Von den Ozarkgebirgen zum Silbersee

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Thomas Schwettmann

Von den Ozarkgebirgen zum Silbersee

Beitrag von Thomas Schwettmann »

Ich habe hier ja schon in einigen Threads ein paar Vergleiche zwischen Texten von Karl May und Friedrich Gerstäcker vorgestellt. Hier nun sei einer Anregung gefolgt, die Andreas Graf 1997 in seinem KMG-Jahrbuch-Artikel „Von Öl- und anderen Quellen“ gibt: Natürlich liegt es nahe, nachdem Mays Benutzung von Gerstäckers ›Mississippi-Bildern‹ nachgewiesen ist, diesen Sammelband insgesamt einmal genauer zu betrachten und auf weitere mögliche Quellen – entweder für ›Schatz im Silbersee‹ oder andere May-Texte – hin zu untersuchen. Besonders interessant in dieser Hinsicht ist Gerstäckers Erzählung ›Die Silbermine in den Ozarkgebirgen‹. Der Begriff Ozark, von May nur selten verwendet, taucht nämlich tatsächlich auch im ›Schatz im Silbersee‹ einmal auf (S. 70), wenn auch als Städte- und nicht als Gebirgsname.

Dazu sei zunächst einmal angemerkt, daß der Begriff Ozark außer der genannten Stelle im „Schatz im Silbersee“ – Der Steamer hatte während des Nachmittages Ozark, Fort Smith und Van Buren passiert (...) - noch in „Deadly Dust/Winnetou III“ (auch zitiert in „Old Surehand I“) – Zwischen Texas, Arizona, Neu-Mexiko und dem Indianer-Territorium, oder anders ausgedrückt, zwischen den Ausläufern des Ozarkgebirges, (...) liegt eine weite, furchtbare Strecke Landes (...) – ähnlich in „Der Dichter/Der Pfahlmann“ Zwischen Texas, Neu-Mexiko, dem Indiana-Territorium und dem nach Nordosten streichenden Ozarkgebirge liegt eine weite Landesstrecke (...) / Er hatte mit einer Gesellschaft von Westmännern Santa Fé verlassen, um über das Ozarkgebirge Arkansas zu erreichen (...) – sowie in „Deutsche Herzen, Deutsche Helden“ – »Es wurde mir da hinter den Ozarkbergen gestohlen, als ich in einem kleinen, verlassenen Settlement übernachtete. (...)« – erwähnt wird. May verwandte den Ausdruck also wirklich nur sehr selten, außerdem dürfte dieser natürlich auch auf einigen Karten eingezeichnet gewesen haben, was als Quelle für die Zitatstellen völlig ausgereicht hätte, da May die Ozarkgebirge als Schauplatz für eine Handlung nicht benutzte.

Aber auch der Inhalt von Gerstäckers kleiner Erzählung vermag den Leser kaum an eine Karl-May-Geschichte zu erinnern. Natürlich ist das allgemeine Thema der Suche nach Gold und Silber auch bei May zu finden, die Art des fatalen Verlaufes der Geschichte findet man ferner auch in so kleinen Skizzen wie „Die Rache des Mormonen“ oder „Der Mistake-Canon“, doch bei einer Erzählung, in der eine Gruppe von Männern einer anderen nachspioniert, die sich von Zeit zu Zeit aus einer geheimen Mine mit Edelmetall versorgt, und es dann letztlich zum für fast alle Beteiligten tödlichen Showdown kommt, assoziiert man dann doch eher „Der Schatz in der Sierra Madre“ als „Der Schatz im Silbersee“.

Im Detail betrachtet, erinnern einzelne Textpassagen der Gerstäcker-Erzählung jedoch durchaus an entsprechende Textstellen bei Karl May. Dies gilt insbesondere für den Anfang. Die vielleicht ungewöhnlichste und zugleich eindringlich plastischste Einleitung eines „Guten Kamerad“-Romanes bietet „Der schwarze Mustang“: Da reiten die beiden Brüder Timpe durch ein tief in die Felsen eingeschnittenes Flußtal, während hoch über ihnen auf den Berghügeln ein schweres Gewitter tobt. Ebenso intensiv geschildert präsentiert sich nun aber auch der gleichartige Beginn von Gerstäckers Erzählung „Die Silbermine in den Ozarkgebirgen“. Hier befinden sich anfangs während eines Unwetters zwei Westleute zwar nicht sogleich unten in der Schlucht, sondern zunächst auf dem Weg hinab, auch sind sie nicht beritten, sondern zu Fuß unterwegs. Ferner gibt es keine prägnanten wortwörtlichen übereinstimmenden Phrasen in beiden Texten, ob May die gleichartige Situation von Gerstäcker bewußt, unbewußt oder gar nicht kopierte, läßt sich also nicht sagen. Dennoch lohnt sich eine Gegenüberstellung, und wenn auch nur, weil beide Texte so schön die Atmosphäre der jeweiligen schwerfeuchten Wetter beschreiben:

