Unfreiwillig Kurioses von der Karl-May-Werke-CD:
Verfasst: 5.6.2004, 14:07
Hallo zusammen!
Bei der Recherche mit der Werke-CD kommen einem manchmal auch gar seltsame Sätze unter die Augen, die zeigen, daß die Tücke des Tipfehlers auch Tasten-Profis unterlaufen kann (zumal der zu kopierende Originaltext ja in Frakturschrift gesetzt ist)
Da ist etwa diese seltsame südamerikanische Erziehungmethode: Millionen von Pferden und Kindern weiden halbwild auf den Weideplätzen der großen Landgüter unter der Aufsicht ebenfalls halbwilder Hirten, der Gauchos, die aus einer Vermischung der Spanier und Indianer entstanden sind und von ihren Pferden unzertrennlich scheinen.
Daß es bei derartigen Freiluftschulen zu beachtlichen Denkern in guter altgriechischer Tradition kommen muß, erscheint unvermeidlich. Denn schließlich haben auch jene der hellen wie hellenistischen Verstandestitanen, die es nicht vorzogen, diogenetisch in Tonnen zu hausen, ihren Unterricht vorwiegend im Freien abgehalten, auch wenn einem davon schließlich der 'Kelch des Schicksals' in Form eines nicht ganz dem Reinheitsgebot entsprechenden Inhaltes ereilte. Die Südamerikaner jedenfalls haben das Andenken an einen jener 'Fürsten des Verstandes' mit einen 'Philosophenfluss' geehrt: Da, wo der Orinoco seine Fluthen dem Golfe von Paria zuwälzt, also in dem nördlichen Südamerika, ferner um den Amazonenstrom und seinen Nebenflüssen und endlich am Rio de la Plato bis hinein nach Patagonien dehnen sich ungeheure Ebenen, welche mit den Küstenflächen von Chile, Bolivia und Peru über 254,000 Quadratmeilen zählen.
Karl-May-Leser wissen, der Mayster war auch schon in seiner Jugend in Amerika - denn Amerika, so heißt bekanntlich auch ein Städtchen in Sachsen. Völlig neu ist jedoch die Erkenntnis, daß die sächsische Stadt Meißen wiederum schuld am Untergang der Indianer war: Die ursprünglichen Bewohner der endlosen Grassteppen, die Rothäute oder Indianer, werden von der vorschreitenden Civilisation immer weiter zurückgedrängt: auch sterben sie durch die Berührung mit den Meißen massenhaft dahin. Ob es wohl - wie Hobble-Frank mutmaßt - »(...) der leibhaftige dumme Junge von Meißen [war], wie er vor den Fettoogen schteht, aber die Brühe nich finden kann,« Der kleine Mann sollte es wissen, ist er doch ein Kenner der Region und ihrer klaren Sprache: Das schönste und reinste Deutsch hört man auf der Schtrecke zwischen Pirna und Meißen, und grad so ziemlich zwischen diesen beiden Schtädten hab' ich mein erschtes Licht der Welt erblickt. Vielleicht aber hat auch Sascha Schneider, der in dieser ganz aus Porzellan bestehende[n] Stadt (O-Ton Karl May) sein Domizil hatte, seine Finger im Spiel gehabt: Der liebe Schneider will Karls Bücher mit anderen Titelbildern versehen, damit man Karl endlich verstehen lerne und der alberne Name 'Jugendschriftsteller' schwinde. (O-Ton Klara May). Nun ja, die Indianer sind weitestgehendst verschwunden, der 'Jugendschriftsteller' - dank Witwe Klaras tatkräftiger
Unterstützung - nicht.
Und zur kürzlich im Forum gestellten Frage nach dem Verhältnis Mays zum Automobil bekennt sich der sächsische Autor in 'Mein Leben und Streben' überraschenderweise zum frühst möglichen Anhänger dieser Fortbewegung. So schreibt er dort bezüglich des Jahres 1877: Diese Zeit verbrachte ich meist auf Reifen, bis ich mich zu Pfingsten wieder in der Heimat einstellte (...) Allerdings waren in jenen Pionier-Tagen die Gefahren des Straßenverkehrs fast noch größer als heutzutage, da die damalige Huptechnik wohl noch nicht ganz ausgereift war, führte das Hupen mitunter doch dazu, daß einige der Passanten umfielen: Das, was ich da zu hören bekam, das war kein Wiehern, das war kein Trompeten eines Elefanten, kein Brüllen eines Löwen, kein Nebelhorn eines Seedampfers und auch keine Hupe eines Automobils; aber es hatte etwas von alledem, und das klang so außerordentlich überraschend, daß ich am liebsten umgefallen wäre, nur weiß ich nicht, ob vor Schreck oder vor Lachen.
