Der Geruch der Pferde

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rodger
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von rodger »

Die Kreuzigung ist sogar eine doppelte. An dem einen Kreuze hänge ich persönlich; an dem andern hänge ich in meinen Werken.
In der Tat, groß in Szene ...

Als es mit dem großen Macher und dem großen Helden nicht mehr so recht klappen wollte, sollte es schon das überlebensgroße Opfer sein ... und ab und an der große Einsichtige ... zu letzterem Wilhelm Busch:

Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab' ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;

Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;

Und viertens hoff' ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.

Sehen wir unseren Karl May ruhig mal kritisch. Wir können ihn ja trotzdem mögen.

:wink:
Rene Grießbach
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von Rene Grießbach »

rodger hat geschrieben:
Die Kreuzigung ist sogar eine doppelte. An dem einen Kreuze hänge ich persönlich; an dem andern hänge ich in meinen Werken.
In der Tat, groß in Szene ...
Nun, zumindest ich interpretiere das als einfachen Vergleich mit dem Schicksal eines Jesus als Mensch (oder noch besser: mit all den vielen Menschen, die so sterben mussten), nicht so, dass May sich selbst (offen oder heimlich) als Erlöserfigur betrachtete.

rodger hat geschrieben: Sehen wir unseren Karl May ruhig mal kritisch. Wir können ihn ja trotzdem mögen.
Richtig. Ist ja auch kein Widerspruch.
Bzw.: Wen man mag, den soll man bei Bedarf auch mal kritisieren. :D
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rodger
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von rodger »

Rene Grießbach hat geschrieben:ich interpretiere das [...] nicht so, dass May sich selbst (offen oder heimlich) als Erlöserfigur betrachtete.
Das hatte ich auch nicht sagen wollen, sondern Hermann Wohlgschaft darin zustimmen, daß May einen Hang zur "großen Pose" hatte ...

Wen man mag, den soll man bei Bedarf auch mal kritisieren.
Dazu fällt mir Brechts Herr K. ein, was tun Sie, wenn Sie einen Menschen lieben, wurde er gefragt, und antwortete, er mache einen Entwurf von ihm, und sorge, daß er ihm näher werde. Der Entwurf ? Nein, der Mensch ... Was man ja unterschiedlich interpretieren kann. Brecht meinte wohl das sei gut, Erziehung des Menschen[geschlechts] sozusagen. Naja ... Die andere Form sehen wir aber auch öfter mal, sich jemand so zurechtbasteln oder auch zurechtinterpretieren wie man ihn selber gern hätte ... gibt's auch bei Mayfreunden ...

:D
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Helmut
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von Helmut »

Das mit dem "am Kreuz hängen" kam im Vortrag auch vor, auch dass er (May) sich fühle, als ob das "Leiden der ganzen Welt" auf ihn geladen wurde (das ist jetzt aus meinem Gedächtnis zitiert).
Dieser Teil des Vortrags setzte sich durchaus kritisch mit dem Verhalten Mays auseinander.
Er hat sich wohl selbst (zumindest nicht direkt) mit Jesus verglichen, aber in seinen "Selbstinszenierungen" schwangen solche Vergleiche durchaus mit.

Helmut
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rodger
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von rodger »

Mir hat mal einer vor ich glaube vierzig Jahren [im Schloßgarten in Oldenburg] eine "Wagner-Attitüde" vorgehalten, "Seht her ich leide" ... Recht hatte er. Auch wenn ich einige Jahre gebraucht habe um das einzusehen.

:D
Seit einem Jahre ist mir der natürliche Schlaf versagt. Will ich einmal einige Stunden ruhen, so muß ich zu künstlichen Mitteln, zu Schlafpulvern greifen, die nur betäuben, nicht aber unschädlich wirken. Auch essen kann ich nicht. Täglich nur einige Bissen, zu denen meine arme, gute Frau mich zwingt. Dafür aber Schmerzen, unaufhörliche, fürchterliche Nervenschmerzen, die des Nachts mich emporzerren und am Tage mir die Feder hundertmal aus der Hand reißen! Mir ist, als müsse ich ohne Unterlaß brüllen, um Hilfe schreien. Ich kann nicht liegen, nicht sitzen, nicht gehen und nicht stehen
Karl, geht's 'ne Nummer kleiner ?