May- Der schwarze Mustang: Ein schwerer Sturm peitschte den dichtströmenden Regen gegen die sich vor ihm beugenden Tannenwipfel des Hochwaldes; fingerstarke Wasserfäden flossen an den Riesenstämmen nieder und vereinigten sich an den Wurzeln zu erst kleinen, nach und nach aber immer größer werdenden Bächen, welche in zahllosen Wasserfällen von Fels zu Fels in die Tiefe stürzten, um unten in dem engen Thale von dem hochaufgeschwollenen Flusse aufgenommen zu werden. Es war Nacht geworden; von Minute zu Minute rollte ein zürnender Donner über die Tiefe hin, doch, so hell und grell der Blitz jedesmal dabei leuchtete, fiel der Regen so »korpulent« herab, wie der Westmann sich auszudrücken pflegt, daß man trotzdem kaum fünf Schritte weit zu sehen vermochte.
Der rasende Sturm traf oben den Hochwald und die Felsenklippen; seine Macht jedoch reichte nicht bis in die Tiefe, wo die Riesentannen im nächtlichen Dunkel unbeweglich standen, aber es war da auch nicht still, denn die Wasser des Flusses rauschten und brausten so erregt zwischen den Ufern dahin, daß nur ein ungemein scharfes Ohr es hören konnte, daß zwei einsame Reiter flußabwärts geritten kamen; zu sehen waren sie nicht.

Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: Der Donner rollte dumpf und drohend über den hohen Wipfeln der Ozarkgebirge hin, schmetternd sein Echo fordernd aus den dunklen Schluchten und die Nebel niederpressend in den engen, schroff in die Hänge gerissenen Thäler. Der Blitz zischte dabei grell und flammend an den Felsen nieder, der ganzen wilden Landschaft und dem falben Lichte des scheidenden Tages eine eigene, unheimliche Beleuchtung gebend. Der Regen rasselte in Strömen auf die dichtbelaubten Eichen und Hickories nieder, wurde aber trotzdem von dem durstigen Boden aufgefangen, ehe er das tiefliegende Bett des kleinen Flüßchens „Hurricane“ erreichen konnte, in dem das Wasser jetzt nur in kleinen Lachen stand.
Da klommen, als das Gewitter gerade den höchsten Punkt erreicht zu haben schien und Schlag auf Schlag, von vielfältigen Echo verdoppelt, in den Schluchten dahinrast, zwei Jäger, in große, weiße wollene Decken gehüllt, die die ganze Figur, fast bis auf die befranzten Moccasins hinunter, bedeckten, an den steilen Seitenwänden nieder, welche den Hurricane von seinen Quellen bis dahin, wo er sich in den Mulberry ergießt, umgeben. Sie hielten auch nicht eher, als sie sich auf dem untersten, terrassenförmigen Vorsprung befanden, von dem aus sie das steinige Bett des Flusses, das dicht in die ihn starr und steil umgebenden Felsen eingezwängt liegt, übersehen konnten.

May- Der schwarze Mustang: (...) Das Thal wurde bald so eng, daß nur wenig Raum zwischen dem Flusse und der beinahe senkrecht aufsteigenden diesseitigen Felswand blieb. (...) Die Unterhaltung wurde fortgesetzt, natürlich ziemlich einsilbig, wie es die Oertlichkeit und Lage mit sich brachte. Es verging eine Viertelstunde und noch eine. Da machte der Fluß eine scharfe Biegung nach der Seite, auf welcher sich die beiden Reiter befanden; er hatte das hier erdige Ufer unterwaschen;

Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...).Damit, und ohne die Antwort seines Gefährten abzuwarten, klomm er einen schmalen Hirschpfad, der an den Fluß hinunter führte, abwärts und stand bald, von Jenem gefolgt, an dem steinigen Bett des Hurricane, und zwar gerade da, wo dieser in einer Biegung, und in Folge einer unterirdischen Quelle, ein kleines Becken von tiefen, obgleich gegenwärtig durch den Regen etwas getrübten Wasser enthielt.

May- Der schwarze Mustang: (...) Der Regen hatte nach einem heftigen Donnerschlage plötzlich aufgehört, und die Wolken waren vom Sturme zerteilt worden. Zwischen ihnen blickten helle, blaue Stellen des Himmels hernieder, und die beiden Männer konnten gegenseitig ihre Gesichter erkennen.

Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...) Das Gewitter ließ jetzt nach; weit im fernen Norden verhallte der Donner, und an vielen stellen schaute der blaue, azurne Himmel durch die weißlich grauen Wolkenschleier, die, von einem frischen Südostwind gejagt, in langen, wehenden Streifen über das Thal hinwegzogen

Natürlich gibt es im „Schwarzen Mustang“ auch noch die Suche nach der fabelhaften „Bonanza of Hoaka“, wobei das unredliche Verhalten des Westmannes Majestät und seiner Leuten, die das vermeintlich friedliche Halbblut Yato-Inda übervorteilen wollen, gleichfalls an das Vorhaben der beiden Jäger bei Gerstäcker erinnert, die Lage der nur den Mexikanern bekannte Silbermine notfalls auch durch Anwendung von Gewalt zu erfahren..

Ob May den Gerstäcker-Text auch für „Der Schatz im Silbersee“ auswertete, läßt sich ebenso nur spekulativ beantworten. Zwar erinnert etwa die mißglückte Verfolgung des Brinkleys im Dunklen durchaus an eine entsprechende Passage aus dem Text von Gerstäcker, wobei sich ein derartige Inspiration mangels wortwörtlicher Zitate jedoch ebenfalls nicht beweisen läßt. Zudem sollte man meinen, daß die Phantasie eines Schriftsteller ausreichen solle, um solche Szenerien selbstständig ohne jedes Vorbild zu beschreiben, da keinerlei spezielles Wissen verarbeitet werden muß.

Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...) in wenigen Minuten waren Beide in der Dunkelheit des Waldschattens verschwunden; in demselben Augenblick aber raschelten die Büsche, und fünf finstere Gestalten brachen durch die Sträuche (...)
da mahnte eine schnelle, gebieterische Geberde ihres Führers zum schweigen , und wie eben so viele, aus dunklem Marmor gehauene Figuren standen die Männer, ohne auch nur zu athmen und lauschen hinein in den stillen, in heiliger Ruhe sie umgehenden Wald.
Einen Augenblick herrschte Todesschweigen, da scholl das krachen eines dürren Astes an ihr Ohr – da noch einmal. Und mit lauten Freudenruf (...) sprangen die fünf kräftigen Männer an der fast steilen Felswand, die Das Thal einschloß, hinauf und folgten der Richtung, in der sie das Geräusch gehört hatten.
(...) Preston riß gerade noch zur rechten Zeit seinen Gefährten in eine kleine Schlucht hinein, (...) als eine lange, dunkle Gestalt an ihnen vorbeisprang und dem Dickicht zueilte

May- Der Schatz im Silbersee: Der Rotbärtige rannte wie einer, der sein Leben zu retten hat. Droll stürmte, was er konnte, hinter ihm her.
(...)
Jetzt hatte der Cornel den Lichtkreis des Feuers hinter sich und verschwand in dem Dunkel, welches unter den Bäumen herrschte.
»Stehen bleiben, beim Himmel, stehen bleiben, Droll!« schrie Old Firehand voller Zorn nun zum fünftenmal.
(...)
»Aber um einen Menschen im Walde zu ergreifen, muß man ihn sehen oder wenigstens hören, wenn es des Nachts ist. Indem Sie selbst laufen, wird für Sie das Geräusch seiner Schritte unhörbar. Verstanden? (..) Ich wette, er ist so klug gewesen, gar nicht weit zu gehen. Er ist nur ein kleines Stück in den Wald hinein und hat sich dann hinter einen Baum gesteckt, um Sie in aller Gemütlichkeit an sich vorübersausen zu lassen. (...) Wir hätten uns, sobald wir uns im Dunkel des Waldes befanden, niedergelegt und gelauscht. Mit den Ohren an der Erde hätten wir seine Schritte gehört und die Richtung derselben beurteilen können. (...)«

Eine ähnliche nächtliche Verfolgung gibt es noch in „Winnetou I“, als Old Shatterhand dem Schurken Santer nacheilt, doch dürfte sich May dabei wie auch bei dem geschilderten Versuch, die Kiowas in einer Cannon-Falle einzuschließen, dann doch direkt an die entsprechenden Szenen aus dem „Schatz im Silbersee“ erinnert haben.
Thomas Schwettmann

Beitrag von Thomas Schwettmann »

Die meisten Textparallelen sind halt nicht so eindeutig wie im Falle der „Rafters“, wo Karl May fast wortgleich aus der kurzen Gerstäcker-Skizze zitiert. Die Gegenüberstellung der beiden Texte findet sich in dem bereits erwähnten KMG-Jahrbuchaufsatz "Von Öl- und anderen Quellen“ von Andreas Graf. Zu dem umfangreichen Vergleich, den der Autor anführt, lassen sich aber noch einige weitere Parallelen hinzufügen. Zum einen ist Gerstäckers alter Missourier Mac Kinney das offensichtliche Figurenvorbild für Mays alten Missourier Blenter. Ferner spiegelt sich Gerstäckers Schilderung der illegalen Schlachtung von Farmersschweinen in der Tötung der Kühe des einstigen Farmers Blenter durch die Rafters unter der Führung des roten Brinkley. Es gibt aber auch noch weitere konkrete Textübernahmen, so bei der Beschreibung des Lagers:

Gerstäcker – Rafters: (...) an Ort und Stelle angekommen, beginnen sie ihre Arbeit stets damit, eine schlanke Rotheiche oder Cypresse zu fällen, mehrere vier Fuß lange Klötze zu sägen oder zu hauen und dann Bretter, sogenannte Clapboards, zu spalten, um ihr Lager damit decken zu können.

May- Der Schatz im Silbersee: Man hatte von vier in den Winkeln eines regelmäßigen Vierecks stehenden Bäumen die Wipfel abgesägt und auf die Stämme Querhölzer gelegt, welche das Dach trugen. Dieses letztere bestand aus sogenannten Clapboards, Brettern, welche man roh aus astlosen Cypressen- oder auch Roteichenstämmen spaltet.

Die zweite, nicht ganz so offensichtliche Textparallele gibt hingegen ein kleines Rätsel auf. Hat Karl May sich die‚Fachbegriffe‘ Schleifen und Rutschbahn selber ausgedacht, oder stand ihm neben der „Rafters“-Skizze noch eine zweite Textquelle zur Verfügung? Im Text von Gerstäcker werden diese beiden Ausdrücke jedenfalls nicht erwähnt.

Gerstäcker – Rafters: Nun aber hat der Rafter nicht allein darauf zu sehen, ein Stück Wald zu finden, wo treffliche und nutzbare Bäume stehen, denn deren giebt es genug, nein, er muß auch einen so gelegenen Landstrich aussuchen, wo entweder das Wasser den Boden schon mehrere Fuß überschwemmt hat, oder wo es zum Frühjahr hinkommt, oder wo die Klötze von einer Anhöhe hinab gleich und ohne großen Kraftaufwand in einen vorbeiströmenden Fluß gewälzt und hier mit Stangen zu einem Floß vereinigt werden können.

