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Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 8.11.2011, 16:27
von rodger
Freilich sollte man nun wiederum nicht irgendeiner simplen Klischeevorstellung anhängen von wegen der Eremit in der Dachkammer ...

Karl May hat, was das Leben so zu bieten hat, in durchaus recht vollen Zügen genossen ... Musik und Tanz, Wein Weib und Gesang in Istanbul (in der Phantasie) als auch realiter (real Liter ...) in Radebeul, bei Seyler in Deidesheim und sonstnochwo ... mit Ringelpietz und Anfassen und nichts ausgelassen, die entsprechenden Fotos aus (z.B.) 'Karl May und seine Zeit' legen beredtes Zeugnis ab. Ist doch klar ...

Aber das, was Büchner (einer seiner Figuren in den Mund legend) mit
Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal, einige verwelkte Rosen und zerknitterte Bänder auf dem Boden, geborstene Violinen in der Ecke, die letzten Tänzer haben die Masken abgenommen und sehen mit todmüden Augen einander an.
trefflich ausdrückte, wird er halt auch „bestens“ gekannt haben ... den Abstand ...

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 8.11.2011, 22:55
von Doro
Korn :mrgreen:
Rüdiger hat geschrieben:.. Man muß, z.B., den Tod geliebter Wesen aushalten können können ... oder das Alleingelassenwerden ... (von wem auch immer) ... Verlassenwerden ... oder Verratenwerden ... das auf-sich-selbst-gestellt-sein ... das Alleinsein, in verschiedener Hinsicht ... .

Ich verweise nochmal auf die letzten Tagebücher von Sandor Marai ... der hat am Ende rein goar nix mehr
Vermutlich wurde er stark, unabhängig und reif, wuchs im Zusammensein, mit anderen Wesen...
Es ist leicht ein Heiliger sein, wenn keinen Versuchungen ausgesetzt (ich weiß, hatten wir schon mal)
tragophil hat geschrieben:und innerlich nur auf den einen wartete, der Einspruch erhob und sagte "Junge. Komm her. Das ist doch nicht richtig." (Was Citizen Kane in die Diskussion bringt - und über Don Rosa mit Barksens Scrooge verknüpft )
Dazu fällt mir die alte Frau ein, der trotz heftiger Gegenwehr über die Straße geholfen wird... aber auch 'Der Himmel über Berlin' 'Schlafes Bruder' und 'Das Leben des Brian'...
8) :wink:

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 15.11.2011, 23:22
von rodger
Am Wochenende begegnete mir in der "Literarischen Welt" (Beilage der "Welt" immer samstags) am Ende eines langen Artikels über Charles Dickens dies:
Denn Pip erlangt seinen wahren Reichtum erst, als er seinen materiellen Reichtum längst verloren hat. Und dieser wahre Reichtum heißt (wie bei den griechischen Tragödien): Selbsterkenntnis.
was zur hier kürzlich angesprochenen 'Hans im Glück' - Thematik paßt. (Und zu Marais, der am Ende zwar wahrlich nicht glücklich, aber STARK herüberkommt.) Der Autor des Artikels spricht von einem Roman Dickens', der
das klassische "Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär"-Klischee scheinbar auf den Kopf stellte, in Wirklichkeit aber überbot.
Schön gesehen.

Re:

Verfasst: 2.1.2013, 11:37
von rodger
Karl May hat geschrieben:ich stand innerlich allein, allein, allein, wie stets und allezeit.
Joseph Roth hat noch einen draufgesetzt, vier mal statt drei mal:
Allein blieb ich, allein, allein, allein.
(Die Kapuzinergruft, vorletzter Satz des XXXIII. Kapitels)

Dazu fällt mir u.a. zweierlei ein: einmal daß der Bearbeiter von "Weihnacht" in GW 24, seltsamerweise offenbar (siehe "Die Insel" Seite sonstwo, alles schon zig mal (= oft genug) zitiert bzw. belegt) Hans Wollschläger, dort zu Beginn das zweimalige "liebes" auf eines reduziert hat, sowie daß seinerzeit hier im Forum "Wortwiederholungen" bemängelt wurden, anläßlich einer Passage in "Old Surehand". Aber May wie Roth werden sich schon etwas gedacht bzw. etwas empfunden haben dabei.

