Endlich Wohlgschaft Biographie erschienen

Hermann Wohlgschaft
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Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Lieber Herr Math,

darf ich Sie – unter May-Freunden üblich – so anreden? Zu Ihren Einträgen erlaube ich mir ein paar Bemerkungen:

1. Die Psychoanalyse ist weder Schwachsinn noch Unsinn. Sie ist vielmehr ein Instrument zum besseren Selbstverständnis des Menschen, u. U. auch zur Therapie von neurotischen Erkrankungen. Allerdings ist die Psychoanalyse nicht die einzig mögliche Methode zur Erforschung der Seele, auch ganz sicher nicht die einzig mögliche Methode zur Erforschung des Phänomens Karl May.
2. Die May-Biographie Hans Wollschlägers ist in der Tat psychoanalytisch orientiert. Daraus folgt aber nicht, daß sie überholt und nicht mehr lesenswert sei. In einigen Punkten überholt ist sie allerdings deshalb, weil die biographische May-Forschung inzwischen neue Erkenntnisse gebracht hat. Trotzdem gehört die ›Wollschläger-Biographie‹ auch heute noch mit Abstand zum Besten, was je über Karl May geschrieben wurde. Wollschlägers Buch vermittelt freilich nicht den einzig möglichen Zugang zu Karl May (s. oben Punkt 1). Es gibt auch andere Wege, Karl May – wenigstens annähernd – zu verstehen.
3. Es wurde schon öfter gesagt und ich wiederhole es gerne: Weder die ›Wollschläger-Biographie‹ noch die ›Karl-May-Chronik‹ von Sudhoff/Steinmetz sollten gegen die von mir verfaßte May-Biographie ausgespielt werden. Die Chronik bietet sehr wertvolles Material, das freilich nur einen kleineren Kreis von Spezialisten interessieren wird und eine erzählende Biographie nicht ersetzen kann. Im Unterschied zur reinen Chronik muß die Biographie »auch geistes- und kulturgeschichtliche Hintergründe einbeziehen, übergreifende Zusammenhänge darstellen und darf Wertungen nicht scheuen« (Claus Roxin).
4. Natürlich ist die Theologie nicht im selben Sinn eine ›Wissenschaft‹ wie die Mathematik oder die Physik. Sie leistet – m. E. – aber einen unverzichtbaren Beitrag zur Deutung der Welt und der menschlichen Existenz. So gesehen muß es kein Fehler sein, wenn ein Theologe eine Biographie über Karl May schreibt.

Mit herzlichem Gruß
Hermann Wohlgschaft
Thomas Math
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Beitrag von Thomas Math »

Lieber Herr Wohlgschaft

Die Psychanalyse ist ein Glaubensgebilde,das nie irgendwelchen wissenschaftlichen Ueberpruefungen standhielt.Nicht ueberraschend,dass die Pa heutzutage von Laien vertreten wird,fuer die universitaere Medizin in den USA und ich glaube auch in D ist sie nur noch von soziohistorischen Interesse.
Aber genug davon,das hat mit May nun wirklich nichts zu tun.

Ihre Biografie ist im uebrigen toll,ich mag kein Theologe sein,aber schreiben koennen sie und das sie May verstehen ist offensichtlich.

Ich hatte auch nicht die Absicht ihr Werk mit Sudhoff's zu vergleichen.Mich hatte nur seine Kritik an Ihrer Biografie gestoert.

Viele Gruesse

Tom M.Math
Dernen
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Beitrag von Dernen »

Thomas Math hat geschrieben:Ich hatte auch nicht die Absicht ihr Werk mit Sudhoff's zu vergleichen.Mich hatte nur seine Kritik an Ihrer Biografie gestoert.
Biographie und Chronik sind auch wirklich nicht miteinander zu vergleichen. Äpfel und Birnen wären sich einander da noch zu nah. Mit dem Hintergrund der Kenntnis über May kann ich die Chronik lesen und mir einen eigenen Reim über May machen. Als einigermaßen selbständig denkender Mensch kann ich wiederum die Biographie lesen, ohne alle Schlußfolgerungen des Autors teilen zu müssen. Eigentlich ist das alles ganz einfach.
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Ralf Harder
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Kittstein

Beitrag von Ralf Harder »

In wenigen Tagen wird die Nr. 149 der Mitteilungen der KMG erscheinen. Das neue Heft enthält den 2. Teil des Kittstein-Textes »Ein Fest für Kritiker«. Es handelt sich – wenn ich richtig informiert bin – um die bisher umfangreichste Besprechung der Karl-May-Biografie von Hermann Wohlgschaft.

