Ahriman Mirza, Old Wabble, Tod und Teufel ...
Verfasst: 5.9.2007, 10:09
Querverbindungen zu Karl May gibt es doch immer wieder, gelegentlich auch antithetisch …
„der erbärmlichen und schauderhaften Komödie, die das Christenthum mit der Sterbestunde getrieben hat. Man soll es dem Christenthume nie vergessen, dass es die Schwäche des Sterbenden zu Gewissens-Nothzucht, dass es die Art des Todes selbst zu Werth-Urtheilen über Mensch und Vergangenheit gemissbraucht hat!“
las ich kürzlich bei Nietzsche (Götzen-Dämmerung, Streifzüge eines Unzeitgemäßen, Nr. 36), und schlagartig fiel mir Old Surehand III ein, die beiden berühmten Sterbeszenen, Old Wabble und der General (wobei Autor May bei letzterer aufgrund hartnäckiger Weigerung seines „Opfers“, „Vernunft“ anzunehmen, kaum Worte verliert …)
*
Karl Mays frühes Manuskriptfragment „Ange et diable“ (enthalten in GW Band 79) setzt sich übrigens noch auf angenehm hemdsärmelige und respektlose Weise sozusagen mit Tod und Teufel auseinander, und er vertritt dort aufs erfrischendste eine wesentlich differenziertere Weltanschauung als zu späteren Zeiten.
"Wie nun das Kind eines Vaters bedarf, in welchem es den Herrn über alle seinem Gesichtskreis nahe liegenden Erscheinungen und Verhältnisse sieht, wie manche Erzieher ferner eines bösen Wesens bedürfen, mit welchem sie gleichsam als Popanz den Zögling von bösen Wegen und Thaten abzuschrecken vermeinen, so bedurfte auch der Mensch auf der Stufe seiner Kindheit eines allmächtigen etc. Vaters, den er Gott nannte, und so stellten auch die damaligen Erzieher eine Krautscheuche ins Feld, welcher sie den Namen Teufel gaben.
Je mehr sich aber der Mensch entwickelt, desto mehr kommt er zu der Erkenntniß, daß Vieles, was er außer sich gesucht hat, in ihm selber wohnt und lebt, und so wird und muß auch einst die Zeit kommen, in welcher er seinen Gott in sich selbst fühlt und findet und den Teufel in die Rumpelkammer unter das alte Eisen wirft. Kirchen, Pagoden, Synagogen etc. werden verschwinden; Tauf- und Confirmationsscheine wird selbst ein Antiquitäten- oder Raritätensammler kaum aufzuweisen haben, und der aufgeklärte Mensch wird mit demselben Gefühle in die Vergangenheit zurückblicken, mit welchem der geschulte Reiter an den Augenblick denkt, an welchem er sich das Hosenkreuz zerplatzte, als ihn das Pferd zum ersten Male abwarf.
[…]
und wer den Teufel in die Buttermilch wirft, der stößt auch die Dogmen unsrer Bibellehre um."
Aus seinen Werken kann der geneigte Leser solches später nur noch bei genauem Hinschauen herauslesen, hier steht es noch schwarz auf weiß.
Man überlese bitte nicht den Passus „und so wird und muß auch einst die Zeit kommen, in welcher er seinen Gott in sich selbst fühlt“, nicht dass noch einer meint, hier ginge es nur ratzfatz um Hemdsärmeligkeit und Respektlosigkeit an sich, Nein, solches ist, auch bei Karl May, manchmal nur so etwas wie ein Stilmittel, um einerseits zwar Wesentliches vorzutragen, aber auch wiederum nicht allzu großes Aufhebens davon zu machen …
Will sagen: auch der zitierte frühe Text Mays zeugt m.E. keineswegs von Gottlosigkeit oder dergleichen, sondern von freier, selbständiger & selbstbestimmter Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Glauben & Religion.
(Und es spricht auch keineswegs irgendetwas gegen tiefgehende Reflektion und ganz genaues "Hingucken" in der Sterbestunde. Spätestens dann wird es Zeit, besser: weit vorher. Aber so Dinge wie Gewissen und Wertungen sind auch dann durchaus flexibel handhabbar bzw. betrachtbar ...)
