage nachzugehen "Was wäre wenn?" So gesehen kann man die Frage nicht beantworten, da wir es einfach nicht wissen, ob Karl May in Boston hätte Fuß fassen können oder nicht.

Spekulativ gesehen, wäre die Emigration erfolgreich gewesen, da ihm die finanziellen Mittel für eine Übersiedlung zur Verfügung standen und sein Freund/Bekannter Pfefferkorn ihm mit Sicherheit hilfreich zur Seite gestanden hätte.
Natürlich war er zu jener Zeit schon 60 Jahre alt und man weiß nicht, ob er sich in seiner "neuen Heimat" wohlgefühlt hätte. Sie sehen, Herr Sämmer, dreimal habe ich "hätte" verwendet und zeigt die Schwierigkeiten auf, eine Emigration Mays nachzuvollziehen.

Fakt ist jedoch, die unselige Begegnung mit Rudolf Lebius und seinen tragischen Folgen wäre ihm erspart geblieben und vieles mehr.

Bleibt nur noch eine Frage. Mit wem wäre er ausgewandert? Mit Emma hatte er im Oktober 1902 ja bereits gebrochen. Aber ich denke, Klara Plöhn wäre ihm gerne gefolgt. War sie vielleicht sogar Mutter des Auswanderungsgedankens?

Viele Grüße
Kurt Altherr
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Wolfgang Sämmer
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Beitrag von Wolfgang Sämmer »

Hallo Herr Altherr!

Ich denke schon, daß ich es wagen darf, in diesem Forum die Frage "Was wäre wenn?" zu stellen. Ich begreife diese Runde jedenfalls (auch) als einen Raum, in dem durchaus mal Spekulationen ausgetauscht werden dürfen. Wem das zu unwissenschaftlich ist, der muß sich an solch unseriösen Debatten ja nicht beteiligen. Ich sehe jedoch mit Freude, daß gerade Sie auf meine Frage reagiert haben. Am Schluß Ihres Beitrages stellen Sie sogar weitere Fragen, über die sich wieder trefflich spekulieren ließe. Daß Klara ihrem Karl auch bis nach Amerika gefolgt wäre, steht wohl außer jedem Zweifel. "War sie vielleicht sogar Mutter des Auswanderungsgedankens?" Gut möglich; hatte sie doch gerade in dieser Zeit Kontakte nach Amerika. Soll nicht sogar auf ihr Betreiben hin Karl am 9. 12. 1902 das Doktordiplom der "Universitas Germana-Amerikana" für sein Werk "Im Reiche des silbernen Löwen" verliehen worden sein? Eines (und damit beende ich das Weiterspinnen des Fadens) steht für mich aber auch fest: Karl May selbst dachte zu diesem Zeitpunkt seines Lebens sicher nicht ernsthaft daran, nach Amerika oder wohin auch immer auszuwandern.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Sämmer
Gast

Beitrag von Gast »

Lieber Herr Sämmer,

in der Vergangheit habe ich oft - auch im anderen Karl-May-Forum - oft sehr viel "Kontra" bekommen, weil ich durchaus mal spekulative Gedankengänge anstellte, z.B. wie hätte sich Karl May sich verhalten, wenn er den Ausbruch des 1. Weltkrieges noch erlebt hätte.

Nein, Herr Sämmer, gerade Gedenkengänge wie "Was wäre wenn?" verfolge ich immer gerne mit großem Interesse und so gesehen, können sich da sehr interessante Diskussionen in der Zukunft ergeben.

Ihrer Vermutung, daß Karl May 1902 selbst nie ernsthaft in Erwägung zog nach Amerika auszuwandern, da stimme ich Ihnen voll zu.

Viele Grüße
Kurt Altherr
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Wolfgang Sämmer
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Beitrag von Wolfgang Sämmer »

Hallo zusammen!

Das Gerücht, Karl May wolle nach Amerika auswandern, wurde, wie ich erst vor kurzem erfuhr, auch in der "Frankfurter Zeitung" verbreitet. Am 25. Oktober 1902 brachte sie diese kurze Meldung:
Herrn Karl May scheint der Boden Deutschlands zu heiß zu werden. Wie uns aus Dresden berichtet wird, hat der berühmte Aufschneider seine Besitzung in Radebeul verkauft, da er angeblich nach Amerika übersiedeln will.
Freundliche Grüße
Wolfgang Sämmer
Gast

Beitrag von Gast »

Lieber Herr Sämmer,

am 22. Dezember 1902 schreibt Karl May an Martin Salvenmoser:
"Es fällt mir nicht im Traume ein, auszuwandern! Wer da glaubt, mich im Lande hinauszulügen zu können, der hat sich in mir geirrt."

2 Tage später, am 24. Dezember 1902, äußert sich May in ähnlicher Weise gegenüber Hans Schlögel.

Viele Grüße
Kurt Altherr
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Wolfgang Sämmer
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Beitrag von Wolfgang Sämmer »

Lieber Herr Altherr!

Vielen Dank für Ihre Information. Der Briefauszug, den Sie zitieren, macht nun endgültig deutlich, was wir beide ja schon vermuteten, daß Karl May nämlich im Jahre 1902 ganz sicher nicht mehr daran dachte, nach Amerika auszuwandern. Trotzdem hielt sich das Gerücht, wie es Gerüchte nun mal an sich haben, hartnäckig. Sicherlich ärgerte sich Karl May, wenn er solcherlei (gepaart mit Ausdrücken wie "berühmter Aufschneider") in den Zeitungen lesen mußte. Zu Recht ärgerte er sich. Doch im Vergleich zu dem, was in den folgenden Jahren noch auf ihn zukommen sollte, war solch eine Meldung wie die aus der "Frankfurter Zeitung" vom 25. Oktober 1902 ja noch harmlos.

Freundliche Grüße
Wolfgang Sämmer
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