Der auffälligste Tippfehler ist aber die falsche Kapitelüberschrift Das Mädchen von Sitara in der Selbstbiographie 'Mein Leben und Streben'. Immerhin deutet diese unfreiwillige Umwandlung auf einen wahrscheinlichen Quelltext hin, aus dem May den Namen entnommen haben könnte. In der Zeitschrift 'Novellenflora' aus dem Jahr 1875, in der Mays 'Die Rose vom Ernstthal' abgedruckt wurde, ist auch die Geschichte 'Der Sterndeuter wider Willen', eine Erzählung nach dem Persischen von H. Neumann zu finden. Diese spielt in Ispahan [nicht Istaphan!] und eine der Figuren darin ist eine junge Frau names Sittara [sic!].
Über die unfreiwilligen Druckfehler hinaus finden sich natürlich auch freiwillige Kuriositäten, also die Fehler, die schon Karl May selbst gemacht hat. Dazu gehört etwa der alte Haudegen Old Firehand, der unvermittelt in 'Winnetou IV' auftaucht: Darum hat man gerade diesen Platz für die Probestatue gewählt. Old Firehand und Apanatschka bauen sie aus ihren eigenen Mitteln. Sicher, durch die Ausbeutung der Silbermine am Silbersee war Old Firehand mit reichlich Mitteln (und auch Material) zum monumentalen Denkmalbau gesegnet gewesen, vielleicht führte also dieser Umstand, daß also die Feuerhand reicher gewesen sein dürfte als die Sicherhand, zum Kurzschluß in Mays Gehirn. Bei der Umgestaltung des Romans in ein Hammerdull+Holbers-Revival machte man dem Leser allerdings unmißverständlich klar, daß der alte Silberbart nicht als Chefsponsor für die riesige Winnetou-Figur in Frage kommt: Old Firehand zum Beispiel hatte schon längst sein Haupt in Frieden zur Ruhe gelegt, und zwar in Saint Louis, wohin er sich nach der Ausbeutung der Mine am Silbersee zurückgezogen hatte. Trotz 'Rückbearbeitung' liest man diese frei erfundene Passage noch heute in 'Winnetous Erben'.
Das Wort 'Kabale' gehört zu denen, das man - dank Schillers Dramas 'Kabale und Liebe' - wohl kennt, dessen Bedeutung aber vielleicht nicht gleich jedem gegenwärtig ist, obgleich der Ausdruck 'sich kabbeln' als Synonym für 'sich streiten' schon eine Assoziation in die richtige Richtung geben könnte. Karl May jedenfalls verwandte den Ausdruck in dieser Form (Intrige, Ränke, böses Spiel) auch in 'Winnetou II': Ja, man beneidete ihn, und infolge der Kabalen, welche man deshalb gegen ihn schmiedete, hat er die Stadt und sogar das Land verlassen müssen.. Umso erstaunter ist man, wenn man den Ausdruck in der Einleitung von 'Tui Fanua' liest: (...) aber Menschen geradezu - fressen zu sehen, das war mir denn doch noch nicht vorgekommen, so daß ich schließlich beinahe nicht mehr an das Dasein von Kabalen glauben wollte. Nun ist die Menschenfresserei ganz sicher ein hinterhältiges & böses Spiel, dennoch suggeriert der Zusammenhang, daß May hier 'Kannibalen' und nicht etwa Freunde eines gepflegten Kaba-Kakaos meinte. Unklar ist nur, ob er sich selbst oder der Drucker ihn durch den Kakao gezogen hatte. Jedenfalls erscheint sowohl der 'Old Firehand' als auch die 'Kabalen' auch in einer originaltext verhafteten HKA ein Fall für die Korrektur zu sein (natürlich mit entsprechender Angabe im EB). Beim KMV jedenfalls hat man in GW 84 'Der Bowie-Pater' dankenswerterweise den 'Kabalen' auf Tui-Reise ein 'nni' in den 'Ka-ba' geschoben.