„der erbärmlichen und schauderhaften Komödie, die das Christenthum mit der Sterbestunde getrieben hat. Man soll es dem Christenthume nie vergessen, dass es die Schwäche des Sterbenden zu Gewissens-Nothzucht, dass es die Art des Todes selbst zu Werth-Urtheilen über Mensch und Vergangenheit gemissbraucht hat!“
las ich kürzlich bei Nietzsche (Götzen-Dämmerung, Streifzüge eines Unzeitgemäßen, Nr. 36), und schlagartig fiel mir Old Surehand III ein, die beiden berühmten Sterbeszenen, Old Wabble und der General (wobei Autor May bei letzterer aufgrund hartnäckiger Weigerung seines „Opfers“, „Vernunft“ anzunehmen, kaum Worte verliert …)
*
Karl Mays frühes Manuskriptfragment „Ange et diable“ (enthalten in GW Band 79) setzt sich übrigens noch auf angenehm hemdsärmelige und respektlose Weise sozusagen mit Tod und Teufel auseinander, und er vertritt dort aufs erfrischendste eine wesentlich differenziertere Weltanschauung als zu späteren Zeiten.
"Wie nun das Kind eines Vaters bedarf, in welchem es den Herrn über alle seinem Gesichtskreis nahe liegenden Erscheinungen und Verhältnisse sieht, wie manche Erzieher ferner eines bösen Wesens bedürfen, mit welchem sie gleichsam als Popanz den Zögling von bösen Wegen und Thaten abzuschrecken vermeinen, so bedurfte auch der Mensch auf der Stufe seiner Kindheit eines allmächtigen etc. Vaters, den er Gott nannte, und so stellten auch die damaligen Erzieher eine Krautscheuche ins Feld, welcher sie den Namen Teufel gaben.
Je mehr sich aber der Mensch entwickelt, desto mehr kommt er zu der Erkenntniß, daß Vieles, was er außer sich gesucht hat, in ihm selber wohnt und lebt, und so wird und muß auch einst die Zeit kommen, in welcher er seinen Gott in sich selbst fühlt und findet und den Teufel in die Rumpelkammer unter das alte Eisen wirft. Kirchen, Pagoden, Synagogen etc. werden verschwinden; Tauf- und Confirmationsscheine wird selbst ein Antiquitäten- oder Raritätensammler kaum aufzuweisen haben, und der aufgeklärte Mensch wird mit demselben Gefühle in die Vergangenheit zurückblicken, mit welchem der geschulte Reiter an den Augenblick denkt, an welchem er sich das Hosenkreuz zerplatzte, als ihn das Pferd zum ersten Male abwarf.
[…]
und wer den Teufel in die Buttermilch wirft, der stößt auch die Dogmen unsrer Bibellehre um."
Aus seinen Werken kann der geneigte Leser solches später nur noch bei genauem Hinschauen herauslesen, hier steht es noch schwarz auf weiß.
Man überlese bitte nicht den Passus „und so wird und muß auch einst die Zeit kommen, in welcher er seinen Gott in sich selbst fühlt“, nicht dass noch einer meint, hier ginge es nur ratzfatz um Hemdsärmeligkeit und Respektlosigkeit an sich, Nein, solches ist, auch bei Karl May, manchmal nur so etwas wie ein Stilmittel, um einerseits zwar Wesentliches vorzutragen, aber auch wiederum nicht allzu großes Aufhebens davon zu machen …
Will sagen: auch der zitierte frühe Text Mays zeugt m.E. keineswegs von Gottlosigkeit oder dergleichen, sondern von freier, selbständiger & selbstbestimmter Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Glauben & Religion.
(Und es spricht auch keineswegs irgendetwas gegen tiefgehende Reflektion und ganz genaues "Hingucken" in der Sterbestunde. Spätestens dann wird es Zeit, besser: weit vorher. Aber so Dinge wie Gewissen und Wertungen sind auch dann durchaus flexibel handhabbar bzw. betrachtbar ...)