Band 92

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rodger
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Band 92

Beitrag von rodger »

Bei Aha-Buch (ist nach meinen Erfahrungen schneller als Amazon) ist der Band ab heute lieferbar. Ich habe ihn soeben bestellt und kann wohl morgen oder übermorgen mit der kostenfreien Lieferung rechnen.

:!:
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rodger
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Re: Band 92

Beitrag von rodger »

Erste Leseeindrücke (bis S. 100):

Neben „Marah Durimeh“ war offenbar auch „Im Jenseits“ seitens May fest geplant (S. 10), ich hatte das bislang eher für einen Scherz gehalten, da eine Briefstelle („wird sofort erscheinen, wenn der erste Band verstanden worden ist“) entsprechend klang.

Fehsenfeld kann einen richtig berühren (S. 14 ff) und ist darüber hinaus ein kluger Mann (22 ff), Karl May gibt sich knallhart und rachefreudig (S. 17 ff).

Karl May kann verblüffend unverschämt werden (S. 48) und lässt durchblicken, daß er auch Leserkorrespondenz als Teil des Geschäfts ansieht (S. 52, solche Korrespondenz werde ich zukünftig mit etwas anderen Augen lesen), im gleichen Brief, wenige Zeilen später, bringt er es dennoch trotzdem fertig, davon zu sprechen, daß sein Leben „größere und heiligere Zwecke als so geschäftlich niedrige“ habe …

Solange er seinen Willen durchkriegt oder durchzukriegen meint, ist für ihn alles in Ordnung, jedenfalls vermittelt sich dieser Eindruck eines in dieser Hinsicht sonnigen Gemüts, und hat etwas kindliches an sich …

Die Bemerkung auf S. 69 ist wiederum sehr hübsch, „manchmal sehr aufrichtiger, stets aber wohlmeinender“, das ist ja ständig auch mein Reden, daß radikale Härte und Wohlwollen sich keineswegs ausschließen müssen, wobei ich mir indes bei Karl May keineswegs so sicher bin, ob er wirklich immer „wohlmeinend“ sein wollte …

„Sie irren sich wieder in allen Punkten, wie immer“ (S. 79) ist zwar durchaus originell und einmal mehr hübsch aufrichtig, aber da dürfte er dem armen Fehsenfeld wirklich Unrecht tun.

Die „feine Gratifikation“ (diesmal für Sascha Schneider), die ihn geradezu zwanghaft sozusagen durchs Leben verfolgt bzw. nicht losläßt, findet sich nun gar in einem selber ausgedachten Vertragsentwurf (S. 92).

Die Bemerkung zu Fischers Tod (S. 94) von wegen Gottes Mühlen ist einfach nur widerwärtig und zeugt von ganz falsch verstandener Religiosität bzw. deren üblem Mißbrauch. Da ist der Privatmann May für einen Moment ganz nah bei seinen teilweise abstoßenden bigott frömmelnden Marienkalendergeschichten.
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Faterson
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Re: Band 92

Beitrag von Faterson »

Karl May hat geschrieben:„Sie irren sich wieder in allen Punkten, wie immer“ (S. 79)
Bild Könnte Old Shatterhand gesagt haben.
Alexander (Sascha) Avenarius
Buch der Zitate, darunter viele Zitate von Karl May
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rodger
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Re: Band 92

Beitrag von rodger »

Weitere Leseeindrücke (bis S. 200):

"Aetzanstalt" (S. 102), auch nicht schlecht in Zusammenhang mit Autoren und Verlagen ...

Sein Kara Ben Nemsi habe auf einer Illustration ein "Brod- und Semmelbäckermeistergesicht" (S. 103) ..., sehr schön, es geht mir oft bei Illustrationen in den Weltbild-Bänden so, daß ich denke, die malen das so wie sie sich das (aus ihrem Horizont heraus) vorstellen, aber nicht so, wie Karl May es gesehen hat ...

"Das ist nicht David Lindsay, sondern irgend ein ganz gewöhnlicher, carrirt gekleideter Mensch ohne alle Individualität" (S. 107), das bezieht sich auch auf eine Illustration, klingt aber, als käme er frisch von der Aufführung einer Freilichtbühne ...

Und das auch: "machen den Buluk Emini zu einem Blödsinnigen, während er doch nur ein Original ist" (S. 108).

"Im Jenseits" sollte tatsächlich in Mekka spielen (S. 110), die Idee ist also gar nicht von Kandolf, sondern von Karl May (bevor es wieder mißverstanden wird: das ist in Richtung Kandolf eher als Lob gemeint).

Konkrete Pläne in Sachen 30 Münchmeyerbände bei Fehsenfeld (S. 124).