May- Der Schatz im Silbersee: Da, wo die Rafters ihren Arbeitsplatz aufgeschlagen hatten, fiel das hohe Ufer unweit des Blockhauses steil zum Wasser hinab, was höchst vorteilhaft war, da es die Anlegung sogenannter Schleifen ermöglichte, das sind Rutschbahnen, auf denen die Rafters die Stämme und Hölzer ohne große Anstrengung an das Wasser bringen können.

Allerdings haben diese Rutschbahnen im Roman eine ganz konkrete Funktion, da sie für die Tramps eine rasche Flucht im Dunklen ermöglichen. Dies deutet daraufhin, daß May diese Schleifen selber ‚erfunden‘ haben könnte: »Er wird zu finden sein. Da seht, hier führt die Rutschbahn hinab. Wollen untersuchen, ob wir hinab können.« (...)Am Rande des Waldes, nach dem Flusse zu, war eine Lücke zwischen den Bäumen zu bemerken. Die Tramps eilten auf dieselbe zu und sahen, daß ihr Anführer ganz richtig vermutet hatte. Es führte eine gerade, steile, schmale Bahn hinab, neben welcher ein Seil befestigt war, an welches man sich halten konnte. Die vier ließen sich hinab.

Schließlich dürfte May auch noch durch den in „Rafters“ abschließend geschilderten Zusammenstoß zwischen einem Dampfschiff und einem Raftfloß zu seinen ähnlich beschriebenen Unfällen auf der Mosel (in „Die Liebe des Ulanen“) und dem Rio Panara (in „El Sendador II/Am Rio de la Plata) angeregt worden sein. Ein ausführlicher Textvergleich dazu findet sich im Unterforum „Reiseerzählungen“ auf der 2. Seite des Thread „Der Ehri/Vom Tode erstanden“ -> http://www.karl-may-stiftung.de/diskuss ... 0&start=15

In diesem Zusammenhang läßt sich auch noch die Schaufelraddampferfahrt auf den Arkansas in „Der Schatz im Silbersee“ stellen. Schon Christoph F. Lorenz hat in seiner Einleitung zum KMG-Reprint der Kamarad-Fassung auf Ähnlichkeiten zu dem zweiten Münchmeyer-Kolportageroman hingewiesen: (...) zufällig begegnen sich alle Personen, deren Zusammentreffen für den weiteren Fortgang der Handlung zwar notwendig, aber eben recht unglaubwürdig ist, auf dem bewußten Schaufelraddampfer. / Diese Konstellation hatte Karl May ja schon einmal ausprobiert, und zwar in der Exposition der „Liebe des Ulanen“, wo sich ebenfalls das gesamte wichtige Personal des Romanes zu Anfang ein Stelldichein auf einem Schiff, hier einem Moseldampfer, gibt.

Obgleich nun May auf einen dramatischen Zusammenstoß mit einem Floß in „Der Schatz im Silbersee“ verzichtet, schildert er doch immerhin, wie der Schaufelraddampfer „Dogfish“ wegen eines Leckes zu sinken droht, und zwar bezeichnenderweise direkt vor dem Rafters-Kapitel, und nimmt damit schon ein Motiv aus den „Rafters“ auf, einen ähnlichen Unfall gibt es allerdings auch in „Die Flußpiraten vom Mississippi“, wo bei der „Van Buren“ die Vertauung reißt und das Schiff auf eine Sandbank treibt:

Gerstäcker – Rafters: Desto ängstlicher und besorgter stürzte aber auf dem Dampfboot Alles aus einem Raum in den anderen, untersuchte auf das Genaueste und Sorgfältigste die keineswegs stark gearbeiteten Seitenwände, und beruhigte sich erst dann, als man fand, daß das schöne Boot nicht den mindesten Schaden genommen.

Gerstäcker – Die Flußpiraten vom Mississippi: Die Passagiere stürmten jetzt erschreckt von allen Seiten herbei, einzelne sogar schon mit ihren Habseligkeiten unter dem Arm oder auf dem Rücken, bereit, mit nächster Gelegenheit in ein rettendes Boot zu springen. Auch die Mannschaft selbst war im ersten Augenblick bestürzt; denn man wußte noch nicht genau, wie bedeutend der angerichtete Schaden sei und ob der Rumpf wirklich so gelitten habe, daß das Fahrzeug sinken müsse. Der Zimmermann sprang auch vor allen Dingen in den Rumpf hinunter, und die Pumpen wurden versucht.

May- Der Schatz im Silbersee: Der Lieutenant stieg in die Hinter- und der Kapitän in die Vorderlucke, um den Kielraum zu untersuchen. (...)Die Matrosen und Arbeiter wurden heimlich geweckt, und das Schiff veränderte seine Richtung. Ohne einige Unruhe konnte das nicht geschehen; die Deckpassagiere erwachten und einige Kajütenreisende kamen aus ihren Kabinen. »Es ist nichts, Mesch'schurs; es hat keine Gefahr,« rief ihnen der Kapitän zu. »Wir haben etwas Wasser im Raume und müssen es auspumpen. Wir legen an, und wer Angst hat, kann einstweilen ans Ufer gehen.« Er wollte beruhigend wirken; aber es fand das Gegenteil statt. Man schrie; man rief nach Rettungsgürteln; die Kabinen entleerten sich.