:D

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 8.1.2013, 12:38
von rodger
Und noch eine Parallele bzw. gedankliche Querverbindung:

[quote="Joseph Roth ("Die Geschichte von der 1002. Nacht")"]Sie hatte Sehnsucht nach dem Gefängnis. Dort war sie nicht so allein gewesen, die Zelle war klein. Aber hier draußen war die Welt groß, eine kleine Frau war tausendfach einsam. Die Einsamkeit war so groß wie die Welt. [/quote]

Wir erinnern uns:
Karl May hat geschrieben:Damals, als ich mich im Gefängnisse befand, da war ich frei. Da lebte ich im Schutze der Mauern. Da meinte es ein Jeder gut und ehrlich, der zu mir in die Zelle trat. Da durfte mich niemand berühren. Da war es keinem erlaubt, den Werdegang meines inneren Menschen zu stören. Kein Schurke hatte Macht über mich. Was ich besaß und was ich erwarb, das war mein sicheres, unantastbares Eigentum, bis ich - - entlassen wurde, länger nicht! Denn mit dieser Entlassung verlor ich meine Freiheit und meine Menschenrechte.

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 10.1.2013, 20:34
von Doro
Einspruch! 8)

Da werden wieder Allein und Einsam verschwurbelt, das hatten wir schon mal kontrovers diskutiert :lol:

:wink:

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 25.1.2013, 16:46
von Doro
Fiel mir ein, aufgrund einer Aussage eines Freundes dieser Tage:

Auch das 'Sich zurückziehen aus allem', gewählte Einsamkeit oder Alleinsein, bedingt Andere, die 'Zurückgelassen', Ausgesperrt, werden, 'auf die gepfiffen wird'... :wink:
Wobei wir auch schon bei der Definition von Alleinsein, Einsamkeit wären. Selbstgewählte oder erzwungenermaßen zum Bleistift. Wobei KM im Gefängnis erst auf diese Gedanken gekommen sein wird, da er vergleichbare Situationen nicht kannte, in der Form zumindest. Dann waren da latürnich auch wieder Leutz, die es gut mit ihm meinten, sonst hätten seine Gedankengänge letztlich in ganz andere Sphären führen können. Vielleicht wurde ihm ein Stück weit auch bewusst, dass er mit dieser Maßnahme ein Stück weit vor sich selbst bewahrt/beschützt wurde. Was wiederum seinem Bewusst-sein gut getan hat...
Alles was geschieht, geschieht zu unserem Besten, letzten Endes, auch und grade wenn's wieder mal gar nicht so aussieht. 8)

... weitergeschwurbelt ... :mrgreen:

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 25.1.2013, 16:57
von rodger
Doro hat geschrieben: Auch das 'Sich zurückziehen aus allem', gewählte Einsamkeit oder Alleinsein, bedingt Andere, die 'Zurückgelassen', Ausgesperrt, werden, 'auf die gepfiffen wird'...
Jenun ... Je nach Fall sind die anderen vielleicht ganz glücklich, ihre Ruh' zu haben ... :D

Außerdem, ja, mag sein, dann werden halt mal welche ausgesperrt oder zurückgelassen, so ist das Leben ...
Dann waren da latürnich auch wieder Leutz, die es gut mit ihm meinten, sonst hätten seine Gedankengänge letztlich in ganz andere Sphären führen können.
Mit und ohne Leutz kann es so oder so abgehen ... Sie können einem helfen oder einem schaden. Und ihr Fehlen dito.

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 25.1.2013, 17:14
von Doro
rodger hat geschrieben:Mit und ohne Leutz kann es so oder so abgehen ... Sie können einem helfen oder einem schaden. Und ihr Fehlen dito.
Richtitsch! Aba in beidem Falle ist das Kollektiv die Ursache, wenn's fehlt, oder wenn's da ist ;-)
So oder so ist auch jeder All-ein im All-ein-sein, oder anders, jeder hat halt seinen Part, hier oder da 8)

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 25.1.2013, 17:20
von rodger
"Er hat sich immer einsam gefühlt und war der geselligste Mensch" schrieb Hermann Kesten über Joseph Roth, und dazu kann einem freilich umgehend ein Satz aus Kafkas "Bericht für eine Akademie" einfallen, "Denn alle Begleitung hielt sich, um im Bilde zu bleiben, weit vor der Barriere" ...

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 13.11.2018, 14:59
von rodger
Gesellschaft, selbst mit den Besten, wirkt bald ermüdend und zerstreuend. Ich bin unendlich gerne allein. Noch nie fand ich den Gesellschafter, der so gesellig war wie die Einsamkeit.

