Endlich Wohlgschaft Biographie erschienen

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rodger
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Beitrag von rodger »

Hallo Herr Wohlgschaft,

kommen Sie doch auch mal "zu uns 'rüber", da können dann alle mitreden.

;)
Waukel
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Beitrag von Waukel »

Hallo zusammen!

Das Kräuterbuch ist jetzt in Radebeul?

Gruß
Sylvia
Dernen
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Beitrag von Dernen »

Hermann Wohlgschaft hat geschrieben:Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es in der ‚May-Szene‘ Leute gibt, die Mays ‚Lügen‘ geradezu genüßlich präsentieren – ohne zu überprüfen, ob es sich hier wirklich um Lügen handelt. So wird im ‚Paralleluniversum‘ (in Einträgen vom 10.2.06, 18.46 Uhr, u. vom 13.2.06, 00.59 Uhr) behauptet, das in Mays Selbstbiographie erwähnte Kräuterbuch (des bedeutenden italienischen Arztes Petrus Andreas Mathiolus) sei eine Erfindung Mays. Da hört nun jede Wissenschaftlichkeit auf und wird das Bedürfnis, Karl May als 'Lügner' zu entlarven, zum Selbstzweck. Warum sollte May die Existenz des oben genannten Kräuterbuches erfunden haben? Daß dieses Buch tatsächlich existiert und daß es sich in Mays Bibliothek in Radebeul befindet, ist seit langem bekannt!
In der Tat lag da eine Verwechslung vor. Gemeint war das "Hakawati"-Buch der Großmutter. Und da ist man sich mittlerweile wohl allgemein einig, daß das eine Erfindung Mays war. (Es wäre allerdings lustig , wenn irgendwann doch mal ein solches Buch auftauchte. Wir würden alle ganz schön dumm gucken.)
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rodger
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Beitrag von rodger »

Es wäre allerdings lustig , wenn irgendwann doch mal ein solches Buch auftauchte. Wir würden alle ganz schön dumm gucken.
Darauf warte ich ja, ehrlich gesagt, schon länger.

Und vertrete gern die These:

a.) Er hat oft gelogen, daß sich die Balken biegen.
b.) Das Buch gab es trotzdem

(oder auch nicht)

:wink:
Hermann Wohlgschaft
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Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

‚Der Hakawati‘ ist, wie ich in der Biographie (Bd. I, S. 66) schrieb, „mit Sicherheit ein fiktionales, von May erfundenes Buch, das des Dichters eigenes Schaffen charakterisieren sollte“. Ich frage mich aber: Muß man solche ‚Mystifikationen‘, solche dichterischen Freiheiten sofort – oberlehrerhaft, mit erhobenem Zeigefinger – als ‚Lüge‘ bezeichnen? Es ist ja nicht unwahrscheinlich, daß die Großmutter dem kleinen Karl tatsächlich aus einem orientalischen Märchenbuch vorgelesen hatte, vielleicht aus ‚Tausendundeine Nacht‘ oder aus den Märchen von Wilhelm Hauff, die zum Großteil im Orient spielen.
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rodger
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Beitrag von rodger »

Muß man solche ‚Mystifikationen‘, solche dichterischen Freiheiten sofort – oberlehrerhaft, mit erhobenem Zeigefinger – als ‚Lüge‘ bezeichnen?
Freilich nicht.
erfundenes Buch, das des Dichters eigenes Schaffen charakterisieren sollte
Diese Deutung dürfte auch nach meinem Dafürhalten am zutreffendsten sein.
Dernen
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Beitrag von Dernen »

Und ich darf vielleicht noch anfügen: May war ein wirklich guter Hakawati. Wäre er das nicht gewesen, würden wir uns nicht noch heute mit ihm und seinem Werk beschäftigen.

Grüße in die Runde

Rolf Dernen
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giesbert
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Beitrag von giesbert »

Hermann Wohlgschaft hat geschrieben:‚Der Hakawati‘ ist, wie ich in der Biographie (Bd. I, S. 66) schrieb, „mit Sicherheit ein fiktionales, von May erfundenes Buch, das des Dichters eigenes Schaffen charakterisieren sollte“. Ich frage mich aber: Muß man solche ‚Mystifikationen‘, solche dichterischen Freiheiten sofort – oberlehrerhaft, mit erhobenem Zeigefinger – als ‚Lüge‘ bezeichnen?
Natürlich nicht - es sei denn, man will Dichtung und Dichter gleich en gros als "Lüge" und "Lügner" entsorgen.

Es ist doch eher ein überaus faszinierendes, aber auch bestürzendes Phänomen, dass ein Dichter seine eigene Herkunft erfindet und sich so, wortwörtlich, seine eigene Geschichte erzählt.