Ralf Harder
Hermann Wohlgschaft
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Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Zur Rezension meiner May-Biographie durch Kittstein (Mitteilungen der KMG Nr. 149, S. 41-51) wäre viel zu sagen. Ich beschränke mich auf einige Punkte:

1. Kittstein schreibt auf S. 42: »… Um so enttäuschender habe ich immer den religiösen Mechanismus empfunden, mit dem auf Dozorcas ›Bekehrung‹ die Belohnung durch den lieben Gott folgt. Das Ganze ist ähnlich naiv wie die vergleichbaren ›Bekehrungen‹ in den Marienkalendergeschichten. Ähnliche Bedenken habe ich z. B. gegenüber der rein mechanischen Wirkung des Gebets in ›Abdahn Effendi‹ ( zur S. 1666/68 ) ... Ich vermisse hier kritische Bemerkungen.«

Was den »religiösen Mechanismus« in manchen May-Texten betrifft, bin ich ja durchaus derselben Meinung wie Kittstein. Vgl. meine kritischen Bemerkungen auf S. 754 unten (zu ›Christus oder Muhammed‹), S. 894/95 (zu ›Maria oder Fatima‹) u. S. 897 (differenzierte Stellungnahme zu ›Old Cursing-Dry‹).

2. Kittstein schreibt auf S. 42: »Einen prinzipiellen methodischen Einwand habe ich gegen die im dritten Band der Biographie mehrfach gestellte Frage nach der theologischen ›Richtigkeit‹ oder ›Stimmigkeit‹ der Gedanken und Aussagen Mays, etwa S. 1894ff.«

Das kann nur ein Missverständnis sein. Warum soll ich bei einem Romantext nicht fragen dürfen, ob er theologisch stimmig ist im Sinne etwa der biblischen Lehre von der Auferstehung der Toten oder der Rechtfertigungstheorie Martin Luthers? Ich darf ja z. B. auch fragen, ob in ›Winnetou I‹ die Apachen ethnographisch richtig beschrieben werden oder ob das im ›Mahdi‹-Roman gezeichnete Mahdi-Bild historisch zutreffend ist. Die Frage nach der theologischen (oder ethnographischen oder historischen usw.) ›Richtigkeit‹ besagt natürlich nichts über den literarischen Rang eines Textes. Es geht auch nicht darum, Karl May für irgendwelche Lehrmeinungen zu vereinnahmen. Aber wenn May behauptet, Christ zu sein, warum sollte dann die Frage nicht gestellt werden dürfen, ob sich Mays (angeblich oder wirklich) christliches Denken in seinen Romanen niederschlägt? Nochmals: Diese Frage zielt nicht auf eine literarische Bewertung von May-Texten, ebenso wenig, wie die Frage nach Mozarts Katholizismus den musikalischen Wert z. B. der ›Zauberflöte‹ tangiert.

Kittstein selbst schreibt ja auf S. 43: »Sinnvoll ist es durchaus, theologisches Gedankengut bei May zu beschreiben und zu analysieren (die betreffenden Passagen der Biographie halte ich für besonders informativ und erhellend) ...« Na also! Wo liegt der Dissens zwischen Kittstein und mir?

3. Kittstein schreibt auf S. 47: »Auch meine kritischen Ausführungen zum ›christlichen Imperialismus‹ im ›Friede‹-Band fühlen sich bestätigt durch ein Zitat auf S. 1557. Trotz aller propagierten Tolerierung anderer Religionen bekannte sich May nicht nur zum christlichen Glauben, das wäre kaum verwunderlich, sondern er wertet alle nichtchristlichen Religionen ab, indem er sie zu bloßen ›Stufen‹ auf dem Weg zum Christentum degradiert. Dazu gehört der Hochmut des Abendländers, den viele Äußerungen in ›Winnetou IV‹ (z.B. auf S. 1859 und 1961 zitiert) verraten …«

Dazu möchte ich bemerken: In anderen Religionen eine Vorstufe zum Christentum zu sehen, ist gewiss eine Betrachtungsweise, die nur aus christlicher Perspektive möglich und sinnvoll erscheint. Aber ist es deshalb schon »christlicher Imperialismus«, wenn dem Christen Karl May – bei aller Offenheit für das ›Fremde‹ – das Christentum doch näher stand als jede andere Religion?