Dabei verwendet May – einmalig im „Schatz im Silbersee“ - den Ausdruck ‚Deckhand‘, welcher auch in „Rafters“zu lesen ist, in der „Flußpiraten“-Szene ist dagegen durchgehend nur von „Matrosen“ die Rede:

Gerstäcker – Rafters:: Der Pelikan war, wie schon gesagt, ein sehr starkes Boot und musterte etwa zwanzig Feuerleute und vierzehn Deckhands oder Matrosen.

May- Der Schatz im Silbersee: Während nun die Deckhands mit dem Auspumpen des Schiffes begannen, wurde der schwarze Feuermann verhört.

Eine als Quelltextkandidat weitere beachtenswerte Kurzgeschichte in den „Mississippi-Bildern“ ist „Wandernde Krämer“, da in dieser auch speziell über kurpfuschende Wanderdoktoren berichtet wird, ein Thematik, die Gerstäcker in der Skizze „Das ‚Doktor‘-Unwesen in der Union“ (in: „Skizzen aus Californien und Südamerika“) nochmals vertieft hat und May zu der Figur des Magister Doktor Jefferson Hartley, Physician und Farrier meines Berufes. inspirierte. Die für solche Wanderdoktoren typischen Medizinen sind freilich anderer und gefährlicher Natur als die Empfehlung eines „vollkommen unschuldig zur Doktorwürde“ gekommen Apothekenkunden oder die gefärbten Wässerchen des Dr. Hartley:

Gerstäcker – Wanderne Krämer: Die Mittel, derer er sich bedient, sind sehr einfach. Kalomel ist die Hauptkur, und macht, nebst irgend einer großnamigen Patentmedicin, den Mittelpunkt, um den sich alles Uebrige dreht; sonst gebraucht er noch etwas Opium (aufgelöst), Ricinusöl, Glaubersalz, etwas Jpecacuanha, Chinarinde und Brechweinstein, und er hat Alles, was er zu einer ausgebreiteten Praxis bedarf.
Schon fünf Meilen von seinem Heimathsort, wo er dem ersten fremden Menschen begegnet, erhält er den Namen „Doctor,“ und Die können von Glück sagen, die noch mit Salz und anderen unschädlichen Medicinen abgefertigt werden, denn wo der junge Doctor Geld wittert, da müssen die Leute von seiner Patentmedicin kaufen, und Gnade ihnen Gott, wenn sie das rothe, zusammengeknetete Zeug verschlucken. Sind sie vollkommen gesund, so kommen sie vielleicht mit einer heilbaren Kolik, oder einigen gelinden Krämpfen und einen schwachen Anfall von Apoplexie davon; sind sie aber ohnedies kränklich, dann ist ihnen selten mehr zu helfen, und sie vermehren die Zahl der Schlachtopfer, die jährlich dem so scheußlichen Götzen „Quacksalberei“ geopfert werden.

Gerstäcker - Das ‚Doktor‘-Unwesen in der Union:: Ich war damals mit dem jetzt verstorbenen Apotheker Vogel sehr befreundet, und Linke kam ebenfalls oft dorthin. Er hatte dabei die Gewohnheit, weil ihm Wasser vielleicht einmal einen guten Dienst geleistet, allen Menschen, die in seiner Gegenwart (und das kam in der Apotheke oft vor) über etwas klagten, Wasser zu empfehlen. „Trinken Sie recht viel Wasser,“ sagte er dann immer, „das ist famos; das reinigt das Blut und macht einen neuen Menschen aus einem!“ Diese Empfehlung kam so oft, daß sie zuletzt bei uns sprichwörtlich wurde, und wir nannten ihn im Scherz „Doktor Linke“ und, als uns das geläufig wurde, nur einfach „Doktor“:

May – Der Schatz im Silbersee: »Aber, wenn Ihr Magister und auch Doktor seid - -!«
- »Das bin ich allerdings! Diese Titel und Würden besitze ich; das weiß ich am allerbesten, denn ich selbst habe sie mir verliehen. (...)
Was Ihr da seht, ist alles weiter nichts als ein klein wenig Farbe und ein bißchen viel Wasser, Aqua genannt. In diesem Worte besteht mein ganzes Latein. Dazu habe ich mir die übrigen Ausdrücke selbst fabriziert; sie müssen möglichst schön klingen. Und so seht Ihr hier Aufschriften wie: Aqua salamandra, Aqua peloponnesia, Aqua chimborassolaria, Aqua invocabulataria und andre. Ihr glaubt gar nicht, welche Kuren ich mit diesen Wassern schon gemacht habe, und ich nehme Euch das gar nicht übel, denn ich glaube es selbst auch nicht. Die Hauptsache ist, daß man die Wirkung nicht abwartet, sondern das Honorar einzieht und sich aus dem Staube macht.

