Hilgers - Biographie

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jwoebking

Hilgers - Biographie

Beitrag von jwoebking »

Hilgers Biographie

Noch nie ist im Verlag Marheinecke ein Buch mit einem solch schönen Umschlag erschienen. Dazu kann man David R. Marheinecke nur gratulieren. Hervorragend!

Mit dem Titel:

Erinnerungen an Winnetou

Heinz Ingo Hilgers – Ein Schauspielerleben

konnte ich mich noch nie anfreunden.

Hilgers hatte seine großen Erfolge als Winnetou ohne Zweifel in den 60er Jahren.

Mir hätte es besser gefallen, wenn das Buch den Titel:

Lebe wohl Winnetou

Heinz Ingo Hilgers – Ein Schauspielerleben

erhalten hätte. Die Anlehnung an den Hit vom Medium Terzett, wäre sicher ein netter Einfall gewesen.

Aber der von den Autoren gewählte Titel ist natürlich auch ganz zutreffend.

Natürlich sollte man ein solches Buch nicht nur überfliegen, so wie ich es bei der ersten "Lesung" getan habe. Ich bin der Meinung, wenn man seine Meinung zu einem "Werk" unter das Volk bringen möchte, sollte man sich schon näher damit befassen.

Was uns hier vorliegt ist ein Buch das von Fans für Fans geschrieben wurde. Es handelt sich um die Biographie eines Provinzschauspielers. Mit diesem Begriff Provinzschauspieler möchte ich die darstellerischen Leistungen von Hilgers nicht herabwürdigen. Namen wie Gründgens und Deltgen haben schon ihren Klang. Hilgers hatte auch ohne Zweifel ein erfülltes Schauspielerleben. Aber der richtig große Durchbruch blieb ihm verwehrt oder, wie wir erfahren, wurde er ihm wahrscheinlich verwehrt. Vielleicht hatte er aber auch nie die Chance dem breiten Publikum sein Können zu beweisen. Aber er hatte ja seine Erfolge die unbestreitbar vorhanden sind, wenn auch in kleinerem Rahmen.

Es soll ja auch jemand geben, der mit wahrscheinlich weniger Talent den Winnetou in verschiedenen Filmen "gegeben" hat, wenn ich mich nicht irre...!

Etwa 40 Gedichte "belasten" dieses Werk. Mit belasten meine ich nicht die Qualität der Dichtungen, denn darüber kann ich mir kein Urteil erlauben. Mich stört eher die Seitenzahl die die Gedichte einnehmen. Sicher finden sich im Nachlass von Hilgers mehr Gedichte und vielleicht wäre es eine gute Idee gewesen, einen kleinen zusätzlichen Band mit seinen Dichtungen zu veröffentlichen. Wer ein Buch kauft, zu dem horrenden Preis komme ich noch, das im Titel WINNETOU führt, will auch mehr über den Darsteller erfahren. Stand den Autoren kein zusätzliches Material zur Verfügung? Daran zu glauben fällt mir schwer. Vielleicht lag es an dem Termindruck, denn der Herausgeber war sicherlich darauf bedacht, das Buch pünktlich zu den Festspielen in Bad Segeberg präsentieren zu können. Waren also die Gedichte und das Fragment – KREISE AM KREIS – nur ausgewählt worden, um den Umfang des Buches zu erweitern?

Was nun den Preis betrifft, so muss ich wirklich sagen, dass dieser einfach zu hoch ist. Kein Verleger wäre, vor der Umstellung von DM auf Euro, auf den Gedanken gekommen, für ein solches "Büchlein" fast 50.—DM zu verlangen. Natürlich kann man argumentieren, dass Druckereien ebenso die Preise "angezogen" haben, die wiederum schieben die Schuld auf die Papierindustrie usw. usw. usw,

Wer wirkliches Interesse daran hat über den Schauspieler Hilgers etwas zu erfahren, dem kann ich das Buch empfehlen, wenn er breit ist einen solchen Preis zu zahlen.

In diesem Sinne

Joachim Wöbking
Grafenberg
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Beitrag von Grafenberg »

Ich habe es auch gelesen und kann den beiden Autoren Jutta Laroche und wie schon erwähnt Marheineke nur gratulieren. Es ist gut gelungen, mir gefällt auch die Mischung, d.h. also die Gedichte. Klar hätte ich auch evtl. gerne mehr Briefe gesehen oder Verträge oder noch mehr Anekdoten usw. So ist es eine sehr gute Mischung geworden.
Da das Buch wahrscheinlich keine sehr hohe Auflage hat/haben kann, ist der Preis leider etwas hoch, aber auf der anderen Seite müssen aber auch genug Käufer her, damit sich dieser Preis erst einmal amortisiert.

Und wenn ich mir anschau, dass die diesjährige sehr dünne Karl-May-Fest-Broschüre 6 Euro oder so kostete, dann ist es eigentlich nicht viel :lol:

Thomas Grafenberg
jwoebking

Richtig?

