China-Erzählungen

Rene Grießbach
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China-Erzählungen

Beitrag von Rene Grießbach »

In der ersten Fassung des Nachwortes von „Winnetou III“ (siehe Reprint der ersten Buchausgabe) findet sich folgende Passage, in der Karl May übrigens unter der bekannten Aussage "oh, diese Herren Redakteure" letztlich auch die Bearbeitungspraxis von Verlagen anprangert :

„... Es ist mir vorgekommen, dass der höchst pfiffige Besitzer einer Zeitung eine meiner chinesischen Erzählungen nach Nordamerika verlegte und den langen San-fu einfach in Old Shatterhand, den dicken Ti-pin aber in Winnetou verwandelte. Wie sich die guten Chinesen als wilde Indianer ausnahmen, kann man sich denken ...“

Jetzt frage ich mich folgendes, da ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den paar China-Geschichten Mays nichts derartiges überlesen haben werde:
Hat Karl May dieses Vorkommnis für sein Nachwort, das er aus anderen Gründen später selbst ersetzte, frei erfunden oder besteht die Wahrscheinlichkeit, dass es eine derartige China-Geschichte tatsächlich gibt und noch der Auffindung harrt?
marlies

Beitrag von marlies »

Das habe ich auch schon angewandt (angewendet [?]) ... in einer Erzaehlung ein Gleichnis von einer 'anderen meiner' Erzaehlungen gebracht ... obwohl die 'andere' Erzaehlung nur aus dem Bisschen bestand welches ich fuer das Gleichnis in der 'Hauptgeschichte' erfand. M.M.n. 'frei erfunden'.
Das heisst aber nicht dass er nicht vorhatte mal so eine 'China' Geschichte zu schreiben, er koennte auch schon einen Entwurf gemacht haben.

...my five cents' worth... :wink:
Werner Fleischer

Beitrag von Werner Fleischer »

Karl May, Konrad Adenauer gaben gemeinsam das sie immer gerne das erzählten was der andere hören wollte, sehr gerne stellten sie sich immer im besten Licht dar, ALLE DREI KANN MAN JEWEILS FÜR SICH MIT IHREN EIGENEN ZITATEN WIDERLEGEN.

Ich denke das Mays Ausflüchte eine Verlegenheitslösung waren für die Kritik seiner aufmerksamen Leser denen Widersprüche in der Handlung auffielen. Und das mögen Leser nun gar nicht so gerne. Wer es nicht glaubt sollte einmal die Perry Rhodan Redaktion kontaktieren.

Natürlich suchte May den Fehler erst gar nicht bei sich, das konnte Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi doch nicht leisten. Zugeben das er fehlerhaft war. Also mußten andere brave Bürger dafür herhalten, Redakteure und Setzer, die gar kein Interesse daran hatten Geschichten umzuschreiben - was natürlich einen viel höheren Aufwand bedeutet hätte als eine neue Geschichte zu schreiben - vielleicht wagt mal jemand den Versuch und verlegt Tom Shawyer nach Indien.
Rene Grießbach
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Beitrag von Rene Grießbach »

"... Redakteure und Setzer, die gar kein Interesse daran hatten Geschichten umzuschreiben ..."

Das hat die Editionsgeschichte der May-Bücher, und nicht nur dieser, längst widerlegt. Aber das hatten wir ja bis vor kurzem an anderer Stelle hier im Forum diskutiert. :)


Übrigens, Marlies, es ist sowohl "angewandt" als auch "angewendet" möglich. :) :wink:
Werner Fleischer

Beitrag von Werner Fleischer »

Ich gehe einmal davon aus das May weder die Zeit noch die Lust hatte seine eigenen Werke gegenzulesen. Auch bei der Geschichte mit "In der Heimat" gibt es für mich mehr Fragezeichen als Ausrufeschreiben. Wir sprechen hier von den Drucken zu Karl Mays Lebzeiten nicht vom Konzept welches der Karl May Verlag ab 1913 umsetzte. Hier sehe ich sehr große Unterschiede.

Ich könnte mir durchaus vorstellen das der Deutsche Hausschatz May über die umfangreichen Kürzungen zu Satan und Ischariot informierte und nachgefragt hat ob denn dieser Teil später noch eine RELEVANTE Rolle spielen würde. Leider sind die Beteiligten längst tot, so daß wir sie nicht befragen können.
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rodger
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Beitrag von rodger »

Ich könnte mir durchaus vorstellen das der Deutsche Hausschatz May über die umfangreichen Kürzungen zu Satan und Ischariot informierte [...] Leider sind die Beteiligten längst tot, so daß wir sie nicht befragen können.