"Abu Kital" - das ist doch seltsam, daß May im Oktober möchte, daß der erste Band zu Weihnachten herauskommt (S. 124 / 130), wenn da noch gar nichts (es gibt 1 Seite) geschrieben war ?!? Hat er Material davon später für "Ardistan und Dschinnistan" (oder anderes) verwendet ?! Oder in einer Anwandlung von heftigem Eigensinn gar entsorgt ?

Schneiders Marah Durimeh sei von "vollendeter Schönheit" (Klara May, S. 126), je nun, die Geschmäcker sind verschieden ...

"Seine Indianer und Araber sind geistige oder seelische Potenzen" (S. 136), Wesenheiten, ja.

"Behüte Gott jeden wohlmeinenden Menschen vor dem Geist und vor dem Mist der Kolportage" (S. 138), einige Jahre lang ging es ihm aber eigentlich ganz gut damit ... (andererseits ... der Berichterstatter schließt nicht aus, daß er sich eines Tages in ähnlicher Form rückblickend über Internet-Foren ausläßt ...) (man denke sich einen Smiley; wir lassen es bei einem gedachten, der reale würde das Schriftbild hier stören)

"Seelenblindheit", eine "psychische Blockade, in deren Folge der Betroffene nichts sieht, obwohl keine physiologische Indikation vorliegt", Notiz Mays dazu: "Sujet" (S. 147), Nun, das ist auch nicht übel.

Ebenso "Ihr manchmal unerzogener, sonst aber ganz erträglicher Karl May" auf der nächsten Seite (108).

Für einen Vortrag wünscht er sich "Orgelbegleitung, nicht aber Zigarrenrauch und Gläserklang" (S. 158), das verstehen wir.

Interessant die Pläne mit den Werken von Winnetou und Kara Ben Halef (S. 195), und "nur meine Intentionen maßgebend sind, nicht aber die von anderen Leuten" mutet in dem Zusammenhang geradezu prophetisch an, und kann traurig stimmen.

"Babel und Bibel war weiter nichts als nur ein Knüppel zwischen die Beine meiner Gegner" (S. 195), das hörte sich ein paar Jahre zuvor noch ganz anders an ...

Verblüffend der optimistische Ton und die offenbar unbekümmerte Frische, mit der Fehsenfeld den neuen Plänen gegenübersteht ... (S. 199)
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rodger
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Re: Band 92

Beitrag von rodger »

"Also so schwer krank sind Ihre Arme und Hände ? Ja, dieses verteufelte Radeln und Töffen, welches grad die Flechsen und Nerven der Hände zerstört !" ... (S. 203; ein bißchen richtig gemein konnte er manchmal auch sein ...)

Im gleichen Brief verkauft May einen (mutmaßlichen) Abszess als in Amerika zugezogene Verletzung, Fehsenfeld notiert "Yankees" und fragt dann auch im nächsten Brief "Wenn ich nicht Ihre gleichmäßige schöne Schrift sähe, würde ich einen gehörigen Schreck bekommen haben. Was haben Sie denn bei den Yankees angefangen ?" (S. 205), angenehm blauäugig ...

May kündigt Winnetou IV für "Anfang May" an (S. 209), sehr schön ...

Immer wieder mal geht es um Honig, den May offenbar schätzt und den Fehsenfeld ihm schickt ... (u.a. "Demnächst erhalten Sie Honig neuer Ernte, der ist köstlich !" (S. 235)); auf S. 239 lesen wir dann, daß Max Pappermann in Winnetou IV ursprünglich einäugig sein sollte, das wußte ich bislang noch nicht, und, um mit Heinz Ehrhardt zu sprechen, "machte mich stutzig".

Es ist nicht so, daß nicht auch Fehsenfeld mal tricksen würde, die Sache von wegen Einband (ein Deckelbild ist etwas anderes) auf S. 234 ist doch ein wenig allzu leicht als recht tricky durchschaubar.

Daß "Mein Leben und Streben" primär unmittelbare Reaktion auf den "geborenen Verbrecher" und den Lebius-Freispruch war, wird auf S. 255 deutlich.

"An einem Tage kamen 4 Abbestellungen - einer hatte 300 Bände bestellt, in Günzburg an der Donau" (S. 256); "Das Volk hat ja nicht den Schriftsteller geliebt - sondern den Abenteurer" (ebd.), beim einen oder anderen, auch in Günzburg an der Donau, dürfte es aber bis heute gerade eher umgekehrt sein.

Rührend und sympathisch ist Fehsenfelds "An die Leser Karl Mays" (S. 257 ff).

Die Fußnote auf s. 260 ist m.E. völlig daneben, da hat man Fehsenfelds Äußerung offenbar falsch verstanden (man erlebt das oft (nicht in diesem Buch, aber sonst im Leben), geradezu erschreckende Mißverständnisse, weil nur die Worte aufgenommen werden (bzw. die Wahrnehmung auf diese focussiert, reduziert wird), nicht aber Subtext, Kontext, Sinn, die sich eben erst im größeren gedanklichen Bogen vermitteln). Der "Jugendschriftsteller" ist ja nur ein Aspekt des Werks und weiter nichts, und das wußte auch Fehsenfeld, er geht ja im gleichen Text, in dem das inkriminierte Wort "Jugendschriftsteller" auftaucht, bald darauf dezidiert auf das Spätwerk ein.

