Der junge Geiger Vogel möchte die Helden bei ihrer Jagd nach den Meltons unterstützen
Dagegen formuliert die Bamberger Bearbeitung, hier zitiert nach der Tosa-Ausgabe:»Und ich reite mit!« rief Franz Vogel begeistert aus.
»Sie?« lachte ich. »Wollen Sie in der wilden Sierra Blanca Konzerte geigen?«
»Ja. Es verlangt mich, diesen Meltons eine Melodie vorzugeigen, an welcher sie genug haben sollen!«
»Das überlassen Sie am besten uns, lieber Freund. Sie sind ein sehr tüchtiger Musiker, aber Ihre Noten stehen nicht da draußen in den Kanons des Colorado. Wir reiten den Meltons nach, um ihnen ihren Raub abzujagen; dabei können Sie uns gar nichts nützen. Wir werden nicht lange fort sein. Gehen sie inzwischen nach Santa Fé, um einige Konzerte zu geben; wir suchen Sie dort auf und legen Ihnen Ihre Millionen in den Schoß.«
[Karl Mays, Satan und Ischariot. 3. Band. Illustrierte Reiseerzählungen von Karl May. 1.–5. Tsd. – Freiburg i.Br.: Friedrich Ernst Fehsenfeld 1911. 2 Bl., 615 S. – = Karl Mays Illustrierte Reiseerzählungen. Band XXIII, S. 164., identisch in: Satan und Ischariot III, Zürcher Ausgabe Zürich, 1996, 144f.]
Man kann darüber streiten, ob in Einzelfällen stilistische Verbesserungen vorgenommen wurden. Die durchaus musikalische Parallele von "Meltons" und "Melodie" ist ein literarischer Kunstgriff: ein musikalischer "Ton" verbindet sich mit dem lateinischen "mel-", das Honig bedeutet, so wie "Mel-odie" eine süße Ode ist. (Vorsicht: Die Etymologie leitet vom griechischen "Melos" für "Teil eines Lieds" ab - aber Mays kreativer Umgang mit Fremdsprachen darf wohl auch hier vorausgesetzt werden.) Tatsächlich erklärt die vermeintlich leichte Albernerei den Namen der Meltons - auch wenn etwa die Verbindung mit dem englischen "to melt" als "flüssig machen" ebenfalls Sinn macht... Dies jedoch fällt in der Bearbeitung fort.»Und ich reite mit!« rief Franz Vogel begeistert aus.
»Sie?« lachte ich. »Wollen Sie in der wilden Sierra Blanca Konzerte geben?«
»Ja. Es verlangt mich, diesen Meltons ein Liedchen vorzugeigen, woran sie genug haben sollen.«
»Das überlassen Sie am besten uns, lieber Freund. [...] Wir reiten den Meltons nach, um ihnen ihren Raub abzujagen; dabei können Sie uns [...] nichts nützen. [...] Gehen sie inzwischen nach Santa Fé, um einige Konzerte zu geben; wir suchen Sie dann dort auf und legen Ihnen Ihre Millionen in den Schoß.«
[Karl Mays, Satan und Ischariot, Wien, 117f.]
Legitimiert wird mein Verdacht durchaus durch die zweite Parallele. Die "Cañons" tauchen im dritten Band Satan und Ischariot immerhin noch 41 mal (20 mal im Singular, 21 mal im Plural) korrekt spanisch geschrieben auf. Es handelt sich also kaum um einen Schreibfehler. Die Pointe der Bemerkung liegt in der kreativen Nutzung des gleichen Klangs (!) der Worte 'Cañon' und 'Kanon' gegenüber einem Geiger.
Zudem verbleibt in der Bearbeitung ein Resteindruck von heldischer Arroganz - während das Original argumentiert: Jedem ist ein Platz zugeordnet, der von seinen Fähigkeiten abhängt. Beides wird auf Drängen des Geigers umgeworfen - aber es ist eine andere Tendenz.
Es wäre eine Untersuchung wert, ob eine solche Humorverschiebung tatsächlich (wie ich empfinde) zum Konzept der Bearbeitung gehört... Und dies soll keine Kritik jedweder Bearbeitung sein - Lektoren haben ehrenwerte Berufe. - Unverständlich bleibt mir jedoch immer die Angabe auf dem Titelblatt:
UNGEKÜRZTE AUSGABE