Die Millionendieb-Korrekturen wird May nicht weiter beachtet haben. Aber nach der Veröffentlichung des Krüger Bei im Hausschatz (September 1894 bis Mai 1895) war der Schriftsteller sehr verärgert:

Heinrich Keiter [...] hatte mir eine meiner Arbeiten ganz bedeutend gekürzt, ohne mich um Erlaubnis zu fragen. Ich habe Korrekturen und Kürzungen nie geduldet. Der Leser soll mich so kennen lernen, wie ich bin, mit allen Fehlern und Schwächen, nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt.

Karl May, der seit Herbst 1893 ohnehin keine Texte an Pustet geliefert hatte, teilte - laut Selbstbiographie - dem Verleger mit, daß er "kein Manuskript mehr" senden werde. Pustet "versuchte, mich brieflich umzustimmen, doch vergeblich".

Der zeitliche Verlauf der dem Briefwechsel folgenden Auseinandersetzung ist nicht mehr exakt zu bestimmen. Karl Pustet (1839-1910), der Bruder des Verlegers, reiste nach Radebeul und versuchte, den Autor zu beschwichtigen: durch die Aussicht auf höheres Honorar. Die Atmosphäre war, wie Pustets Brief vom 13. Juli 1896 an May vermuten läßt, durchaus herzlich. Aber May war noch keineswegs zufrieden. Auch der Neffe des Verlegers, Friedrich Pustet jun., sprach nun in Radebeul vor. Dann kam "der Richtige", der lungenkranke Redakteur Heinrich Keiter. Er machte "Kotau" vor May und bat um Verzeihung. Und jetzt nahm der Schriftsteller seine "Absage", seine Drohung, kein Manuskript mehr zu senden, zurück.

Sehr merkwürdig ist nun die folgende Tatsache: Für die Fehsenfeld-Buchfassung Satan und Ischariot I-III lagen May die Original-Manuskripte vollständig vor; alle Streichungen und Korrekturen der Hausschatz-Redaktion - ganz oder teilweise - rückgängig zu machen, wäre ohne weiteres möglich gewesen; aber Karl May hat es nicht getan. Die Hausschatz-Version übernahm er fast unverändert, "obwohl der ungekürzte Roman ziemlich genau drei normgerechte Fehsenfeld-Bände gefüllt hätte (je 640 S.), während die Übernahme der Kürzungen zu den beiden mit Abstand schmälsten Bänden der Reihe führte (Satan I: 550 S.; Satan II. 540 S.)."

Anstelle des 'Heimath'-Kapitels schuf May nun eine neue Zusammenfassung. Dieser Text ist zwar wesentlich besser als die Fehlleistung Keiters; aber auch die Lösung Mays befriedigt nicht ganz: Denn im ursprünglichen 'Heimath'-Kapitel gibt es, so Ilmer, "viele Stellen, von denen man aufrichtig wünschen mag, Karl May hätte sie für die Buchausgabe nicht übertüncht, sondern übernommen."
Quelle:

http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg ... ie/233.htm
Werner Fleischer

Beitrag von Werner Fleischer »

Wie gesagt es bleiben mehr Fragen wie Antworten übrig. Und über eine Stellungnahme der Gegenseite verfügen wir leider nicht.

Ich denke es ist an der Zeit dies einmal kritisch zu untersuchen.
marlies

Beitrag von marlies »

@ Rene - okay! thanks 8)

@ Werner >>>Ich denke es ist an der Zeit dies einmal kritisch zu untersuchen.<<<
Nur zum Klarstellen ... welcher Aspekt des Obigen? Ich nehme an die 'unbefugten Kuerzungen pre-1913 [zu seinen Lebzeiten]? Oder war etwas anderes gemeint?
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rodger
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Beitrag von rodger »

Herr Fleischer ist, wenn ich seine Beiträge der letzten Jahre so Revue passieren lasse, offenbar der Meinung, Karl May, Perry Rhodan und der Förster vom Silberwald seien in etwa das Gleiche in Grün (oder Blau) und entsprechend in einen Topf zu werfen, Abenteuer halt, egal ob im bayerischen Wald, anderen Kontinenten oder im Weltraum, Groschenheft-Unterhaltung für die Badewanne und den Strandkorb. Das sei ihm unbenommen, und einem Teilaspekt des Phänomens Karl May wird er damit auch einigermaßen gerecht (vorsichtshalber, man wird so gerne missverstanden, sei es wiederholt: einem Teilaspekt).