"Mir zu erzählen, was mich zu erzählen hat" heißt es da leitmotivisch in Wollschlägers "Herzgewächsen".

May steht damit auch nicht allein, mir fällt da spontan Arno Schmidt ein, der in die Erzählung seines Lebenslaufes auch immer mal wieder korrigierend eingegriffen hat, oder Helmut Qualtinger, dessen phänomenales Talent der Anverwandlung soweit ging, dass er fremdes Erleben, das ihm nur erzählt wurde, so lebhaft nacherzählte, dass er nach einiger Zeit fest davon überzeugt war, es handele sich wirklich um Selbsterlebtes.

Und ich gehe jede Wette ein, dass sich praktisch bei jedem auch nur einigermaßen bedeutendem Künstler ähnliches finden lässt, es scheint mir unterm Strich zur conditio sine qua non künstlerischer Existenz zu gehören.

Generell ist es doch so, dass Dichter "nicht von dieser Welt" sind - ich halte es für ebenso anrührend wie nachempfindbar, dass sie das Gefühl, nicht hierher zu gehören, ihre generelle Fremdheit unter den Nicht-Dichtern wie unsereins, durch mehr oder weniger phantasievolle, mehr oder weniger ernst gemeinte nach rückwärts gerichtete Fiktionen erklären, um so ihre eigene Existenz des Anders-Seins gewissermaßen dichterich zu legitimieren.

Es gibt - um mal einen kleinen, scheinbar off-topic-Schwenker zu machen - in Steven Spielbergs "Amistad" eine herzzerschneidende Szene. Da treffen sich, 18. Jhrd., Anwalt und gefangener Sklave auf einem nebligen Gefängnishof, der Sklave spricht kein Englisch und der Anwalt gibt sich alle erdenkliche Mühe, sich mit ihm zu verständigen. Vor allem will er herausbekommen, wo der Sklave eigentlich herkommt. Also macht er allerlei Zeichen, malt die Umrisse der USA in den Sand deute darauf, sagt "Ich - hier! Du?" Es scheint alles nichts zu fruchten, der Sklave versteht ihn nicht und irgendwann wendet er sich wortlos ab, geht langsam in den Nebel und verschwindet. Der Anwalt ist frustriert, man hört noch schwach die Ketten des sich immer weiter entfernenden Sklaven. Und dann kommt aus dem Nichts des Nebels seine Stimme. Und man liest den Untertitel: "Ich komme von hier".

Diese Szene kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich Mays zum Teil groteske Selbstaussagen lese. Er kam nun weißgott aus dem Ganz Anderen.
Zuletzt geändert von giesbert am 16.2.2006, 0:00, insgesamt 1-mal geändert.
Waukel
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Beitrag von Waukel »

Gefällt mir. Aus dem Ganz Anderen in das Einfache Hier.

Sind ja auch wieder zwei Welten.
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Ralf Harder
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Re: Rezension

Beitrag von Ralf Harder »

Eckehard Koch hat geschrieben:Von sich behauptete May, er sei „Psycholog“. Diesem Selbstverständnis, vor allem des älteren May, geht Wohlgschaft sorgfältig nach – mit dem Ergebnis: So Unrecht hatte May nicht! Als … Verkünder einer „neuen Psychologie“ wird er in Wohlgschafts Biographie unter die Lupe genommen – für mich der zu den interessantesten und spannendsten Partien zählende Teil des Werkes.
Über Mays Beschäftigung mit der Psychologie bzw. seinen Anspruch, selbst Psychologe zu sein und sogar eine "neue Psychologie" verkündet zu haben, sollte vielleicht einmal hier im Forum diskutiert werden. Dieses Thema finde ich mindestens ebenso interessant wie den Spiritismus.

Ralf Harder
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rodger
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Beitrag von rodger »

Ich bin auch der Meinung, daß Karl May in dieser Hinsicht völlig unterschätzt wird. Immer wieder ist hinsichtlich seiner Figuren von holzschnittartiger Schwarzweißmalerei usw. zu lesen, das trifft zwar auch immer wieder mal zu, aber keinesfalls durchgängig.

Ich habe gerade wieder beim „Verlornen Sohn“ festgestellt, dass Karl May sich außerordentlich einfühlsam in die Psyche von Menschen hineinversetzen und sie mit viel Anteilnahme und Mitgefühl schildern kann (die Eifersucht des jungen Mannes in der „Waldkönig“-Handlung, als seine Braut zum Maskenball eingeladen wird, und das Unverständnis ihrerseits; Autor wie Leser können beide sehr gut verstehen, aber die beiden können sich, schmerzlich, nicht verstehen).