Zu Recht wird kein Jude oder Moslem oder Hindu, der seine Religion für die beste hält, schief angesehen bei uns. Warum sollten wir nicht auch May die Freiheit zubilligen, im Christentum die menschenfreundlichste Religion zu sehen? Es mindert doch nicht den Respekt vor anderen Religionen und es ist doch keine Beleidigung anderer Kulturen, wenn May sich zum Christsein bekennt. In der Sicht Karl Mays darf jeder nach seiner Fasson selig werden. Dass das Christentum »alleinseligmachend« sei, hat May ja nie behauptet; ganz im Gegenteil, vor allem im Spätwerk nimmt er diese Auffassung sehr heftig aufs Korn.
Nscho-tschi
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Beitrag von Nscho-tschi »

Liebe May-Freunde,
mich freut es, dass Karl May bei aller Wertschätzung des Islam und der anderen Religionen ein gläubiger Christ war. Es gefällt mir sehr, dass Hermann Wohlgschaft in seiner Biografie Mays Glaubensbekenntnis nicht verschweigt, sondern positiv würdigt.

Einen schönen Tag wünscht
Nscho-tschi
Hermann Wohlgschaft
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Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Hallo Nscho-tschi,

Mays religiöse Botschaft könnten wir – in knappster Zusammenfassung – so formulieren: Wir Menschen brauchen Gott und zwar den gewaltlosen Gott der Liebe, wie ihn Jesus bezeugt hat und wie er, mehr oder weniger konsequent, in den Weltreligionen verkündet wird.

Hallo May-Freunde,

drei kurze Bemerkungen noch zu Werner Kittsteins Rezension in den Mitteilungen der KMG Nr. 149:

1. Dass die Aussagen eines lyrischen Ichs »genauso wenig wie die eines Roman-Ichs bruchlos mit der Haltung des Autors identifiziert werden« (S. 44) können, ist natürlich richtig. Ich wollte ja auch nicht sagen, dass Mays empirisches Ich, spirituell gesehen, schon auf derselben Höhe stand wie das lyrische Ich oder Kara Ben Nemsi im Disput mit dem Ustad. Kittsteins Einwand wird aber – im Falle einer Neuauflage der Biographie – dazu führen, dass ich mir die betreffenden Passagen noch einmal ansehe und evtl. präziser formuliere.

2. Kittsteins bedenkenswerte Ausführungen zu ›Hiob‹ (S. 47-50), diesem so außerordentlich merkwürdigen May-Text, beschäftigen mich sehr. Ich frage mich auch, ob es sich hier um ein Fragment handelt und wer das ›Ich‹ eigentlich ist: gewiss nicht einfach der Autor (obwohl es, wie Kittstein auf S. 49 bemerkt, »Wesensseiten des Autors sichtbar« macht).

3. Die »Formel vom Dichter, der niemals von Glaubenszweifeln angefochten worden sein soll« (S. 50), entspricht keineswegs meinem May-Bild. In der Selbstbiographie ›Mein Leben und Streben‹ behauptet May allerdings, dass er nie an Gott gezweifelt habe – m. E. eine Selbsttäuschung Mays (vgl. Biographie Bd. I, S. 316ff.).

Hermann Wohlgschaft
Willi Olbrich

Beitrag von Willi Olbrich »

Als Mitglied der KMG und der Fördervereine beider Karl-May-Museen in Sachsen sowie des Schweizer Karl-May-Freundeskreises erlaube ich mir einige Worte zur May-Biographie von Dr. Hermann Wohlgschaft.

Ich finde dieses dreibändige Werk hervorragend. Die solide und ansprechende Ausstattung der Bände gefällt mir optisch sehr gut, auch die hohe Papier- und Druckqualität ist beeindruckend. Die eigentliche Bedeutung dieser Bücher liegt jedoch in der ausgezeichneten Textverarbeitung.

Die spannenden, kompetent geschriebenen und größtenteils objektiven Textsequenzen folgen – im Sinne Karl Mays – gewissermaßen den Spuren der ‚Geographischen Predigten’. Daraus resultierend gliedert Wohlgschaft das Leben und das Werk des Dichters in bisher wenig bekannter – und nicht nur auf Kritik basierender – Weise. Wohlgschaft bewies den Mut, Mays christliche Gesinnung (heute leider vielfach verkannt und verpönt) weder zu verschönen noch zu verschweigen.

Auch die plausiblen Kommentare, Forschungsergebnisse oder auch nur Vermutungen zahlreicher Karl-May-Forscher liefern wertvolle Informationen alternativer Möglichkeiten und sind fließend im Text integriert.