Aus dieser Teilaspekt-Betrachtung nun abzuleiten, der Karl May und seine textpuristisch gesonnenen Freunde sollten sich mal nicht so haben was Eingriffe und Streichungen betrifft, und die Herren Redakteure und Bearbeiter (auch wenn sie, wie sich an den Ergebnissen gelegentlich zeigt, für Karl May manchmal in etwa so viel Verständnis und Einfühlungsvermögen aufbrachten wie seinerzeit Heinrich Lübke für Diplomatie und Takt) hätten es schon richtig oder auch scho' recht gemacht, und so sei ihnen großzügig und gleichsam schulterklopfend die Generalabsolution zu erteilen, halte ich indes für etwas tollkühn.

:wink:
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rodger
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Beitrag von rodger »

Obiger Text enthält einen sachlichen Fehler. Der Förster vom Silberwald spielt nicht in Bayern. Das macht aber nichts, weil es um Assoziationen ging, um spontane Einfälle, Sprachwitz und Augenzwinkern. Die Nur-Fakten-Betrachter werden dafür kein Verständnis aufbringen, der Text bleibt indes unbearbeitet.

:wink:
marlies

Beitrag von marlies »

... mal tollkuehn betrachtet ... da hat jemand nicht so gut geschlafen ... passiert mir auch des Oefteren ... oeja--und Fehler--that's life--kennst den ... kommt mir grad in den Sinn:

Oh Lord, it's hard to be humble when you're perfect in every way
I sure hate to look in the mirror, I get better looking every day,
To know me is to love me, I must be a hell of a man,
Oh Lord, it's hard to be humble but I'm doing the best that I can.

:wink:

...it's a fine line between pleasure and pain ... und genauso'fine' ist die 'line' zwischen 'polieren' [also einen Text zum Bestmoeglichen herausputzen, damit es sich schoen liest und des Autoren 'Absicht' {und alles was so dazugehoert} auch schoen erhalten bleibt], und 'zerhacken', und damit des Autoren 'Herz' bei lebendigem Leibe heraus schneiden. Wobei auch DER Aspekt beruecksichtigt werden muss dass es oft passiert dass ein Autor den Wald vor Baeumen nicht mehr sieht [s'passiert]; dann hilft ein schoen einfuehlsamer Mitarbeiter [welche heute allerlei profi Titel haben], wobei die 'Mitarbeiber' sich 'damals' wahrscheinlich dazu berufen fuehlten, den Text dem Anspruch der Leser anpassen zu muessen, anstatt DAS Publikum fuer das bestimmte Werk zu finden. Wobei im Falle May, der Autor selber fuer eine gewisse Leserschicht (oder 2 [J.E. und R.E.]) schrieb. Mit 'postumem' Zurechtstutzen ists wieder eine andere Sache, hier geht's um das Umschneidern von May's Texten zu seinen Lebzeiten.
Leidergottes hatten die 'profis' von damals ganz andere 'ethics' und (ich vermute) konnten mit May's excentricity oftentimes nicht umgehen -- waren also in 'Einfuehlsamkeit' nicht trainiert; oder - was auch des oefteren passiert - schliefen die vorherige Nacht nicht so gut und die schlechte Laune leitete die Schere ... wobei dies nur einer von vielen 'persoenlichen' Bewegungsgruenden fuer 'Kuerzungen' sein kann die manchmal die Oberhand ueber professionelle 'ethics' bekommen. Ich schliesse es nicht aus dass 'Neider' in seinen 'eigenen Kreisen' ihn sabotierten - aber all das ist nur 'conjecture' - von meinen eigenen Erfahrungen - die natuerlich heute nicht mehr nachvollziehbar sind.
Werner Fleischer

Beitrag von Werner Fleischer »

Ohne Elvis keine Beatles keine Stones und auch keine Sex Pistols sprach Johnny Rotten nach dem Tod von Elvis Presley. Natürlich ist Perry Rhodan ohne den Einfluß von Karl May nur schwer vorstellbar. Der Förster vom Silberwald gehört wohl mehr zur Literatur die Rodger vervorzugt. Ich habe ihn nicht gelesen und auch nicht vor selbiges zu tun. Aber lassen wir Rodger seine Bücher.