So gerne ich seinerzeit hier Beispiele für Sarkasmus und Kälte genannt habe (die es bei Karl May eben auch gibt, in bequeme Schubladen lässt er sich nun mal nicht stecken), so gerne nenne ich heute welche für liebevolle Einfühlsamkeit bzw. psychologischen Tiefgang:

- Teile des Gesprächs mit Marah Durimeh in „Durchs wilde Kurdistan“

- der zu Herzen gehende Zwist mit Mohammed Emin in „Von Bagdad nach Stambul“

- das Gespräch über den bevorstehenden Abschied zwischen Kara und Halef in „Durch das Land der Skipetaren“

- die feine Beobachtung der sich wiederholenden Muster im „Anhang“ von Band 6

- der vermeintliche Abschied von Nscho-Tschi vor den Zweikämpfen in Winnetou I

- die Figur des Ohlert in Winnetou II

- der Schott im „Krumir“ als Bild für innere Abgründe

- die Zeichnung einiger Figuren im „Sendador“

- die Beschäftigung mit Old Wabble

- die innere Auseinandersetzung mit Carpio

- die Einsichten des Münedschi

- der alte Pole, der Ustad, u.a., im „Silberlöwen“

- der arme alte Pappermann und sein Aschta-Déjà-vu in Winnetou IV

- Degenfeldts späte Einsichten im „Methusalem“

- wirklich zu Herzen gehendes im „Giftheiner“

- die Sterbeszene des Wurzelsepp

(um nur einige Beispiele zu nennen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen).

Und in dieser Hinsicht ist das Werk von Hermann Wohlgschaft ganz großartig. Er weist uns auf all das hin, was Karl May eben auch gesehen, empfunden und geschildert hat, und worin Karl May, meiner bescheidenen Meinung nach, etlichen Autoren „von Rang“ klar überlegen ist, denn er schreibt eben mit Herz und Seele, und nicht, wie so viele, mit gleichsam zugeknöpftem Rock.

Ich gehe soweit zu sagen, Karl May hat in die Menschen nicht weniger gut hineingeguckt als Thomas Mann, er hatte nur nicht dessen Bildungshintergrund, und musste sich, unter anderem deswegen, auf etwas bescheidenerem literarischen Terrain bewegen. Aber im Gegensatz zum genannten hatte er, bei allen auch vorhandenen Anwandlungen in anderer Richtung, ein großes Herz, und deshalb lese ich ihn nach wie vor sehr gern.
Jutta Laroche
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Beitrag von Jutta Laroche »

"...mit Herz und Seele, und nicht, wie so viele, mit gleichsam zugeknöpftem Rock..."

Genau, wie Rodger sagte: Er wollte, dass der Leser ihn, Karl May, kennen lernt. Das erinnert an Friedrich Schiller, dem May ja auch zugetan war. Vielleicht dachte er, als er ähnliches schrieb, an Schillers Worte: "Ich will also nicht bloß meine Gedanken dem anderen deutlich machen, sondern ihm zugleich meine ganze Seele übergeben, und auf seine sinnlichen Kräfte wie auf seine geistigen wirken."

Das hätte wohl auch von May stammen können.

Jutta Laroche
Nscho-tschi
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Beitrag von Nscho-tschi »

Anmeldungsdatum: 16.02.2006
Beiträge: 1


BeitragVerfasst am: 16.02.2006, 18:13 Titel: Begeisterung Antworten mit Zitat
Hallo liebe Forum Leser

Gestern begann ich die Biografie Karl Mays zu lesen und möchte heute gleich einige Gedanken der Begeisterung weitergeben. Da interessiert mich das Leben eines Schriftstellers - und schon in den ersten Seiten "trifft" es mich ganz "persönlich" mit folgenden Sätzen:
- er suchte die Heilung, das Leben in Fülle, oder
- die Phantasie, das menschliche Sehnen, das menschliche Träumen wurde
in der Theologie zu wenig beachtet
Faszinierend!
Dieses Buch drängt zum Weiterlesen!

Nscho-tschi
Hermann Wohlgschaft
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Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Hallo Nscho-tschi,

Dein Eintrag hat mich ganz besonders erfreut, herzlichen Dank! Ich hoffe sehr, daß die Lektüre auch weiterhin so spannend bleibt.

Mit liebem Gruß, Hermann
Nscho-tschi
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Beitrag von Nscho-tschi »

Hallo Hermann,
dein Buch wird die nächste Zeit meine Abendlektüre sein. Ab jetzt mit Stift und Lineal zum Markieren. Die Spannung hält an!

Gruß Nscho-tschi
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