:wink:
Lerne leiden ohne zu klagen.
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rodger
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von rodger »

Oder auch:

"Du mußt stehen." (Helmut Kohl)

Der Sohn hat ihm das vorgeworfen daß er das immer zu ihm gesagt hat. Mir gefällt's.

8)

("der eine bleibt stehen der andere fällt um wiedebumm wiedebumm"; Alfred Döblin)

("Die Welt zerbricht jeden, und nachher sind viele an den zerbrochenen Stellen stark"; Ernest Hemingway)
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rodger
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von rodger »

Hm ... und wenn ich dann mal so richtig gemütlich selbstzufrieden ins Plaudern gerate, ist's schnell wieder vorbei mit der Kommunikation ...

Sollte ich mir darüber Gedanken machen ?

:lol:
Rene Grießbach
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von Rene Grießbach »

rodger hat geschrieben:Sollte ich mir darüber Gedanken machen ?

:lol:

Nö. :D

Aber interessant ist das, was hier in den letzten Tagen abging, schon.
Da wird an anderer Stelle im Forum darüber sinniert, ob das Forum am Sterben ist und dann ist es ausgerechnet Winnetous Tod, der für ne Wiederbelebung sorgt. :wink:
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Doro
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von Doro »

Tod (Sterben) und Leben liegt nahe beieinander und ist im Grunde weder zu Trennen, noch funktioniert das Eine ohne das Andere, vllt. liegt's daran. Was auch immer zum gesellschaftlichen Tabu kommerzialisiert wird, Natur bleibt Natur und ohne geht's ned, sollte verstärkt wieder so wahrgenommen werden, finde ich.
(Eventüll liegt's ja an der Jahreszeit, oder auch an den Tagen, jetzt, dass das Thema zum Austausch motiviert :wink: )

Interessant in dem Zusammenhang fällt mir auf, dass stille und bewegte Luft, das Du in der Westmannsprache und die entsprechende Nähe, zur Hingabe an Tod zum Leben führt 8)
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rodger
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von rodger »

Als es mit dem großen Macher und dem großen Helden nicht mehr so recht klappen wollte, sollte es schon das überlebensgroße Opfer sein ... und ab und an der große Einsichtige ... zu letzterem Wilhelm Busch:

Die Selbstkritik hat viel für sich.
[...]
... oder Franz Werfel:
Ich zeigte Glut und Wärme,
Doch das war nur Geschwärme.
Mein Klima war der Winter,
Frost, Stroh und nichts dahinter.
Versprochen hiess gebrochen,
Im Ich lag ich verkrochen
Wie unter Federbetten.
Gleich allen Erz-Koketten
Missbraucht' ich noch die Reue,
Dass ich mich meiner freue.
So reim ich hier und leire,
Damit ich selbst mich feire,
Um wichtig mich zu machen
[...]
Ja, immer schön bewußt bleiben (werden ...) und auf die Tricks des Ego achten ...

Karl May wußte auch davon,
Ring dich nieder, bis zerronnen
Ist dein ganzes, ganzes Ich
Hoffentlich mehr als Lippenbekenntnis ...

8)

(Zum Geruch der Pferde liest man das Weitere ggf. später ... :mrgreen: )
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Doro
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von Doro »

„Wenn Dir jemand erzählt, dass die Seele mit dem Körper zusammen vergeht und dass das, was einmal tot ist, niemals wiederkommt, so sage ihm: Die Blume geht zugrunde, aber der Samen bleibt zurück und liegt vor uns, geheimnisvoll, wie die Ewigkeit des Lebens.“
(Khalil Gibran)
Fiel mir heut in die Hände und erschien mir passend ...
:wink:
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rodger
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von rodger »

Niemand den man wirklich liebt, ist jemals tot, hat Hemingway, der vermeintliche Haudegen, gesagt oder auch geschrieben. Stefan Zweig auch so ähnlich, seh' ich gerade. Muß wohl was dran sein.

:D
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Helmut
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Re: Der Geruch der Pferde

Beitrag von Helmut »

Der "Wiener"-Vortrag von Helmut Schmiedt "Karl May ist Christus" ist jetzt im (neuen) Wiener Karl May Brief abgedruckt.

Helmut Moritz
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