Bei der Recherche mit der Werke-CD kommen einem manchmal auch gar seltsame Sätze unter die Augen, die zeigen, daß die Tücke des Tipfehlers auch Tasten-Profis unterlaufen kann (zumal der zu kopierende Originaltext ja in Frakturschrift gesetzt ist)
Da ist etwa diese seltsame südamerikanische Erziehungmethode: Millionen von Pferden und Kindern weiden halbwild auf den Weideplätzen der großen Landgüter unter der Aufsicht ebenfalls halbwilder Hirten, der Gauchos, die aus einer Vermischung der Spanier und Indianer entstanden sind und von ihren Pferden unzertrennlich scheinen.
Daß es bei derartigen Freiluftschulen zu beachtlichen Denkern in guter altgriechischer Tradition kommen muß, erscheint unvermeidlich. Denn schließlich haben auch jene der hellen wie hellenistischen Verstandestitanen, die es nicht vorzogen, diogenetisch in Tonnen zu hausen, ihren Unterricht vorwiegend im Freien abgehalten, auch wenn einem davon schließlich der 'Kelch des Schicksals' in Form eines nicht ganz dem Reinheitsgebot entsprechenden Inhaltes ereilte. Die Südamerikaner jedenfalls haben das Andenken an einen jener 'Fürsten des Verstandes' mit einen 'Philosophenfluss' geehrt: Da, wo der Orinoco seine Fluthen dem Golfe von Paria zuwälzt, also in dem nördlichen Südamerika, ferner um den Amazonenstrom und seinen Nebenflüssen und endlich am Rio de la Plato bis hinein nach Patagonien dehnen sich ungeheure Ebenen, welche mit den Küstenflächen von Chile, Bolivia und Peru über 254,000 Quadratmeilen zählen.
Karl-May-Leser wissen, der Mayster war auch schon in seiner Jugend in Amerika - denn Amerika, so heißt bekanntlich auch ein Städtchen in Sachsen. Völlig neu ist jedoch die Erkenntnis, daß die sächsische Stadt Meißen wiederum schuld am Untergang der Indianer war: Die ursprünglichen Bewohner der endlosen Grassteppen, die Rothäute oder Indianer, werden von der vorschreitenden Civilisation immer weiter zurückgedrängt: auch sterben sie durch die Berührung mit den Meißen massenhaft dahin. Ob es wohl - wie Hobble-Frank mutmaßt - »(...) der leibhaftige dumme Junge von Meißen [war], wie er vor den Fettoogen schteht, aber die Brühe nich finden kann,« Der kleine Mann sollte es wissen, ist er doch ein Kenner der Region und ihrer klaren Sprache: Das schönste und reinste Deutsch hört man auf der Schtrecke zwischen Pirna und Meißen, und grad so ziemlich zwischen diesen beiden Schtädten hab' ich mein erschtes Licht der Welt erblickt. Vielleicht aber hat auch Sascha Schneider, der in dieser ganz aus Porzellan bestehende[n] Stadt (O-Ton Karl May) sein Domizil hatte, seine Finger im Spiel gehabt: Der liebe Schneider will Karls Bücher mit anderen Titelbildern versehen, damit man Karl endlich verstehen lerne und der alberne Name 'Jugendschriftsteller' schwinde. (O-Ton Klara May). Nun ja, die Indianer sind weitestgehendst verschwunden, der 'Jugendschriftsteller' - dank Witwe Klaras tatkräftiger
Unterstützung - nicht.
Und zur kürzlich im Forum gestellten Frage nach dem Verhältnis Mays zum Automobil bekennt sich der sächsische Autor in 'Mein Leben und Streben' überraschenderweise zum frühst möglichen Anhänger dieser Fortbewegung. So schreibt er dort bezüglich des Jahres 1877: Diese Zeit verbrachte ich meist auf Reifen, bis ich mich zu Pfingsten wieder in der Heimat einstellte (...) Allerdings waren in jenen Pionier-Tagen die Gefahren des Straßenverkehrs fast noch größer als heutzutage, da die damalige Huptechnik wohl noch nicht ganz ausgereift war, führte das Hupen mitunter doch dazu, daß einige der Passanten umfielen: Das, was ich da zu hören bekam, das war kein Wiehern, das war kein Trompeten eines Elefanten, kein Brüllen eines Löwen, kein Nebelhorn eines Seedampfers und auch keine Hupe eines Automobils; aber es hatte etwas von alledem, und das klang so außerordentlich überraschend, daß ich am liebsten umgefallen wäre, nur weiß ich nicht, ob vor Schreck oder vor Lachen.
