Zumindest in 2 Punkten stimmen rodger und ich überein: rodger hat nie behauptet, dass May ein gläubiger Spiritist gewesen sei; und ich habe nie behauptet, dass sich May für Spiritistisches nie interessiert hätte. Wo also ist das Problem? Worin unterscheiden sich unsere Ansichten?
Ich vermute, der Differenzpunkt liegt in der Sprachregelung, in der Begriffsbestimmung. Ich verwende, dem üblichen Sprachgebrauch entsprechend, das Wort ›Spiritismus‹ ausschließlich im Sinne der Geisterbeschwörungen, also des Herbeirufens von Verstorbenen, um von diesen irgendwelche Auskünfte zu bekommen (über meist sehr albernes Zeug). So etwas finde ich im Erzählwerk Karl Mays nirgendwo – abgesehen von etlichen Szenen in den Kolportageromanen und in den Reiseerzählungen; aber in diesen Szenen werden solche Geisterbeschwörungen vom Autor nicht nur nicht gutgeheißen, sondern mit sarkastischer Ironie ins Lächerliche gezogen (was ich als angemessen empfinde).
Roger nun aber, dies ist mein Eindruck, denkt bei ›Spiritismus‹ auch an parapsychologische Phänomene, wie sie im ›Jenseits‹-Band – sehr gekonnt – geschildert werden. Das Argument: Man könne das nicht so scharf voneinander trennen, es gebe da fließende Übergänge. Das mag in der Praxis ja durchaus so sein. In der Zeitschrift ›Psi im Alltag‹ z. B. (Heft 1 des Jahrgangs 2003 liegt mir vor) werden neben spiritistischem Humbug (ich bleibe bewusst bei dieser despektierlichen Wortwahl) auch übersinnliche Phänomene besprochen, die ich keineswegs für Humbug halte, sondern als hochinteressante (und bisher nicht hinreichend erklärbare) Tatsachen ansehe.
Damit die Sache nun ein bisschen konkreter wird, teile ich folgendes mit: In besagter Zeitschrift (Heft 1, S. 4-6) wird unter der Überschrift ›Klara May‹ sehr bedauert, dass »der Karl-May-Biograph Hermann Wohlgschaft« dem Spiritismus ablehnend gegenüberstehe. Dann wird sehr ausführlich aus der Erstfassung meiner Biographie zitiert. Anschließend wird, wie nicht anders zu erwarten, der Spiritismus als die wahre Heilslehre gepriesen. Und zuletzt wird – allen Ernstes!!!!!!! – die verstorbene Klara May interviewt und nach der Stichhaltigkeit meiner Spiritismuskritik gefragt. Klara antwortet sehr eingehend:
»Verehrte Damen, verehrte Herren, uns ist nun die Möglichkeit gegeben, ein Zeugnis für das Leben nach dem Tode zu geben. (…)« Was dann folgt, ist derart haarsträubender Unsinn, dass ich mir die Wiedergabe hier spare.
In derselben Zeitschrift, in anderen Artikeln, findet sich aber auch durchaus Vernünftiges. So gesehen, scheint es in der Tat fließende Übergänge zwischen Glaube und Aberglaube, Sinn und Unsinn zu geben.
Mit spiritistischem Gruß
HW