Apropos Fußnoten, daß es sich bei "Schillers Räubern" um ein "Drama von Friedrich (von) Schiller (1759-1805)" handelt, braucht man vielleicht auch nicht unbedingt erklären ... (S. 261)

Sehr hemdsärmelige Äußerungen Mays über "Mein Leben und Streben" (S. 279), er konnte schon sehr pragmatisch sein ...

Dieser Herr Hauschild, der den Verlag wohl mal übernehmen wollte, scheint ein klarer und kluger Kopf gewesen zu sein (S. 300 ff), das wird spätestens bei dem "Zankapfel"-Satz auf S. 312 deutlich. - Wäre vielleicht eine gute Sache gewesen, damals.

"Soeben habe ich mit dem ersten Bande meiner eigentlichen Werke begonnen" (May 1912, S. 326), "Es beginnt" (letzter Satz Mays in der Korrespondenz mit Fehsenfeld; S. 329) ...
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Helmut
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Re: Band 92

Beitrag von Helmut »

Wenn ich "In fernen Zonen" noch richtig im Kopf habe, hat er sich den Abszess tatsächlich während seiner Amerikareise zugezogen, und ihn dann (auf der Rückreise) in England auskuriert.

Helmut
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rodger
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Re: Band 92

Beitrag von rodger »

Klar. Das mit Amerika bestreitet ja keiner (habe mich da vielleicht etwas mißverständlich ausgedrückt), nur daß er eine Verletzung draus macht, und Fehsenfeld darauf einsteigt, darum ging es mir. Ein Abszess ist ja auch in Amerika ein schnöder Abszess, aber wenn er schreibt, "Verletzung, die ich mir jetzt in Amerika holte", klingt das natürlich gleich nach sonstwas (mindestens Grizzly).

:wink:
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rodger
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Re: Band 92

Beitrag von rodger »

Insgesamt herrscht nach der Lektüre des Bandes bei mir der Eindruck vor, daß es so schlimm, wie man nach einigen Leser-Anmerkungen hätte meinen können, keineswegs war in Sachen Bösartigkeit u.ä. der Briefe Mays. Gut, da ist dieser eine etwas verunglückte Brief mit den beleidigend klingenden Äußerungen, aber selbst so etwas kann m.E. mal vorkommen, und ansonsten ist für mein Empfinden wirklich alles 'halb so wild', da gab es in der 'Chronik' weitaus unangenehmeres zu lesen (z.B. in Sachen Marie Hannes).

Das Interview mit Dr. Nhil (S. 343) würde ich ja gern mal lesen, weiß jemand, ob es irgendwo abgedruckt ist ?

"Feilschen Sie nicht, am Grabe des Mannes ..." schreibt Klara (S. 349), dazu fiel mir einmal mehr das hübsche 'Wer's sagt, ist es selber' ein ... "Er handelte alle Zeit klar und durchdacht und ich fühle mich keineswegs berufen von ihm getroffene Bestimmungen zu verändern", leider ist sie solch angemessen bescheidener Haltung nicht treu geblieben ...

Fehsenfeld will für Sonderausagben Kürzungen vornehmen, Klara schreibt viermal unterstrichen "nein" an den Rand, auch hierin sollte sich ihr Sinn leider wandeln.

1912 hieß es in einer Wiener Zeitung in einem Nachruf "wie sehr willkommenes Gegenmittel gegen die Nüchternheit und Plattheit unserer zivilisierten Welt seine Schriften allüberall waren", das gilt rund hundert Jahre später immer noch.

Interessant und durchaus glaubwürdig ist der "Rechenschaftsbericht" Fehsenfelds (S. 370 ff).

Den Artikel "Karl May und sein Verleger" von Konrad Guenther kannten wir schon aus Band 20 der Reprints, dort lag allerdings eine teilweise erheblich veränderte Textfassung vor.

Zum Schluss noch etwas Heiteres; Paula Fehsenfeld berichtet (S. 450) von einer Bootsfahrt auf dem wahrlich beschaulichen Titisee im Schwarzwald. "M., der sein Canoe über die Flüsse u. Stromschnellen Amerika's steuerte, sollte selbstverständlich uns rudern". Aber "es erhob sich ein Wind", das Boot "schaukelte bedenklich", "Mir wurde Angst um meine Kinder"; May "war nicht im Stande, das Boot zu regieren, er konnte überhaupt nicht rudern". Verleger Fehsenfeld "ergriff die Ruder u. brachte uns sicher zum Ufer".
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