Das May Wasser gleichfalls zur Grundlage der ‚Medizinen‘ seiner Kurpfuscher-Figur macht, dürfte mit der von Gerstäcker kolportierten wahren Geschichte des Doktor Linke – dessen zunächst unfreiwilliger Ruf ihn später dazu brachte, sich dann tatsächlich als Wander+Wunder-Doktor zu betätigen - nichts zu tun haben. Stattdessen dürfte sich May an das „Aqua bendetta“, das ‚Zauberwasser‘ des „Fürst des Schwindels“, oder der ärztlichen Künste, die er Kara Ben Nemsi in Ägypten zuschreibt, erinnert haben:

May – Durch Wüste und Harem/Durch die Wüste: Nun war mir unglücklicherweise in Kairo eine alte, nur noch halb gefüllte homöopathische Apotheke von Willmar Schwabe in die Hand gekommen; ich hatte hier und da bei einem Fremden oder Bekannten fünf Körnchen von der dreißigsten Potenz versucht, dann während der Nilfahrt meinen Schiffern gegen alle möglichen eingebildeten Leiden eine Messerspitze Milchzucker gegeben und war mit ungeheurer Schnelligkeit in den Ruf eines Arztes gekommen, der mit dem Scheitan im Bunde stehe, weil er mit drei Körnchen Durrhahirse Tote lebendig machen könne.
Thomas Schwettmann

Beitrag von Thomas Schwettmann »

Folgen wir nun noch einer weiteren Anregung aus dem Gerstäcker-Artikel von Andreas Graf: Eingehenderer Betrachtung wert sind sicherlich auch die Dampf- bzw. Flatbootschilderungen in ›Die Sclavin‹, ›Sieben Tage auf einem amerikanischen Dampfboot‹ oder ›Flatbootmen‹.

Dazu wäre zunächst einmal zu bemerken, daß der Ausdruck „Flatboot“ (bzw. „Flachboot“) bei May überhaupt nicht zu finden ist, was freilich nicht weiter verwunderlich ist, wenn man Gerstäckers letzten Absatz in seiner Skizze 1858 erstmals veröffentlichten „Flatbootmen“ liest: In den letzten Jahren hat die Zahl der Flatboote indessen auf den beiden Strömen (Anm.: gemeint sind Mississippi und Arkansas) sehr abgenommen. Der Dampf verdrängt sie mehr und mehr. Kielboote trifft man fast gar nicht mehr, und in weiteren zwanzig Jahren wird vielleicht das letzte vom Mississippi verschwunden sein.

Was nun die Dampfbootbeschreibungen bei May angeht, so erschöpft sich diese in einem so schlichten wie exemplarischen Satz wie dem folgenden aus „Der Scout“: Der Steamer war ein sehr flach gehendes Boot und ganz nach amerikanischer Manier gebaut. In „In-nu-woh“ und „Ein Dichter“ hat sich May nicht einmal zu dieser nahezu tautologischen Aussage hinreißen lassen. Was man sich unter amerikanischer Manier genau vorzustellen habe, setzte May fahrlässigerweise beim Leser voraus, und so verzichtet er auch in der „Schatz im Silbersee“ auf eine derartige Beschreibung des Schaufelraddampfer „Dogfish“. Natürlich werden im Verlauf der Erzählung unerläßliche Begriffe wie Deck, Reeling, Kabinen, Kajüten, Kommandobrücke, Schaufelräder usw. angebracht, selbst Salons, Luken und Kielräume werden erwähnt, wie das aber alles zusammenhängt, wie so ein Mississipiidampfer tatsächlich aufgebaut ist, wird von May nicht erklärt; folglich hat er auch dahingehend weder bei Gerstäcker oder sonstwo abgekupfert. Immerhin aber hat Friedrich Gerstäcker in „Die Flußpiraten vom Mississippi“ die gleiche Fahrlässigkeit begangen. Wenn in Kapitel 19 mit der „Van Buren“ nach den Flatbooten erstmals ein Schaufelraddampfer die Handlung bereichert, indem er gleich auf eine Sandband aufläuft, wirft Gerstäcker zwar mit Ausdrücken wie Hurricandeck, Zwischendeck und Backbordradhaus nur so um sich, das Schiff als Ganzes zunächst einmal zu beschreiben, vergißt auch er ganz. Dabei hat er in der oben erwähnten Erzählung „Sieben Tage auf einem amerikanischen Dampfboot“ einen solchen typischen Raddampfer seitenlang sehr ausführlich beschrieben.

Mays KMV-Erben jedenfalls empfanden die unterlassene Beschreibung wohl als ein derartiges Manko, daß sie – durchaus verständlich, aber eben nicht aus Mays Feder stammend - gleich als zweiten Absatz in die GW-Fassung eine solche einschoben: Diese Dampfer gleichen in ihrem Äußeren keineswegs denen, die wir etwa auf den deutschen schiffbaren Flüssen zu shen gewöhnt sind. Den Unterbau bildet ein sehr großes, auffällig flachgehendes Boot. Dadurch will man angesichts der vielen Untiefen und Sandbänke der nordamerikanischen Ströme Unfälle vermeiden. Auf diesem Boot erhebt sich dann ein Aufbau, der einem dreistöckigen Wohnhaus gleicht. Sozusagen im Erdgeschoß, also auf dem unteren Deck, stehen die Dampfkessel und die Maschinen, die die mächtigen Schaufelräder treiben, lagern die Kohlen und die Schiffsfrachten. Auch haust hier die Schiffsmannschaft nebst denjenigen Fahrgästen, die möglichst billig reisen wollen. Auf dem ersten und zweiten Deck sind die Kabinen der besser zahlenden Reisenden, sowie die ‚Saloons‘ untergebracht, also Speisesaal, Rauchzimmer usw. ganz oben breitet sich eine Art Sonnendeck aus. Es wäre natürlich interessant zu wissen, welchen Quelltext Schmid & Co ihren Einschub verdanken.