Der auffälligste Tippfehler ist aber die falsche Kapitelüberschrift Das Mädchen von Sitara in der Selbstbiographie 'Mein Leben und Streben'. Immerhin deutet diese unfreiwillige Umwandlung auf einen wahrscheinlichen Quelltext hin, aus dem May den Namen entnommen haben könnte. In der Zeitschrift 'Novellenflora' aus dem Jahr 1875, in der Mays 'Die Rose vom Ernstthal' abgedruckt wurde, ist auch die Geschichte 'Der Sterndeuter wider Willen', eine Erzählung nach dem Persischen von H. Neumann zu finden. Diese spielt in Ispahan [nicht Istaphan!] und eine der Figuren darin ist eine junge Frau names Sittara [sic!].
Über die unfreiwilligen Druckfehler hinaus finden sich natürlich auch freiwillige Kuriositäten, also die Fehler, die schon Karl May selbst gemacht hat. Dazu gehört etwa der alte Haudegen Old Firehand, der unvermittelt in 'Winnetou IV' auftaucht: Darum hat man gerade diesen Platz für die Probestatue gewählt. Old Firehand und Apanatschka bauen sie aus ihren eigenen Mitteln. Sicher, durch die Ausbeutung der Silbermine am Silbersee war Old Firehand mit reichlich Mitteln (und auch Material) zum monumentalen Denkmalbau gesegnet gewesen, vielleicht führte also dieser Umstand, daß also die Feuerhand reicher gewesen sein dürfte als die Sicherhand, zum Kurzschluß in Mays Gehirn. Bei der Umgestaltung des Romans in ein Hammerdull+Holbers-Revival machte man dem Leser allerdings unmißverständlich klar, daß der alte Silberbart nicht als Chefsponsor für die riesige Winnetou-Figur in Frage kommt: Old Firehand zum Beispiel hatte schon längst sein Haupt in Frieden zur Ruhe gelegt, und zwar in Saint Louis, wohin er sich nach der Ausbeutung der Mine am Silbersee zurückgezogen hatte. Trotz 'Rückbearbeitung' liest man diese frei erfundene Passage noch heute in 'Winnetous Erben'.
Das Wort 'Kabale' gehört zu denen, das man - dank Schillers Dramas 'Kabale und Liebe' - wohl kennt, dessen Bedeutung aber vielleicht nicht gleich jedem gegenwärtig ist, obgleich der Ausdruck 'sich kabbeln' als Synonym für 'sich streiten' schon eine Assoziation in die richtige Richtung geben könnte. Karl May jedenfalls verwandte den Ausdruck in dieser Form (Intrige, Ränke, böses Spiel) auch in 'Winnetou II': Ja, man beneidete ihn, und infolge der Kabalen, welche man deshalb gegen ihn schmiedete, hat er die Stadt und sogar das Land verlassen müssen.. Umso erstaunter ist man, wenn man den Ausdruck in der Einleitung von 'Tui Fanua' liest: (...) aber Menschen geradezu - fressen zu sehen, das war mir denn doch noch nicht vorgekommen, so daß ich schließlich beinahe nicht mehr an das Dasein von Kabalen glauben wollte. Nun ist die Menschenfresserei ganz sicher ein hinterhältiges & böses Spiel, dennoch suggeriert der Zusammenhang, daß May hier 'Kannibalen' und nicht etwa Freunde eines gepflegten Kaba-Kakaos meinte. Unklar ist nur, ob er sich selbst oder der Drucker ihn durch den Kakao gezogen hatte. Jedenfalls erscheint sowohl der 'Old Firehand' als auch die 'Kabalen' auch in einer originaltext verhafteten HKA ein Fall für die Korrektur zu sein (natürlich mit entsprechender Angabe im EB). Beim KMV jedenfalls hat man in GW 84 'Der Bowie-Pater' dankenswerterweise den 'Kabalen' auf Tui-Reise ein 'nni' in den 'Ka-ba' geschoben.