Zum Beitrag von Heiko Ehrhardt
„ „Winnetou ist ein Christ“ Überlegungen zum Christlichen im Werk Karl Mays“
Selten ging es mir, vor allem in solchen relativ kurzen Texten wie in diesem Büchlein, so, dass ich in einem Text so viel Dinge, denen meine Zustimmung gehört und gleichzeitig einige Dinge, die bei mir auf gründlichen Widerspruch stoßen, gefunden habe.
Ehrhardt möchte in seinem Text „... die Frage (…) klären, ob das Christliche im Werk Karl Mays den Erwartungen seiner Leser geschuldet ist oder ob dahinter ernster, persönlicher Glaube steht“ (S.22)
Er tut das anhand mehrerer Figuren in Mays Werk.
Anhand der Geschichte um den „Ruh 'ikulyan“ in „Durchs wilde Kurdistan“ kommt er zu der zutreffenden Einschätzung:
„Entscheidend ist die gelebte Tat – nicht das gepredigte Wort. Mission also geschieht in diesem Fall durch Güte, Toleranz und das Vorbild gelebten Glaubens. Ein Verständnis von Mission, das durchaus quer zu vielen zeitgenössischen Verständnissen steht, dem wir aber gleichwohl bei May immer wieder begegnen. (S. 25)
In dem Winnetou gewidmeten Unterkapitel kommt Ehrhardt bei der Klekih-petra Geschichte und dessen Vergangenheit in Deutschland (Revolution 1848) zu dem Schluß:
„In diesem pauschalen Negativurteil über die Revolution von 1848 äußert sich ein konservativer politischer Zug bei Karl May, der sein ganzes Leben prägte.“ (S.27.
Das sehe ich persönlich nicht ganz so. Im Großteil der Werke Mays mag das zum Ausdruck kommen, in Romanen wie „Und Friede auf Erden!“ oder „Ardistan und Dschinnistan“ m.E. nicht. Da macht er sich schon Gedanken um alternative (wenn auch utopische) Gesellschaftsformen.
Überhaupt nicht mitgehen kann ich bei der Sichtweise des Autors, wenn er auf Seite 27 in einer Fußnote festhält:
„Karl Mays Ausführungen zur roten Rasse als „sterbender Rasse“ (…) sind unverhohlen rassistisch.“ Und auch wenn er in der Fußnote weiterschreibt: „Mays Rassismus ist daher nicht dazu angetan, gewalttätiger Vernichtung Argumente zu liefern. Und das „Recht zu existieren, nicht weniger als der Weiße“, gesteht Karl May der roten Rasse ausdrücklich zu.“ - bin ich weiterhin der Meinung, dass Karl Mays Ausführungen NICHT rassistisch sind.
Besonders mein Interesse erregt hat das Unterkapitel, das sich mit Old Wabble beschäftigt.
Der Autor beginnt mit der Szene, in der Wabble, als „spöttischer Atheist“ (S. 32) beim nächtlichen Ritt durch die Wüste, im Gespräch mit Old Shatterhand mit „Facts“ argumentiert.
„Dass Old Wabble dann im Folgenden die christlichen Grundlehren ablehnt, ist an sich nur konsequent. Dass aber Old Shatterhand im Gegenzug zur Verteidigung des Glaubens nicht viel mehr aufzubieten hat, als die Drohung mit dem Tag des Todes, dem Tag des Gerichts, führt Old Wabble dann dazu, mit einem „Old Wabble wird niemals ein frommes Lämmchen sein; it´s clear“ zu schließen.“ (S. 33)
Ich sehe das ähnlich. Old Wabble erweist sich mit seinen Facts als Materialist, auch wenn seine Facts in der Mehrzahl kritikwürdig bis falsch sind. Und interessant ist, dass Old Shatterhand dieser materialistischen Sichtweise tatsächlich keine Argumente entgegenzusetzen hat als die Drohung mit dem Tag des Todes.
Ehrhardt kommt dann zur Szene der Bekehrung Wabbles, die er passenderweise als „ebenso ergreifend, wie sie holzschnittartig roh ist“ (S. 34) charakterisiert.
Die Szene, in der „... Old Wabble noch an den Ort transportiert (wird), an dem bereits seine getöteten Kumpane liegen und an dem auch er sein Grab finden wird.“ (S. 34) bezeichnet Ehrhardt passenderweise als „... wirklich abstoßend brachiale Methode“ (ebd.)
Schließlich endet das Kapitel mit den Worten: „Trotzdem ist hier die Kombination von perverser Brutalität, seelischer Nötigung, Gebet und fast rituell gestalteter Bekehrung auf eine bizarre Weise herausragend. Bekehrt werden mag man so nicht. (…)“ (ebd.)
Bis auf die wohl etwas überspitze Formulierung „ perverser Brutalität“ findet das meine Zustimmung und wenn ich in vergleichbarer Weise vor wenigen Monaten in dem damals diskutierten „Old Surehand“-Thread davon abgesehen hatte, mich genau dazu zu äußern, dann deshalb, weil es mir zu dem Zeitpunkt zu provokatorisch erschien.
Nachdem Heiko Ehrhardt in den ersten Unterkapiteln von der „... brachiale(n) Bekehrung des reuigen Sünders Old Wabble, der fast an Ikonografie grenzende Tod Winnetous und die eher beiläufig (…) geschilderte Bekehrung Halef Omars ...“ (S.35) berichtete, kommt er zu der Einschätzung, dass es sich hier um Personen handelt, „... mit denen sich der Leser im Grunde nicht identifizieren kann. Denn die Leser Karl Mays sind keine Apachenhäuptlinge, keine gläubigen Muslime und auch keine reuigen Erzschurken.“ (ebd.)
Abgesehen davon, dass es dem Autor wohl schwer wäre zu beweisen, dass unter den Lesern Mays keine gläubigen Muslime sind, sehe ich das auch mit der Identifikationsmöglichkeit anders.
Winnetou ist eigentlich der einzige, mit dem ich mich nie identifizieren konnte. Sowohl Halef als auch Wabble haben jedoch sehr wohl Identifikationspotential, natürlich niemals 100%iges.
In den zwei weiteren Unterkapiteln setzt sich Ehrhardt mit Carpio und Hiller sowie einigen Schurkengestalten auseinander. Eine Besprechung dieser zwei Kapitel unterlasse ich hier um zum Schlußkapitel zu kommen:
Interessant ist hier schon die Überschrift, interessant und provokatorisch (im positiven Sinne):
„ „Winnetou ist ein Christ“ - und Karl May?“ (S.38)
Der Autor will hier die Frage nach „... dem „Christlichen“ im Werke Karl Mays und nach seiner persönlichen Gläubigkeit von seinen Werken her (…) klären.“ (ebd.)
Er kommt zum Schluß, „... dass der christliche Glaube für Karl May zentral wichtig war.“ (S.40)
Um dann in Bezug auf das Glaubensbekenntnis Karl Mays von 1906 festzustellen, dass „... man einzelne Aussagen des Bekenntnisses hinterfragen kann ...“ (ebd.)
Mays Glaubensbekenntnis war für mich immer eine Widerspiegelung seines
persönlichen Glaubens.
Inwieweit dieser 100 %ig mit irgendwelchen konfessionsgebundenen Dogmen übereinstimmt, weiß ich nicht und ist für mich auch nicht wichtig. Mich weiter dazu zu äußern, verbietet mir allerdings meine Eigenschaft als Atheist.