Abschließend nehmen wie noch die letzte Textparallele Grafs unter die Lupe: Direkt fündig wird man aber erst, wenn man die kleine Gerstäcker-Skizze ›New Orleans‹ näher betrachtet – die merkwürdigerweise im selben Jahrgang derselben Zeitschrift zuerst erschienen war wie schon die Rafters-Geschichte. Die ›New Orleans‹-Geschichte hat erkennbar als Quelle gedient für den Anfang von Mays erster Indianergeschichte ›Inn-nu-woh‹ (1875). Allerdings ist die vorgelegte Vegleich nicht gerade umfangreich, wobei lediglich nur das erste Zitat dafür spricht, daß May die „New Orleans“-Skizze tatsächlich benutzt hat:

May – Inn-nu-woh: Die Jahreszeit, in welcher der gelbe Jack und das schwarze Fieber den Aufenthalt in New-Orleans für den Weißen gefährlich machen, war eingetreten, und wer nicht von der eisernen Nothwendigkeit festgehalten wurde, der beeilte sich, die dünsteschwangere Atmosphäre des unteren Mississippi zu verlassen und die Niederungen des Stromes mit höher gelegenen Orten zu vertauschen.

Gerstäcker – New Orleans: (...) öde wird New-Orleans im Spätsommer und Herbst. Das pestartige, gelbe Fieber breitet seine bleiernen Schwingen über die Stadt aus, und ihre Bewohner fliehen an die Ufer der benachbarten See, oder hinauf in den Norden, um dem grimmen, erbarmungslosen Feind zu entgehen. Kein menschliches Wesen läßt sich dann, wenn es nicht dringende Noth treibt, in der freien, vom Gifthauch der benachbarten Sümpfe geschwängerten Luft blicken (...)/
Das gelbe Fieber, jene jährlich wiederkehrende Pest, rafft Tausende und Tausende hin (...)

Gerstäcker thematisiert dieses Phänomen übrigens auch lang und breit anfangs des 11. Kapitels von „Die Flußpiraten des Missisippi“, hier nur ein kleiner Ausschnitt:Tausende von Quadratmeilen liegen also auf solche Art acht oder neun Monate unter Wasser und hauchen in dem anderen Vierteljahre so pestilenzialische Dünste aus, daß der Ansiedler ganz froh sein darf, wenn er mit einem kalten Fieber davonkommt. Die zweite Zitatgegenüberstellung – hier etwas variiert - ist hingegen eher dürftig:

May – Inn-nu-woh: Die vorsichtige Aristokratie der Stadt hatte sich längst unsichtbar gemacht. Diejenigen, welche aus Rücksicht für ihr Geschäft noch zurückgeblieben waren, beeilten sich, fortzukommen; denn schon erzählte man sich von mehreren plötzlichen Sterbefällen, und auch ich hatte meine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt und stand, das Dampfboot erwartend, am Landeplatze, um nach St. Louis zu gehen, wo Verwandte meiner Ankunft warteten.

Gerstäcker – New Orleans:: Daneben aber (...) wogt, sobald die kühle Abenddämmerung naht, die Aristokratie von New-Orleans (...) /
In den heißen Nachmittagsstunden ist die Rhede überhaupt am ödesten: Jeder, den nicht dringende Geschäfte treiben, sucht da die Kühle der Häuser. /
Dort an der Landung legt eben ein von Cincinnati kommendes Dampfboot an (...)

Auffallend sind jedenfalls nicht nur die Übereinstimmungen sondern auch die Abweichungen zu Gerstäckers Quelltext. Da ist etwa die ‚Erweiterung‘ des Gelben Fiebers zum Gelben Jack und dem schwarzen Fieber, zwei synonyme Bezeichnungen, mit denen es durchaus seine Richtigkeit hat. Der Gelbe Jack bezeichnet im engeren Sinne die gelbe Flagge, die ein Schiff bei Quarantäne zeigt, wird aber im übertragenden Sinn auch für das gelbe Fieber benutzt, dessen Name sich wiederum vom Krankheitssymtom der Gelbfärbung der Haut ableitet. Da die Erkrankung auch zu dunklen, schwarzen Erbrechen führt, wird es zudem auch als schwarzes Fieber bezeichnet.

Dazu kommen noch weitere einzelne Ausdrücke, die irritieren. So schreibt May etwa von Eisenkrahnen, welche bestimmt sind, die ungeheuersten Lasten an und vom Bord zu heben. In den gesamten „Mississippi-Bildern“ , und insbesondere der „New Orleans“-Skizze , ist aber allenfalls von Karren die Rede, mit denen die Ladungen transportiert werden. Ebenso geht Mays Policemen nicht auf Gerstäcker zurück, der den Ausdruck Watchman benutzt, desgleichen gibt es bei May als Signal des Schiffes die Pfeife, bei Gerstäcker aber stets die Glocke bzw. in den „Rafters“ noch die Langen Blechhörner. Ungewöhnlich ist ferner das Packetschiff, welches man im den „Mississippi-Bildern“ ebenfalls vergeblich sucht, dort gibt es allenfalls: Das Mail- oder Postboot war eben von New-Orleans angelangt (erster Satz in „Die Sklavin“, der ersten Erzählung des Buches). Allerdings wird man in „Die Flußpiraten des Mississippi“ fündig: “Blackfoot, Ihr müßt der Kapitän des Dampfbootes werden, und wir machen ein Paketboot daraus, das zwischen Memphis und Napoleon laufen mag.