Beitrag von jwoebking »

Naja, ob das richtig ist? Es ist ja wohl auch so, dass sich manche Interessenten von diesem Preis abschrecken lassen.
19,90 € wäre optimal gewesen.

Wöbking
Thomas Schwettmann

Hilgers Biographie

Beitrag von Thomas Schwettmann »

In den 60er Jahren war es noch keine Selbstverständlichkeit, daß in jedem Haushalt ein Fernsehgerät zu finden war, und so habe ich seinerzeit die Übertragungen der Segeberger Aufführungen mit Heinz-Ingo Hilgers nicht sehen können. Wahrscheinlich aber waren Fotos, die ihn als Winnetou zeigen, damals schon so präsent, daß ich diese sicher schon hier und da gesehen hatte, aber das erste Mal, daß ich derartig Fotos selber besaß, war, als in dem im der Mitte der Micky-Maus-Hefte eingehefteten Micky-Maus-Magazin (erwähnt auf S. 70 der Biographie) ein mehrseitiger Bericht mit Fotos der Karl-May-Festspeiele in Bad Segeberg zu lesen war. Da ich meine Micky-Maus-Hefte bereits in den 70ern ‚entsorgt‘ habe, kann ich mich an Inhalt und die meisten Fotos nicht mehr erinnern. Im Gedächtnis blieb mir nur haften, daß das rot umrandete Titelfoto des Magazins dem Bild auf S. 55 der Biographie entsprach – es ziert auch das Europa-Hörspiel „Winnetou III, 2. Folge“, welches ich damals ebenfalls hörte – und daß im Textteil ein als besonders ‚spannend‘ empfundenes Bild abgebildet war, daß einen doppelten Zweikampf zeigte, im Vordergrund Harry Walther und Silkirtis Nichols, im Hintergrund Heinz-Ingo Hilgers mit einem weiteren Indianerdarsteller – das Bild wurde knapp 2 Jahre später als Cover für die Maritim-Ausgabe des Hörspiels „Halbbluts Ende / Old Firehand stellt eine Falle“ verwendet.

Bild Bild

Gehört habe ich Heinz-Ingo Hilgers dann erstmals auf dem Hörspiel „Unter Geiern – Der Geist des Llano Estacado“ – nach den Fass-Ausgaben der Joseph-Offenbach-Aufnahmen „Unter Geiern – Der Sohn des Bärenjägers“ und „Der Schut“ mein drittes Karl-May-Hörspiel überhaupt. Es folgten dann recht rasch die übrigen fünf Kurt-Vethake-Produktionen des Maritim-Labels mit Heinz-Ingo Hilgers, sowie die beiden Fass-Ausgaben von „Von Bagdad nach Stambul“ (Hilgers hier als Hassan Ardschir Mirza) und „Old Surehand“ (Aufnahme der Segeberg-Festspiele von 1965). Für mich wurde er dann allein durch die Kombination von perfekter stimmlicher Darstellung und den Festspiel-Fotos zu DEM perfekten Winnetou-Interpreten, wobei bei dieser Bevorzugung sicher auch so irrationale Faktoren wie die Art des Jagdanzuges eine Rolle spielen, im Vergleich zum dem mit hauptsächlich blauen Stickereien verzierten Brice-Film-Kostüm empfand ich den je nach Kostüm mehr oder weniger dominanten blutroten Farbton der Verzierungen des Hilgers-Outfits für wesentlich ansprechender und passender.

Vor diesem Hintergrund war es unvermeidlich, daß ich mir, obgleich ich die Segeberger Festspiele nur aus den Fernsehübertragungen der 70er Jahre kenne, das Buch „Karl May am Kalkberg“ gleich nach der Veröffentlichung besorgte, um insbesondere über die Hilgers+Walther-Ära mehr zu erfahren. Daraus erwuchs dann das Interesse, auch über die eine Mülheimer Winnetou-Saison (Das Geheimnis der Bonanza) von 1971 näheres zu erfahren, was zu einer nicht unerfolgreichen Recherche in der Mülheimer Stadtbibliothek führte. Insofern ist natürlich klar, daß auch die nun erschienene Hilgers-Biographie von Jutta Laroche und Reinhard Maheinecke ein absolutes „Must have“ für mich ist, und das Ergebnis hat meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern mein Bild des Schauspielers - und vor allem auch des Menschen - Heinz-Ingo Hilgers um viele mir bis dato unbekannte Aspekte erweitert und näher gebracht.