(H.D. Thoreau, Walden)

8)

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 17.2.2019, 20:02
von Wolfgang Sämmer
Oskar Panizza, von dem auf diesen Seiten schon zu lesen war und der allen Ernstes behauptete, Kaiser Wilhelm II. hätte unter dem Pseudonym „Karl May“ die berühmten und erfolgreichen Reiseromane verfaßt, war selbst Schriftsteller und schöpferisch tätig. Sein 1895 veröffentlichtes Werk „Das Liebeskonzil“ erregte Aufsehen; auch bei der Justiz, die ihn wegen dieses „blasphemischen“ Werkes zu einem Jahr Gefängnis verurteilte. Nach seiner Entlassung im August 1896 lebte er für einige Zeit in Zürich bevor er Ende 1898 „mit seiner Bibliothek von 10.000 Büchern, einem Büfett und einem Bett“ nach Paris kam. Dort besuchte ihn die (1959 in Würzburg verstorbene) Malerin Gertraud Rostosky: „Ehe er dann die Wohnung beleuchtete, zeigte er uns seine Räume: 5 Zimmer, sämtliche Bibliothek, die Einrichtung nur aus Bücherregalen bestehend. (…) Als wir aufbrachen, um mit Panizza, der uns zum Abendessen einlud, in „sein“ Restaurant zu gehen, fragte ich ihn: ob er denn niemanden habe, der ihn bediene und betreue, damit er ungestört arbeiten könne? Aber er winkte hastig ab: „Nein, nein, nur so in der Einsamkeit fange ich die feinsten geistigen Mücken.“

Gertraud Rostosky: Schöpferische Geister, Neckar-Verlag, Schwenningen 1947, 32f.

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 20.2.2019, 13:24
von rodger
So, in einem anderen Karl May Forum (oder auch in der Friedefreudeeierkuchengesellschaft mit beschränkter Tiefe :D) habe ich meinen Account löschen lassen, wurde mir zu blöd dort, vielleicht können wir hier wieder bissel mehr schreiben, gegen Rüdigers Einsamkeit ... :lol:

ist eh [fast] alles nur "weit vor der Barriere" (siehe weiter oben), aber aus schier Schandudel und Zeitvertreib, warum nicht ...

:D

König Alfons des Viertelvorzwölften Erläuterungen für Nicht-Empathieler:
"schier Schandudel" = laut einer Kollegin so etwas in der Art wie "Jux und Dollerei" ...

(und einsam bin ich nicht wirklich. Mag nur halt manchmal bissel im Internet herumgurken & -labern. Und war ironischer Bezug zum Threadtitel.)

:buckedteeth:

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 20.2.2019, 15:04
von markus
Ja was machste auch immer für Sachen der Herr...wann wirst du endlich einmal politisch korrekt...? :cheesy:

Jetzt wird man im Magazin Forum schon für weniger erschossen...ne was haben wir uns da früher rausgenommen. Das war doch jetzt wirklich pillepalle dagegen... :P :lol:

Hab da im Forum was dazu geschrieben... :wink:

Re: Karl Mays Einsamkeit

Verfasst: 20.2.2019, 15:17
von rodger
Ich sah es bereits und eröffnete sozusagen tolldreisterweise hier einen Thread dazu. :D
Hab' manchmal immer noch dieses kindliche Provoziergehabe in mir. 63. Nicht zu glauben. :mrgreen:
(Aber der Alte hat ja auch schon geschrieben "Ich blieb ein Kind für alle Zeit" ...)

Naja die Leut' gucken halt nicht richtig hin ... ich hätte erst "nach dem Administrator gerufen" stimmt ja schon nicht, habe nur auf die Verteilung von Kompetenzen hingewiesen ... daß es nicht Sache einer Teilnehmerin ist zu entscheiden was ich darf und was ich nicht darf ... und einen "persönlichen Angriff" (so in der Privatnachricht) gab's auch nicht ... wenn ich schreibe es interessiere mich einen Dreck was jemand schreibt ist das kein persönlicher Angriff sondern sagt eher etwas über mich selber und meinen Stil aus ... :mrgreen:

Aber zurück zu Karl Mays Einsamkeit. Kind für alle Zeit zu sein macht halt auch bissel einsam. Weil die Erwachsenen in ihrem Kindergartenernst manchmal die Kinderweisheit oder -abgeklärtheit nicht ertragen bzw. sich damit schwertun ... :D