Es ist aber m.M.n. halt so, dass, was May für "hohe" und "symbolische" Schreibe hielt, an der barocken Allegorie von Bunyan & Co. ausgerichtet war: Das Leben allegorisch als Pilgerweg, auf dem man auf Personen und Ortschaften mit sprechenden Namen trifft, die einem weiterhelfen, sich einem in den Weg stellen oder denen man weiterhilft / -helfen sollte. Das Ganze vermischt May mit seiner alten Reiten-gefangennehmen-freilassen-gefangenwerden-sichbefreien-Reiten-Leier - et voilà der wohl letzte Grossmystiker. (Ich frage mich ja: Mystifizierte Schmidt da uns, seine Leser, oder sich selber?)
Nun, was dies betrifft, so sehe ich die Sache da schon etwas anders:
Was Sitara für May bedeutete, wurde von ihm in seiner Biografie und auch später in seinem Wiener Vortrag eingehend erläutert.
Der Weg von Ardistan nach Dschinnistan, vom Gewaltmenschen empor zum Edelmenschen - ein Thema, daß ihn in den letzten Jahren seines Lebens nicht mehr losließ.
Sein Problem war und ist bis heute, daß er mit diesem seinen letzten großen Gedanken eben einfach nicht verstanden wurde.
Das zeigte sich am besten an seinem "Babel und Bibel".
Zitat: "Ich habe ein einziges Mal etwas Künstlerisches und Formvollendetes geschrieben, mein 'Babel und Bibel'. Was war die Folge? Es ist als 'elendes Machwerk' bezeichnet und mit Spott und Hohn überschüttet worden."
Im "Mir von Dschinnistan" griff er dagegen wieder auf die alte Schreibweise seiner "Reiseromane" zurück, wenngleich die Konturen längst nicht mehr so dick aufgetragen wurden. Damit wurde die Erzählung auch für die breite Masse wieder zugänglicher, da sie eben nicht das Schicksal der letzten beiden Bände des "Silberlöwen" teilen mußte.
Das mußte May gespürt haben, denn heraus kam das meiner Meinung nach beste Werk seines Schaffens.
Leider wurde es von vielen, die bereits vom "Silberlöwen" abgeschreckt waren, nicht mal gelesen.
Die geringe Auflagenzahl und ein jahrelanges Verbot des Werkes taten ein übriges.
Übrigens kann ich nur jedem empfehlen, sich weniger auf die Interpretationen anderer zu berufen, sondern sich eher seine eigenen Gedanken zu machen.
Das ist nicht böse gemeint, sondern fiel mir im Verlauf dieses Threads nur so auf:
Herr Schmid schrieb dieses, Herr Wollschläger schrieb jenes usw...
Auch diese Herren waren nicht unfehlbar und vertreten eben nur IHRE Meinung.
Was nun Mays Konzept bei Ardistan und Dschinnistan betrifft, so war dies meiner Meinung nach von Anfang an klar.
Dies hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, sich die Manuskripte zurückschicken zu lassen, um den Ansatz zur Fortführung zu finden.
Man kann ein klares Konzept für ein Werk haben, aber sich selbstverständlich nach längerer Unterbrechung nicht mehr an jedes einzelne, zuvor geschilderte Detail erinnern. Kein Autor wird sein gesamtes Werk wortwörtlich im Gedächtnis haben, aber selbstverständlich die Handlung wissen.
Nur reicht das für eine Fortführung leider nicht ganz aus...
Wem das Ende des Bandes nicht zusagt, nun bitte! Jeder sieht das eben anders und hat seine eigene Meinung (wäre ja auch schlimm, wenn es nicht so wäre).
Da nun allerdings nach einem Paradies zu fragen, kommt mir nun doch etwas abwegig vor.
Dschinnistan ist nur Paradies im übertragenen Sinne; Es ist "...das Territorium der wie die Berge aufwärtsstrebenden Humanität und Nächstenliebe, das einst verheißende Land des Edelmenschen."
Ein Traum freilich, der in seiner Gesamtheit niemals in Erfüllung gehen wird.
Im einzelnen muß es jeder selbst wissen, ob er in seinem eigenen Ardistan stecken bleibt, oder nicht...
MfG,
Rene Jochade