Schließlich gehört auch eine Equipage, wie May die Kutsche nennt, in der einen oder anderen Schreibweise nicht zum Inventar des Gerstäckerschen New-Orleans-Hafen. Möglicherweise aber hat sich May auch noch durch Harriet Beecher-Stowes „Onkel Toms Hütte“ inspirieren lassen (immerhin hat er auf seiner Amerikareise 1908 das Grab der Autorin besucht), jedenfalls könnte Mays Idee, daß der Siouxhäuptling das Mädchen mittels eines Sprung ins Wasser vor dem Tiger rettet, durchaus durch Evas Sturz in den Mississippi und ihre Rettung durch den gleichfalls breitbrustigen Onkel Tom angeregt worden sein, ja könnte der nette Ned, der alte, grauköpfige Neger nicht auch eine Anspielung auf den alten Tom sein? (Da man für einen exakten Textvergleich genau die zeitgenössische Ausgabe zitieren müßte, die May gelesen hätte, falls er sich denn überhaupt den Roman als Anregung benutzt hätte, sei hier der englischsprachige Originaltext verwendet):

Uncle Toms Cabin: Tom was standing just under her on the lower deck, as she fell. He saw her strike the water, and sink, and was after her in a moment. A broad-chested, strong-armed fellow, it was nothing for him to keep afloat in the water, till, in a moment or two the child rose to the surface, and he caught her in his arms, and, swimming with her to the boat-side, handed her up, all dripping, to the grasp of hundreds of hands, which, as if they had all belonged to one man, were stretched eagerly out to receive her. A few moments more, and her father bore her, dripping and senseless, to the ladies' cabin, where, as is usual in cases of the kind, there ensued a very well-meaning and kind-hearted strife among the female occupants generally, as to who should do the most things to make a disturbance, and to hinder her recovery in every way possible. / It was a sultry, close day, the next day, as the steamer drew near to New Orleans.

Die Ladung des Dampfers besteht ebenso wie in „Inn-nu-woh“ aus nicht viel mehr als Ballen und Kisten, eine Beschreibung des Dampfschiffes gibt es aber dort auch nicht: The trader searched the boat from stem to stern, among boxes, bales and barrels, around the machinery, by the chimneys, in vain.

Auf dem Kai in New Orleans herrscht das übliche hektische Treiben: And now ensued the usual turmoil of landing -- waiters running twenty ways at once -- men tugging trunks, carpet-bags, boxes -- women anxiously calling to their children, and everybody crowding in a dense mass to the plank towards the landing. Doch die Reisenden warten, bis sich die Hektik gelegt hat und steigen dann dort tatsächlich auch eine Kutsche ein, wobei in der Szene gar das »Pshaw!« (Pah!), welches May in „Inn-nu-woh“ erstmals verwendet, zu lesen ist:: "That's a clever fellow, now," said he. "Well, the carriage is waiting, and the crowd are now off, so that one can walk out in a decent and Christian manner, and not be pushed and shoved. Here," he added to a driver who stood behind him, "take these things." / "I'll go and see to his putting them in," said Miss Ophelia. / "O, pshaw, cousin, what's the use?" said St. Clare.

Ähnlich verhält es sich mit dem bei Gerstäcker nicht auszumachenden Schimpfwort Canaille: „ It is the educated, the intelligent, the wealthy, the refined, who ought to have equal rights and not the canaille.“ Ferner verläßt auch Evas aristrokratischen Familie, die St. Clares, New Orleans während des Sommers: At this time in our story, the whole St. Clare establishment is, for the time being,, removed to their villa on Lake Pontchartrain. The heats of summer had driven all who were able to leave the sultry and unhealthy city, to seek the shores of the lake, and its cool sea-breezes.

Auch 'Yellow fever', das gelbe Fieber, wird im Roman - insgesamt zweimal - erwähnt, was nicht verwunderlich ist, denn schließlich stirbt die kleine Evangeline an einer derartigen fiebrigen Erkrankung: Miss Ophelia speak often of a cough, that all her medicaments could not cure; and even now that fervent cheek and little hand were burning with hectic fever. (...) Miss Ophelia was old, and skilled in the tactics of nursing. She was from New England, and knew well the first guileful footsteps of that soft, insidious disease, which sweeps away so many of the fairest and loveliest, and, before one fibre of life seems broken, seals them irrevocably for death.

Dennoch, auch Gerstäckers „New Orleans“ diente May höchstwahrscheinlich (falls der Weltreisende das Zitat nicht noch an anderer Stelle verwandte und May es dort abschrieb) nochmals als Quelltext. In der Einleitung „Vom Tode erstanden“ verwendet Karl May eine Phrase, die nicht auf den ansonsten alleinig ausgeschlachteten Quelltext „Das Hospital in der Mission Dolores“ zurückgeht: Fast hätte man sagen können: »Wer zählt die Völker, nennt die Namen!« Nachdem Gerstäcker in der Einleitung zu „New Orleans“das bunte Völkergemisch weiblicher Schönheiten beschworen hat, heißt es dann: „Wer aber - / - kennt die Völker, nennt die Namen, / die gastlich hier zusammenkamen
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