Einige Eindrücke und Anmerkungen;
In der Einführung geht es um die Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen der Individualität nach dem Ableben, eine Frage, die auch hier im Forum schon thematisiert wurde, sowie die
Haltung zum / beim Sterben.
Verschiedene Arten des Sterbens werden dann beleuchtet, z.B. Sokrates gefaßt und heiter, Jesus unter schrecklichen Umständen. Gut der Hinweis auf den
Bild-Charakter einiger Überlieferungen.
Wesentliches Stichwort auf S. 56:
Annehmen …
Bei den Betrachtungen zu Lessings wirklich erstaunlichem „Emilia Galotti“ (als ich das Stück seinerzeit erstmals sah, dachte ich aufgrund der dort zu Tage tretenden Ungeheuerlichkeiten, diese wären der Regie oder Bearbeitung zuzuschreiben, das könne doch unmöglich so bei Lessing anno Tobak im Stück gestanden haben … doch, es steht alles da …) fehlt mir ein wesentlicher Aspekt oder auch eine Dimension; Emilia will sich nicht töten, weil sie es sich nicht verzeihen kann, „dass sie ihre Unschuld möglicherweise einem Mann opfern würde, mit dem sie nicht verheiratet ist“, sondern die Lage ist sozusagen ein wenig schwindelerregender: der Mann, der ihr da nachstellt, ist verantwortlich für den Tod ihres Bräutigams, wenn man so will dessen Mörder, das weiß sie sehr wohl, und weiß gleichzeitig, daß sie dessen ungeachtet ihm „erliegen“ wird, um es profan auszudrücken: daß ihr Bedürfnis nach Sex mit diesem Menschen halt größer ist als der moralische Abscheu, den man oder auch sie selber vielleicht erwarten / empfinden sollte … „Der Mensch ist ein Abgrund, es schaudert einen, wenn man hinunterschaut“, heißt es an einer Stelle bei Büchner, hier finden wir ein Beispiel dafür … Emilia hält die Betrachtung und Erkenntnis ihrer selbst nicht aus … das ist der Punkt.
„Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude!“ heißt es in einem Vers der „Heiligen Johanna“ einprägsam, Wohlgschaft wiederholt diese Worte am Ende des Kapitels noch einmal. Hoffen wir daß es so ist, wenn wir an uns berührende Todesfälle denken, die wir miterleben mußten.
„Das wirkliche Leben und das wirkliche Sterben verlaufen nach anderen Gesetzen als das Leben und Sterben in der Opernwelt“. Oh ja.
„Es kann nicht die Aufgabe des Partners sein, den anderen zu ‚erlösen‘. Da wäre jede Frau/jeder Mann total überfordert.“ (in Richtung Wagner). Zustimmung.
„Wer sich selbst und anderen verzeihen kann, stirbt gelassener als andere Menschen, die gefangen bleiben in einer Opferrolle und die nicht fähig sind zur Vergebung.“ Beherzigenswerte Sätze auf S. 120, dieser und weitere.
Wir kommen zu Karl May und „Schilderungen des Hinscheidens Klekih-petras, Winnetous, Old Death‘ und Old Wabbles – oder auch des Rapphengstes Rih.“ Yeaah ! Sag‘ ich doch, daß letzteres nicht minder beeindruckend ist als die anderen. Hier im Forum war seinerzeit jemand ganz anderer Meinung, schrieb „verendet nur ein Gaul“ und vom „tränendrüsendrückenden Verenden des Kleppers“ , das „ganz schön auf die Ei.. geht.“ (Bedenke, daß man dir am Jüngsten Tag alle deine Forenbeiträge wieder vorlesen wird, frei nach Charlie Chaplin, der von Filmen sprach. (Ich find‘ sie alle wieder …
)
Aufhorchen lassende Stelle, „Ich kenne keinen Romancier, der öfter, intensiver und ergreifender das Sterben beschreibt als der ‚Abenteuerschriftsteller‘ Karl May.“
Stoltes erwähnter „Stirb und werde“ – Aufsatz scheint lesenswert zu sein.
In Sachen „Karl May war ein Religionslehrer, und zwar mit Leib und Seele“ sehe ich die Sachlage etwas kritischer, dem Verfasser der „Himmelsgedanken“ nehme ich seine Botschaften ab, dem früheren May eher nicht, bei dem denke ich denn zugegebenermaßen doch oft an Ansgar Pöllmanns m.E. durchaus zutreffnde Worte „Bald erkannte jedoch der Verfasser dieser Kümmelblättchengeschichte (›Three carde monte‹), wo sein Weizen blühte“ … (siehe auch mein Forenbeitrag im Thread „Endlich Wohlgschaft-Biographie erschienen“ vom 3.1.2010, 20:59 Uhr
)
„Wer richtig lebt, muss den Tod nicht fürchten.“ Wir können wachsen und reifen, unser Bewußtsein schulen … und dann eines Tages
bereit sein.
In die Richtung geht auch Halefs Gleichnis im dritten Silberlöwen-Band, das den Autor tief beeindruckt hat, „Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr gehört diese Rede des kleinen Halef zu den entscheidenden Leseerlebnissen, die mein weiteres Leben bestimmten“. Und „Etwas Besseres oder Weiseres zum Thema ‚Sterben‘ habe ich noch nirgendwo gefunden."
Schön, daß im Kapitel „Martyrium eines Kindes“ auch ein sehr dunkler, deprimierender, Hoffnungslosigkeit vermittelnder Text Mays (aus dem ‚Verlornen Sohn‘) angesprochen wird.
Walther Killy bezeichnete die Sterbeszene Winnetous rundheraus als Kitsch. Hermann Wohlgschaft sieht „die poetische Darstellungskunst eine glaubwürdige Verbindung“ eingehen mit „dem Verkündigungsdrang des gelernten Katecheten“, ich denke, beide haben nicht Unrecht …
Schön die Formulierung „Umzug“ auf S. 150 und der Hinweis auf Hesses „Knulp“.
Interessant die Geschichten der Blanche de la Force und des William Stoner.
Schön und nachvollziehbar die Anführungszeichen beim Wort ‚tot‘ auf S. 164 …