Am Ende des Romans "Und Friede auf Erden" steht die erschreckend, lähmend wirkende Nachricht:
„Meine Brüder, es gibt --- Krieg!“
Ein Gefühl der Ohnmacht ist es, der hier zum Ausdruck kommt.
Damit stellt dieser Roman eine Ausnahme in Karl Mays Gesamtwerk da. Dahingehend nämlich, dass er keinen positiven Abschluss findet. Das Buch entlässt den Leser in gedrückter Stimmung.
Eine Stimmung, die beinhaltet, dass man machtlos ist gegen den Krieg. Womit "Und Friede auf Erden" dahingehend eine Sonderstellung einnimmt, dass es als einziger der May´schen Romane keinen positiven Abschluss findet.
Und doch, in „Und Friede auf Erden!“ finden wir in den letzten, der Schreckensmeldung folgenden abschließenden Zeilen einen leisen Funken der Hoffnung als leuchtenden Schimmer am Horizont.
„... Wir feiern heut den Shen-Ta-Shi, den großen Tag der „Shen“, doch reicht er über Tag und über Nacht, geht über Monden, über Sonnen hin und wird auf Erden nie und nimmer enden!“
Da faltete der alte, ehrwürdige Reverend die Hände und sprach:
„Die allerhöchste Gnade und der allerhöchste Schutz! Im Sinne unserer „Shen“ also die
Gnade und der Schutz des Allmächtigen und Allliebenden, bei dem es ewig Frieden gibt, selbst wenn des Krieges Ruf hier bei uns Törichten sogar am „großen Tag der Menschlichkeit“ erklingt. Hinauf zu ihm, zu unserer Kapelle! Gleich ist es Mitternacht; sie soll uns betend – dankend – hoffend finden!“
Eine Hoffnung, dass sich die im Buchtitel enthaltene Forderung doch noch erfüllen werde, allen weltlichen Hindernissen zum Trotz. Dabei bleibt das Romanende dennoch sehr vage.
Die Gedanken, die sich Karl May offensichtlich um diesen wichtigen Fragenkomplex gemacht hatte, finden am beginn von "Ardistan und Dschinnistan" einen Ausdruck.
Wenn dort zu lesen ist
der stolze Krieg steigt nie zum Frieden herab, um ihm die Hand zu reichen, sondern der Friede muß zu ihm empor, um ihn, der ewig widerstreben wird, herabzuschmettern. Hat der Krieg eine eiserne Hand, so habe der Friede eine stählerne Faust! Nur die Macht imponiert, die wirkliche Macht. Will der Friede imponieren, so suche er nach Macht, so sammle er Macht, so schaffe er sich Macht. Du siehst, daß der Friede niemals wirklich Friede sein kann. Er ist es nur so lange, als er die Macht besitzt, es zu sein. Er hat stets auf Vorposten zu stehen. Sobald er sich beschleichen und überfallen läßt, tritt der Feind an seine Stelle. Alle Rüstung der Erde und alle Rüstung ihrer Völker war bisher auf den Krieg gerichtet. Als ob es unmöglich wäre, in eben derselben und noch viel nachdrücklicherer Weise auf den Frieden zu rüsten!
dann heißt das doch auch, dass Karl May die Erfüllung der Worte "Und Friede auf Erden" eben nicht eine Sache von einem Gott sein ließ, sondern dass das ein Werk ist, welches von den Menschen selbst erfüllt werden muss.
Das Romanende
Wir aber wendeten unsern weitern Aufstieg nun den Bergen, über deren Pässe der Weg nach Dschinnistan führte, und unsrem hohen, weiteren Ziele zu.
heißt in dem Zusammenhang für mich eben nicht, dass der Frieden, der Weltfrieden, das hohe, weitere Ziel, jenseits unseres irdischen Daseins liegt.
Denn dass mit dem hohen, weiteren Ziel (auch) die Erfüllung der Worte "Und Friede auf Erden" gemeint ist, steht für mich außer Zweifel.
Ganz am Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn schrieb Karl May in seinen "Geografischen predigten unter anderem
Und doch möchte das Herz gern an eine Zeit glauben, in welcher das Schwert zur Sichel wird und die Weissagung der himmlischen Heerschaaren: „Friede auf Erden“ in Erfüllung geht.
und im "Buch der Liebe":
Eines der höchsten irdischen Güter
sowohl für den Einzelnen als auch für die Völker im Großen und Ganzen ist der Friede.
was für mich nichts anderes heißt, als dass für Karl May dieses Ziel sehr wohl
auf Erden errungen werden kann und muss.
Und das Thema Frieden durchzog letztendlich (sicher mehr oder weniger deutlich ausgeprägt) sein Werk von Anfang bis Ende, das zeigen die eben zitierten Worte aus Karl Mays Frühwerk und die abschließenden Worte seiner allerletzten Erzählung:
Es sei Friede! Es sei Friede!