Und so erfährt man z.B. daß Heinz-Ingo Hilgers in den 50er Jahren mehrmals auf der Ratinger Freilichtbühne am Blauen See“ gespielt hat, auf der 1949 und 1950 erstmals nach dem Krieg wieder „Winnetou“ auf die Bühne gebracht wurde. Hilgers spielte dort freilich in keiner Karl-May-Aufführung mit, sondern in einigen Klassikern, so etwa in Schillers „Wilhem Tell“ (1954), Hebbels „Nibelungen“ (1956) oder Goethes „Iphigenie auf Tauris“ (1959). Ich selber habe in Ratingen mein bisher einziges Live-Karl-May-Festspiel gesehen, als 1976 das Elpse-Ensemble mit Bludau und Brice in „Der Ölprinz“ einen der seinerzeit üblichen Ratinger Gastauftritt absolvierten (In den folgenden Jahren wurde es wohl immer schwierger, die auf die zunehmend spezieller ausgestattete Elpse-Bühne zugeschnittenen Inszenierungen auch in Ratingen zu zeigen, schon damals im „Ölprinz“ mußte etwa auf die im Sauerland obligatorische Eisenbahn-Szene verzichtet werden).

Doch zurück zu Heinz-Ingo Hilgers und der Biographie: In der Vor-Winnetou-Ära spannt sich der Bogen zunächst von den tief prägenden Erfahrungen und Erlebnissen der letzten Kriegsjahre über die Anfangszeit des Schauspielerlebens – so etwa des Examens des bis Ende der 50er Jahre in Düsseldorf wirkenden Gustav Gründgens – bis hin zu einer Faust-Tournee im Jahre 1959, wo Hilgers an der Seite von Mephisto und Regiesseur Rene Deltgen die Titelrolle spielte. Dann folgte natürlich das Segeberger Jahrzehnt, wo Hilgers mit Winnetou die Rolle seines Lebens fand, die er noch bis in die 70er Jahre hinein bei Kontakt-Tourneen pflegte. In den 80er Jahren kehrte er dann als Ensemble-Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landestheater auf die Bühne zurück und spielte wie schon in den 50er Jahren die unterschiedlichsten Rollen, darunter in Klassikern von Brecht bis Zadek, von Moliere bis Shakespeare, von Dürrenmatt bis Zuckmayer.

Die Biographie wird schließlich mit Hilgers „Eigenen Schriften“ abgerundet: Neben den in die Biographie allgemein eingestreuten Zitaten aus Notizen zu einer geplanten Selbstbiographie sind dies vor allem Gedichte zu den ewigen Themen Liebe und Tod wie Krieg und Frieden, die aber durch die sehr persönliche, eindringliche Reflexion von Erlebten und Gefühlten den empfänglichen Leser in den Bann zieht. Man merkt, daß hier jemand auch empfunden hat, was er da geschrieben hat, und deshalb gelingt es Hilgers auch, die richtigen Worte, eine echte eigene Sprache zu finden und dabei jeglichen Kitsch und verbrauchte Plattitüden zu vermeiden, was ja gerade bei Liebeslyrik nicht so häufig anzufinden ist.

Darüber hinaus ist noch ein Auszug aus einer „dramatischen Vision“ abgedruckt, daß mit Hilfe einer durch die 50er und 60er Jahre geprägten und damit heute etwas antiquiert wirkenden Science-Fiction-Technik die gesamte Menschheitsentwicklung beleuchtet, die Tiefe und Art der in dem „Kreise im Kreis“ betitelten Drama innewohnenden Gedankenwelt vermag der kurze Auszug allerdings nicht wirklich zu vermitteln, da der abgedruckte erste Akt sich zunächst vor allem auf die Vermittlung der ungewöhnlichen Szenerie konzentriert.

Insgesamt läßt die Biographie nur wenig zu wünschen übrig, und so wäre mein persönlicher Hilgers-Winnetou-Traum im Rahmen dieses Buches auch gar nicht zu bewältigen gewesen. Denn von den unzähligen Karl-May-Szenenbildern, die Wilhelm Rebhuhn in den 60er Jahren von Hilgers und Walther fotografierte, konnte natürlich zwangsläufig nur eine kleine Auswahl in die Biographie übernommen werden. Ein Bildband aber, in dem sich hunderte dieser Fotos Seite an Seite reihen – gerne auch nach dem Vorbild der „Traumwelten“ mit kurzen May-Texten und/oder Texten aus den Festspiel-Textbüchern - das wäre für mich persönlich sicher noch ein absoluter Höhepunkt der Karl-May-Bücherwelt.


Bild

Old Shatterhand: Mein Bruder Winnetou hat noch nicht gesprochen, aber ich lese in seiner Seele.
Winnetou: Scharlieh, immer wird Winnetou an der Seite seines weißen Bruders reiten! Kann mein Bruder Scharlieh daran zweifeln?
Old Shatterhand: Wohin geht der Weg?
Winnetou: Wohin der Wind geht, Scharlieh, der alle Wege geht! Die Nacht ist vorüber, laß‘ uns reiten – Manitous Sonne entgegen. Howgh!!!

[Harry Walther & Heinz-Ingo Hilgers, Schlußdialog in „Old Surehand“, Hörspielfassung der Segeberger Auführung von 1965]
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