Persönlich empfinde ich es als ausgesprochen großen Gewinn, dass in Dr. Wohlgschaft ein Theologe für diese doch sehr aufwendige und schwere Aufgabe gewonnen werden konnte. Wohlgschaft hat es verstanden, sich der aufrichtigen Religiosität Karl Mays sehr feinfühlig und glaubwürdig zu nähern.

Für sein großartiges Werk verdient Hermann Wohlgschaft Dank und Anerkennung. Als gelungene Beschreibung bzw. Deutung von Mays Leben und Werk gehört diese Biographie zu den äußerst wertvollen Beständen der Literatur und wird damit nicht nur für die May-Forschung zu einem unentbehrlichen Instrument.

Ich gestehe, über meinen bevorzugten Schriftsteller Karl May habe ich sehr viel hinzugelernt. Dafür bedanke ich mich bei Pfarrer Wohlgschaft.

Willi Olbrich
Wil/Schweiz
Nscho-tschi
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Beitrag von Nscho-tschi »

Liebe May-Freunde,

Den 3. Band der May-Biografie von Hermann Wohlgschaft habe ich jetzt zu Ende gelesen. Mein Leseerlebnis möchte ich hier gerne zusammenfassen. Bis zur letzten Seite hat meine Begeisterung angehalten, ich habe unheimlich viel gelernt über Karl May. Früher wusste ich über diesen Schriftsteller nur, dass er im Gefängnis war und seine Abenteuergeschichten nicht selbst erlebt, sondern nur erfunden hat. Jetzt aber sehe ich Karl May mit anderen Augen: ein menschlich bewegendes Leben mit Höhen und Tiefen, in denen ich auch mich selbst und viele mir bekannte Personen wieder finden kann.

Viel gelernt habe ich aber nicht nur über Karl May. Wohlgschafts Biografie ist für mich wie eine Art Baum mit ganz vielen Ästen und Verzweigungen. Der Baum ist sozusagen Karl May, sein Leben und seine Bücher. Die Äste und Zweige sind für mich Themen wie seelische Krankheit, materielle Not, menschliche Angst und Verzweiflung, Bildungswesen des 19. Jahrhunderts, Kolportageliteratur, katholischer Literaturstreit, Islam, christliche Mystik, Enneagramm und vieles andere. Erst zuletzt ist mir aufgefallen, dass am Ende des 3. Bandes noch ein riesiges Register zu finden ist. Da kommen Namen vor wie Michelangelo, Mozart, Richard Wagner, Goethe, Schiller, Tolstoi, Dostojewski, Nietzsche, sogar Darwin, aber auch Namen wie Augustinus oder Joseph Ratzinger. Außerdem finden sich Stichworte wie Aberglaube, Abwehrmechanismen, Bibelkritik, Deutscher Idealismus, Evolutionstheorie, Gotteserfahrung, Grimms Märchen, Hiob, Hysterie, Liebe, Männliche Härten, Nachtseiten der Seele, Nathan der Weise, Projektionen, Rettungsbilder, Sakrale Kunstauffassung, Sexualität, Todesphantasien, Verlorenes Paradies, Zukunftsoptimismus und noch vieles mehr. Eine unglaubliche Vielfalt!

Was ich schade finde, ist nur: Die Biografie ist in einem ziemlich unbekannten Verlag erschienen, der wohl nur im engeren Kreis der Karl-May-Spezialisten bekannt ist. Wohlgschafts Buch würde meiner Meinung nach eine größere Verbreitung verdienen.

Einen schönen Tag wünscht
Nscho-tschi
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rodger
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Beitrag von rodger »

Was ich schade finde, ist nur: Die Biografie ist in einem ziemlich unbekannten Verlag erschienen, der wohl nur im engeren Kreis der Karl-May-Spezialisten bekannt ist. Wohlgschafts Buch würde meiner Meinung nach eine größere Verbreitung verdienen.
Wie wäre es mit einer Taschenbuchausgabe ? Der Preis von ca. 200 Märkern hat mich persönlich zwar, obwohl Unterdurchschnittsverdiener, keineswegs abgeschreckt (watt mutt datt mutt), aber das dürfte anderen anders gehen.

Es gab doch mal eine sehr schöne HKA-Taschenbuchausgabe (Greno); soll, was gut ist, nicht wiederkommen ?