Der Punkt ist das Karl May viele widersprüchliche Zitate in seinem Leben von sich gegeben hat, die sehr oft einen ganz anderen Zweck beinhalteten als die Wahrheit zu verkünden. May war sicherlich ein Taktiker, ob er ein guter war steht auf einem anderen Blatt.

Wir kennen Mays Darstellung zum Thema "Satan und Ischariot". Die des DHS kennen wir leider nicht. Und hier stellen sich Fragen:

Von May ist bekannt das er seine Mansukripte immer in Etappen ablieferte. Ist es wirklich vorstellbar das ein Redaktuer einen solchen großen Abschnitt (In der Heimat) wirklich einfach herauskürzte ohne sich darüber im klaren zu sein, was dies für den weiteren Druck der Handlung bedeutet hätte. Wurde dieses Vorgehen tatsächlich mit niemanden abgesprochen?

Warum nahm May diese Teile nicht in seinen Roman auf, als er bei der Buchveröffentlichung die Gelegenheit dazu hatte, übernahm er eventuell die Sicht des DHS und schloß sich hier der Sichtweise an.

Karl May Forschung muss kritisch nach allen Seiten sein. Mit Polemik und geliebten Förstern kommen wir hier nicht weiter.
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rodger
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Beitrag von rodger »

Ich mach' keine Polemik, ich mach' Witze. Aber bei dem Thema vergeht Ihnen offenbar der Humor, weil Sie es möglicherweise nicht sonderlich mögen, wenn man über den Tellerrand hinausguckt.

Leider muß ich Sie enttäuschen, auch der Förster vom Silberwald gehört zu meinen Bildungslücken, ich hab' noch mehr davon.

Widersprüchliche Äußerungen zu verkünden bedeutet nicht zwangsläufig dass man taktiert und es nicht mit der Wahrheit hat, sondern vielleicht auch dass man die Realität angemessenerweise aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.

Vermutungen über die Gründe für das Nichtberücksichtigen des Textes durch May für die Buchausgabe findet man übrigens auch in dem gestern verlinkten Artikel. Die gehen etwas über „übernahm er eventuell die Sicht des DHS und schloß sich hier der Sichtweise an“ hinaus.

*

PS: Nicht bös' sein. Ich bin's auch nicht.

:wink:
Werner Fleischer

Beitrag von Werner Fleischer »

Es ist doch immer schön Witze erklärt zu bekommen. Ha Ha Ha,

Nund das ist eine These das er sich der Sicht des DHS anschloss. Steht im Raum ebenso wie die These, daß er vorher davon wußte. Ist es wirklich denkbar das diese Seiten gekürzt wurden, ohne den weiteren Verlauf der Handlung zu kennen. Dann mußt der entsprechende Redektuer sehr leichsinnig und im vollen Gottvertrauen gehandelt haben und mit beiden kann man sich auch im 19. Jahrhundert keine Stelle erhalten.
marlies

Beitrag von marlies »

Ach ja 'Elvis' ... <schwaerm>

Indirekt 'kennen' wir die DHS Meinung, by proxy, weil Keiter es so rigoros veraenderte, und es so gedruckt wurde. Was vom DHS gedruckt wurde, IST DHS Meinung (oder sinds wenigstens einig damit - sonst wuerden's nicht drucken).

Ich glaube nicht dass es mit niemandem abgesprochen wurde ... jedoch (und wieder - von eigener Erfahrung) - manchmal wird es einem einfach zuviel, es reicht, man hat genug, man will seinen Frieden, und gibt mal auf ... auch wenn's heisst dass ein halbes/ganzes Kapitel dahin ist.

Laut http://karlmay.leo.org/kmg/primlit/reis ... /index.htm schrieb er den Teil im 90/91 und es wurde gedruckt 94/95.

[Sehe ich das richtig? Falls ich an der falschen 'Streichung' bin, bitte mich zu korrigieren, danke.]

Wenn's so ist, kann es ganz gut sein dass er nach 4 Jahren die 'Verbindung' zum Text nicht mehr hatte [ist schon eine lange Zeit - die Gedankenwelt hat sich davon weg entwickelt{?}], also detached war [und nochmals - von eigener Erfahrung] und die Streichung als nicht mehr 'wert des Umstandes' ansah.

****

[Wer isn boes??? - hier doch niemand ??? s'Leben ist zu kurz dafuer !!]
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