:wink:
Kurt Altherr
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Beitrag von Kurt Altherr »

In diesem Punkt stimme ich Rüdiger in jeder Beziehung zu. Die Karl-May-Biografie von Hermann Wohlgschaft sollte auch in einer Ausgabe erscheinen, die für jeden Geldbeutel erschwinglich ist, haben wir es hier nicht nur mit der besten Biografie über Karl May zu tun, sondern mit einem biografischen Werk das allenthalben als epochemachend gelten kann.

Ich finde, das Werk ist eine der bemerkenswertesten Biografien, die in den letzten 50 Jahren über einen deutschen Schriftsteller jemals geschrieben wurde.
Hermann Wohlgschaft
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Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Die Regel, dass der Autor zu kritischen Äußerungen über sein Werk – in vornehmer Zurückhaltung – schweigen sollte, habe ich schon so oft missachtet, dass es auf dieses eine Mal jetzt auch nicht mehr ankommt. Ich meine die Besprechung meiner May-Biographie durch Helmut Schmiedt im Jahrbuch der KMG 2006, S. 324 u. 327ff.

Alles in allem kann ich mit Schmiedts Kommentar ja bestens leben; denn das Positive überwiegt deutlich, und die kritischen Untertöne sind amüsant und äußerst moderat gehalten. Im Wesentlichen fühle ich mich von Schmiedt durchaus verstanden, in einem Punkt freilich muss ich widersprechen: »Zu bewundern ist«, schreibt Schmiedt auf S. 328, »die Konsequenz, mit der Wohlgschaft Mays Texte auf ihre religiöse Relevanz prüft, aber es ist ein zumindest anfechtbares Verfahren, ihre Qualität kontinuierlich ›vor allem‹ an ihrer ›theologischen Aussage‹ (II, S. 1401) zu messen.«

Da möchte ich einwenden: Erstens werden Mays Texte von mir doch keineswegs nur »auf ihre religiöse Relevanz« geprüft; und zweitens habe ich doch nie behauptet, die literarische Qualität eines Textes sei identisch mit seiner religiösen Aussagekraft. Dass ein literarisch großartiger Text in religiöser Hinsicht völlig unergiebig und – umgekehrt – ein frommes Gedicht in literarästhetischer Hinsicht sehr schwach sein kann, ist ja klar und wurde von mir nie bestritten.
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Ralf Harder
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Beitrag von Ralf Harder »

Helmut Schmiedt schreibt im Jahrbuch der KMG 2006, S. 327: »Nicht auf einen einfachen Nenner, aber doch auf einen zentralen Grundgedanken hin ordnet Hermann Wohlgschaft das umfangreiche Material in seiner ›Biographie‹; anders darf es auch nicht sein, denn anspruchsvolle Lebensbeschreibungen dieser Art erschöpfen sich nicht darin, Details aufeinander zu häufen, sondern suchen nach einer Kohärenz, die das Einzelne zum Teil eines Ganzen macht […]. Für Wohlgschaft liegt diese Kohärenz primär darin, dass May sich als Mensch und Schriftsteller auf einem langwierigen und extrem gewundenen Weg von Ardistan nach Dschinnistan befindet […].«

Ja, das kann man durchaus so sagen, denn die problematischen Seiten in Mays Charakter werden von Wohlgschaft nicht vertuscht; und Mays vielfach verschlungene Umwege auf der Lebensreise nach ›Dschinnistan‹ werden von Wohlgschaft einfühlsam, aber auch kritisch beschrieben. Im Ganzen freilich lässt Wohlgschafts Biografie eine hohe Wertschätzung für Karl May erkennen. Bei einigen – namhaften – Personen der May-Szene vermisse ich gelegentlich diese Wertschätzung für unseren Autor. Sie tendieren dazu, Karl May zu demontieren, ihn von der Kanzel des Oberlehrers und Besserwissers herab zu maßregeln. Gegen solche Tendenzen hebt sich Wohlgschafts May-Biografie sehr deutlich ab.

Ralf Harder
Jutta Laroche
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Beitrag von Jutta Laroche »

Dem, was Herr Harder geschrieben hat, stimme ich uneingeschränkt zu.

Gruß - Jutta Laroche
Kurt Altherr
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Beitrag von Kurt Altherr »

.............auch meiner Zustimmung kann Herr Harder absolut gewiß sein. Die Arbeiten von Hermann Wohlgschaft, Hans Wollschläger und Christian Heermann sind - jede auf ihre Art - hervorragende Biografien. Das ist bei anderen Biografen nicht immer der Fall.

Viele Grüße
Kurt
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